Frage an Maria Flachsbarth von Josef E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr verehrte Frau Dr. Flachsbarth,
für meine Wahlentscheidung im Sept. möchte ich gern Ihre Meinung zu den immer wieder neu installierten "Rettungsschirmen" kennenlernen.
Meine politische Einstellung ist traditionell eher "rechts-konserwativ".
Ich will nicht verschweigen, dass mir die jetzige Politik in Sachen Rettungsschirmen überhaupt nicht gefällt.
So kann ich nicht die Aussage der Bundeskanzlerin nachvollziehen, ....."wenn Griechenland die Eurozone verlässt, fällt der Euro und damit Europa...."
Selten so einen Schwachsinn gehört.
Mit den besten Grüssen
Josef Esser
Sehr geehrter Herr Esser,
vielen Dank für Ihre Frage vom 3. Februar 2013 via abgeordnetenwatch, in der Sie Ihre Besorgnis in Anbetracht der Finanz- und Staatsschuldenkrise schildern. Ich versichere Ihnen, dass ich Ihre Sorge über die Entwicklung in einigen Ländern der Eurozone teile.
Jedoch möchte ich Ihren Bedenken gegenüber der Finanz- und Europapolitik der Bundesregierung entgegen halten, dass eine spannungsfreie wirtschaftliche Entwicklung in der EU und die Stabilität der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion einschließlich der gemeinsamen Währung im besonderen Interesse Deutschlands liegen. Deutschland profitiert vom Euro, weil er für Wachstum und Arbeitsplätze sorgt: Dadurch, dass die Wechselkursrisiken im Euroraum wegfallen, sparen die stark exportorientierten deutschen Unternehmen Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro. Und die Verbraucher profitieren von einem stärkeren Wettbewerb, der zu größerer Vielfalt und geringeren Preisen führt. Der Euro hat zu einer Vertiefung des europäischen Binnenmarkts mit inzwischen mehr als 500 Millionen Verbrauchern geführt. Circa zwei Drittel der deutschen Exporte gehen in Länder der Europäischen Union. Millionen von Arbeitsplätzen hängen in Deutschland vom Binnenmarkt ab.
Jedoch ist für alle offensichtlich geworden, dass die Währungsunion in der Form, wie sie in den ersten Jahren ihrer Existenz aufgestellt war, nicht dauerhaft überleben kann. Denn obwohl sich der Euro als überaus stabile Währung erwiesen hat, hat die Verkettung von Bankenkrise, Wirtschafts-und Finanzkrise und Staatsschuldenkrise die Europäische Wirtschafts-und Währungsunion destabilisiert.
Eine Währungsunion kann grundsätzlich nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft solide wirtschaftet und wettbewerbsfähig ist. Aufgrund der Überschuldung einzelner Euro-Länder können jedoch Situationen auftreten, in denen akut in Schwierigkeiten geratene Länder kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden müssen. Ein im Falle des Nichthandelns möglicherweise entstehender Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die kurzfristige zielgerichtete Krisenhilfe sein, ganz ausdrücklich nicht die dauerhafte Alimentierung von Staaten. Wir arbeiten daher konsequent an einer verbesserten Stabilitätsarchitektur für Europa; der Fiskalpakt, der die deutsche Schuldenbremse auf europäischer Ebene festschreibt, ist ihr wesentlicher Teil.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtig ist, die Einigkeit in Europa mit einem Integrationsschub und mit mehr demokratischer Legitimation zu unterbauen. Dazu gehört es, die Währungsunion zu stabilisieren und entschlossen zu verhindern, dass die Märkte den Zusammenhalt aufreiben. Das europäische Projekt ist mit seiner Währung verknüpft. Wenn es nicht gelingt, den Euro zu behaupten, würde das die europäische Integration weit zurückwerfen - mit der Gefahr internationaler Abseitsstellung, mit der Gefahr von Renationalisierungsprozessen, mit Kosten, die neben dem Ökonomischen auch politisch völlig unabsehbar sind.
Deshalb kommt es aus meiner Sicht jetzt darauf an, das europäische Projekt beherzt fortzuentwickeln und auf die Frage, wie und wieweit wir die Einigung in Europa weiter vertiefen wollen, eine gestaltende Antwort zu finden - neben den Maßnahmen, die kurzfristig notwendig sind, um Griechenland wieder "auf die Beine zu helfen" und damit einer Destabilisierung der Währungsunion und unkalkulierbaren Kettenreaktionen vorzubeugen.
Sehr geehrter Herr Esser, ich möchte Ihnen versichern, dass wir als politische Entscheidungsträger nur die Schritte tun, die wir auch verantworten können. Diese Entscheidungen machen wir uns nicht leicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble gehören zu den führenden Persönlichkeiten, die daran arbeiten, die europäische Schuldenkrise zu bewältigen, ohne die nationalen deutschen Interessen zu vergessen. Bedenken Sie bitte, dass unabhängig vom ökonomischen Nutzen die einheitliche Währung politisch unverzichtbar ist. Sie ist das bislang weitreichendste Ergebnis und Bekenntnis der europäischen Integration und versetzt Deutschland als Teil des größten Binnenmarktes der Welt in die Lage, die Globalisierung mitzugestalten. Dies alles gilt es zu sichern und zu bewahren.
Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich
Gez. Maria Flachsbarth