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Maria Flachsbarth
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Frage von Michael H. •

Frage an Maria Flachsbarth von Michael H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

laut Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt wird in der industriellen Tierhaltung das Tierschutzgesetz regelmäßig gebrochen, weil bei Hühnern, Puten, Schweinen und Rindern routinemäßig Amputationen durchgeführt werden, die eigentlich nur in Ausnahmefällen erlaubt wären.

Was unternehmen Sie, um diese Gesetzesbrüche abzustellen?

Warum haben Sie nicht für eine Veränderung des § 35 BBauG gestimmt?

Ich bitte Sie um eine klar verständliche Antwort und nicht im typischen Politikerstil zu antworten. Vielen Dank.

Mit freundlichem Gruß

Michael Hettwer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hettwer,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu Amputationen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der Änderung des §35 BauGB, die mich via abgeordnetenwatch.de am 23. Mai 2011 erreicht hat. Gerne nehme ich nachfolgend dazu Stellung.

Die Achtung vor den Tieren verlangt es von der Politik, sich ständig mit tiergerechter Haltung auseinanderzusetzen. Für mich als Tierärztin gilt dies in besonderem Maße. Die verfassungsmäßige Verankerung des Tierschutzes in Artikel 20a des Grundgesetzes als Staatszielbestimmung macht die besondere Bedeutung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe deutlich.

In §6 des Bundestierschutzgesetzes gilt schon jetzt der Grundsatz, dass Amputationen an Wirbeltieren nur in begründeten Ausnahmefällen – durch tierärztliche Indikation bzw. bei glaubhafter Darlegung der zuständigen Behörde, dass der Eingriff im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung zum Schutz der Tiere unerlässlich ist – durchgeführt werden dürfen.
Deshalb ist es notwendig, dass das Kupieren der Schwänze von Ferkeln und das Schnabelkürzen von Puten in Zukunft weiter zurückzudrängen ist. Dies geht auch aus dem aktuellen Grundsatzpapier der CDU Deutschlands „Die CDU fühlt sich dem Staatsziel Tierschutz verpflichtet“ vom 1. Juni 2011 hervor. Das Dokument ist im Internet abrufbar unter http://www.cdu.de/doc/pdf/110601-tierschutz.pdf.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner MdB arbeitet auf Bundesebene derzeit an weiteren Verbesserungen für den Tierschutz. Das Land Niedersachsen hat unter Führung des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers Gert Lindemann bereits einen Tierschutzplan mit 38 Maßnahmen aufgestellt. Im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium in Hannover kamen dazu Ende Juni bereits zum dritten Mal die Mitglieder des Lenkungsausschusses „Tierschutzstrategie" zusammen. In ihm sind Vertreter der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, des Bioland-Verbandes, des Deutschen Tierschutzbundes, der Wissenschaft, der Behörden, der Verbraucherzentralen und der Kirche vertreten. Alle inzwischen eingerichteten Arbeitsgruppen haben bisher mehrfach getagt und berichteten bei der gemeinsamen Sitzung über ihre Erkenntnisse. So verzichten beispielsweise derzeit schon 8 Betriebe mit 140.000 Tierplätzen probehalber auf das umstrittene Schnabelkürzen bei Legehennen. Eine (testweise) Umsetzung des Tierschutzplanes ist damit bereits konkret im Gange.

Sehr geehrter Herr Hettwer, bzgl. des §35 BauGB möchte ich Ihnen gern im Folgenden begründen, warum ich dem Gesetzentwurf am 24.2.2011 in der 2. und 3. Lesung im Deutschen Bundestag nicht zugestimmt habe. Zugleich weise ich ergänzend darauf hin, dass für dieses Jahr noch eine umfangreiche Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) geplant ist, bei der auch § 35 BauGB und das dort zur Verfügung gestellte Instrumentarium zur Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich ergebnisoffen auf den Prüfstand gestellt werden wird. Diese Frage wird somit zeitnah erneut diskutiert werden.

Ich möchte Ihnen zunächst versichern, dass mir gerade als Umweltpolitikerin und Tierärztin sehr bewusst ist, wie kritisch große Teile der Bevölkerung der zunehmenden intensiven Tierhaltung gegenüberstehen. Die Sorgen von Anwohnern wegen drohender Zersiedlung der Landschaft, Belästigung und gesundheitlicher Gefährdungen durch Gerüche, Feinstaub, Lärm und Transportverkehre nehme ich sehr ernst. Daher ist die Frage der Ansiedlung von Mastbetrieben erst nach sorgfältiger Abwägung verschiedener Argumente zu entscheiden; dazu gehören wesentlich auch die Vorschriften des Baugesetzbuches:
Bei der Diskussion um die Zulassung von Betrieben mit intensiver Tierhaltung ist unstreitig, dass diese Betriebe von der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 erfasst sind. Es handelt sich bei diesen Betrieben um Vorhaben, die „wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung“ nur im Außenbereich ausgeführt werden können.
§ 35 Abs. Nr. 1- 4 BauGB regelt enumerativ, wann ein Vorhaben im Außenbereich zulässig ist. Das Besondere an dieser Vorschrift ist, dass sie gerade für die Vorhaben gedacht ist, die in keinem anderen Bereich als im Außenbereich errichtet werden können, es sei denn, sie sind durch die Planung der Kommunen ausdrücklich zugelassen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die Vorhaben im Außenbereich nicht uneingeschränkt zulässig sind, sondern unter dem Vorbehalt stehen, dass öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Zu diesen öffentlichen Belangen zählen der Naturschutz und die Landschaftspflege genauso wie die Bewahrung der gewachsenen ländlichen Strukturen im Sinne von §§ 18 BNatSchG, die nach einer entsprechenden Abwägung u. U. vorrangig sein können.
Jedes neue Stallbauvorhaben in Deutschland muss ein umfangreiches baurechtliches und immissionsrechtliches Prüfungsverfahren durchlaufen. Darüber hinaus muss der Betrieb nachweisen, dass er die aus der Tierhaltung anfallende Gülle entsprechend der Düngeverordnung verwerten kann. Die Düngeverordnung, die auf der EU-Nitratrichtlinie basiert, soll u.a. gewährleisten, dass es zu keiner Überdüngung kommt. Natürlich ist auch die Geruchsbelästigung ein Teil der Prüfung. Darüber hinaus bitten wir die Kommunen, mit den landwirtschaftlichen Betrieben und der Bevölkerung vor Ort in einen offenen und konstruktiven Dialog einzutreten. Der Unionsfraktion im Bundestag ist bewusst, dass es in einigen Regionen Entwicklungen gibt, bei denen z.B. Stallbauvorhaben an die Grenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz stoßen. Darauf müssen und werden wir reagieren, aber nicht mit pauschalen Verboten, wie die im Februar 2011 diskutierte Novelle des § 35 BauGB dies gefordert hat.

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht aber auch fest, dass die Landwirtschaft – und dazu gehört auch die intensive Tierhaltung – grundsätzlich kein Gegner des ländlichen Raums ist, sondern eine tragende Säule der Beschäftigung im ländlichen Raum. Würde die gewerbliche Tierhaltung im Außenbereich grundsätzlich verboten, so würden nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze gefährdet, weil die Tierproduktion ins Ausland abwandern würde. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass sich auch die Haltungsbedingungen der Tiere sehr verschlechtern könnten, da das deutsche Tierschutzgesetz eines der strengsten weltweit ist. Und trotz gegenteilig lautender Meinungsumfragen ist die Kaufentscheidung des Verbrauchers nach wie vor eindeutig: er wünscht preiswertes, häufig sogar billiges Fleisch. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion dazu beitragen würde, den Wert von Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, neu zu bewerten. Ich bin davon überzeugt, dass Landwirte gern die Tierhaltungen extensivieren würden, wenn denn auch so der wirtschaftliche Betrieb ihrer Höfe gewährleistet werden könnte.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Flachsbarth