Frage an Maria Flachsbarth von Karl-Heinz L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,
bitte teilen Sie mir mit, in welcher Höhe 2010 und 2011 eine Anpassung der Diäten erfolgt ist bzw. noch vorgenommen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Lottmann
Sehr geehrter Herr Lottmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mich via abgeordnetenwatch.de erreicht hat. Gerne nehme ich nachfolgend dazu Stellung.
Gemäß Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 unseres Grundgesetzes haben die Abgeordneten des Bundestages einen „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu unmissverständlich klargestellt, dass diese Entschädigung zwingend von den betroffenen Abgeordneten selbst durch Gesetz festgelegt werden muss. Damit ist sie für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar.
Die Abgeordnetenentschädigung soll der Bedeutung des Amtes als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans Rechnung tragen und die unabhängige Ausübung des Mandats gewährleisten.
Ihre Höhe orientiert sich nach geltendem Recht an den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen sowie von Richtern an Bundesgerichten. Als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 160.000 bis 250.000 Wahlberechtigten vertreten, werden Bürgermeister kleiner Städte und von Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern angesehen. Die Abgeordnetenentschädigung blieb zwischenzeitlich jedoch stets hinter den gesetzlich vorgegebenen Orientierungsgrößen zurück.
Im Lichte der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet. In der öffentlichen Diskussion blieb dies jedoch letztlich ohne Einfluss auf die Art und Weise der regelmäßig geführten Debatte um die Höhe und die Angemessenheit der Abgeordnetenbezüge.
Die Schere zwischen dem Anstieg der Abgeordnetenentschädigung im Vergleich zu anderen Einkommensgrößen war seit nahezu 30 Jahren immer weiter auseinander gegangen. Die Anhebung der Diäten zum 01. Januar 2008 war die erste Erhöhung seit fünf Jahren.
Die Abgeordnetenentschädigung wurde zum 1. Januar 2008 um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro angehoben. Die Anhebung zum 1. Januar 2008 um 330 Euro entspricht einem Prozent-Satz von 4,7. Dieser Steigerungssatz liegt damit unter dem Anstieg der durchschnittlichen Erwerbseinkommen seit der letzten Diätenerhöhung im Jahr 2003. Mit der Anhebung um weitere 329 Euro zum 1. Januar 2009 wurde dann die Orientierungsgröße erreicht (B 6, Bürgermeisterbesoldung), jedoch ohne die bisherige anteiligen Sonderzahlungen („Weihnachtsgeld“) für die kommunalen Wahlbeamten und Bundesrichter. Sie sind nicht Bestandteil der Abgeordnetenentschädigung.
Eine weitere Änderung der Abgeordnetenentschädigung in den Jahren 2010 und 2011 ist nicht erfolgt.
Darüber hinaus steht den Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine steuerfreie Kostenpauschale aus nachfolgenden Gesichtspunkten zur Verfügung:
Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet die unabhängige Ausübung des freien Mandats. Die Abgeordneten bestimmen deshalb in eigener Verantwortung, wie sie ihr Amt ausüben, wo sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit setzen und welche Kosten sie dabei auf sich nehmen.
Zu nennen sind beispielhaft die Kosten für ein Wahlkreisbüro, (je nach Größe des Wahlkreises auch für mehrere Büros) oder etwa die Dienstfahrten im Wahlkreis und die Kosten für den Zweitwohnsitz in Berlin. Darüber hinaus fallen weitere mandatsbedingte Kosten (etwa Repräsentation, Einladungen, Wahlkreisbetreuung) an. Die Aufgaben– und Ausgabenschwerpunkte der Abgeordneten sind – wie die Praxis zeigt – dabei sehr unterschiedlich.
Die Kostenpauschale orientiert sich ihrer Höhe nach am durchschnittlichen Aufwand und wird gerade in Form einer Pauschale dem Verfassungsgrundsatz der Unabhängigkeit des Mandats am besten gerecht. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in einem einstimmigen Beschluss vom 26. Juli 2010 ausgeführt: „Die pauschale Erstattung dieser Aufwendungen soll Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, die beim Einzelnachweis mandatsbedingter Aufwendungen dadurch aufträten, dass die Aufgaben eines Abgeordneten aufgrund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus nicht in abschließender Form bestimmt werden könnten“.
Es ist damit gewährleistet, dass nicht über Abrechnungsformalitäten in die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats eingegriffen wird.
Die Kostenpauschale muss sich nach einem früheren Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1977 an dem tatsächlichen Aufwand orientieren. Dieser Vorgabe ist der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 nachgekommen. Es hat bestimmte mandatstypische Ausgaben der Ermittlung der Pauschale zugrundegelegt und mittels Gesamtberechnung aus den jeweiligen Einzelansätzen die Kostenpauschale errechnet.
Mit der Novellierung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1995 wurde die monatliche Kostenpauschale weiter aufgefächert, um künftig eine jährliche Anpassung nach Maßgabe spezifischer Preisindizes zu ermöglichen. Ein speziell auf die Verwendungszwecke der Kostenpauschale zugeschnittener Preisindex, der die Preisentwicklung der mit der Kostenpauschale abgedeckten Waren und Dienstleistungen misst, ist beim Statistischen Bundesamt nicht verfügbar. Es wird deshalb der bereits bestehende Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland als maßgebliche Bezugsgröße zugrundegelegt. Dieser Index besitzt als Maßstab für die allgemeine Geldwertentwicklung eine hohe Akzeptanz, denn alle Preisveränderungen, die er nachweist, sind statistisch abgesichert.
Die Pauschale wird jährlich zum 01. Januar an die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten im vorvergangenen Kalenderjahr angepasst. Für die Anhebung der Kostenpauschale zum 01. Januar 2011 war damit die Steigerungsrate von 2008 zu 2009 maßgeblich. Sie betrug nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes 0,375%.
Höhere mandatsbedingte Ausgaben, die über die Kostenpauschale hinausgehen, werden dem Abgeordneten nicht erstattet. Sie können auch nicht steuerlich abgesetzt werden. Die Kostenpauschale schließt auch aus, dass Wahlkampfkosten als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Für den Abgeordneten gibt es keine „Werbungskosten“. Die übrigen Steuerpflichtigen können dagegen betrieblich bzw. beruflich veranlasste Aufwendungen bei entsprechendem Nachweis grundsätzlich in unbegrenzter Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen.
Dadurch, dass alle Abgeordneten unabhängig von ihrer Funktion im Deutschen Bundestag eine gleich hohe Kostenpauschale erhalten, wird letztlich auch die Chancen– und Statusgleichheit der Mandatsträger gewährleistet. Eine am Steuerrecht ausgerichtete Regelung der Kostenerstattung würde diese Statusgleichheit berühren, weil der Werbungskosteneffekt vom Gesamteinkommen des jeweiligen Abgeordneten abhinge.
Sehr geehrter Herr Lottmann, ich hoffe, mit meinen Ausführungen zur Klärung Ihres Anliegens beigetragen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Flachsbarth