Frage an Maria Flachsbarth von Siegfried L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
ich wende mich an Sie (als Betreuerin unseres Wahlkreises), mit der Bitte der erneuten Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nicht zu zustimmen.
Es gibt überzeugende zivile Konzepte- Krieg schafft immer wieder erneutes Unrecht und ist die Quelle für erneute Gewalt.
Siehe: "Politik / Es gibt eine Alternative zum Krieg - Appell an Abgeordnete: Sagen Sie Nein!" ( http://www.sonnenseite.com/index.php?pageID=95&article:oid=a18042 )
Besonders die offensichtliche Täuschung der Öffentlichkeit hat mich veranlasst mich an Sie zu wenden:
Am 12. Januar wurde der Kabinettsbeschluss mit den Worten verkauft: "Ab Ende 2011 könnte aber eine Reduzierung der Kräfte möglich werden." Kein Wort davon im jetzt dem Parlament vorliegenden Antrag. Stattdessen lediglich in dessen Begründung die Aussicht, drei Jahre später mit dem Abzug der "Kampftruppen" beginnen zu wollen, denn: "Die afghanische Regierung will bis Ende 2014 schrittweise die Sicherheitsverantwortung für ihr Land übernehmen."
Können Sie mir zustimmen oder fühlen Sie sich Ihrer Parteilinie verbunden, die unverändert an dem Einsatz festhält?
Sehr geehrter Herr Lemke,
vielen Dank für Ihre Email vom 23.01.2011 und Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch vom 24.01.2011 zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, zu der ich gerne Stellung nehme.
In der vergangenen Woche wurde der Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am Einsatz der NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Im Rahmen des ISAF-Einsatzes unterstützt die Bundeswehr weiterhin die afghanische Regierung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit sowie den Aufbau funktionsfähiger afghanischer Sicherheitskräfte durch Ausbildung, Mentoring, Partnering und Ausrüstungsunterstützung. Die völkerrechtliche Grundlage ist ein entsprechender Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Das jetzt zu beratende Mandat des Deutschen Bundestages soll bis zum 31. Januar 2012 gelten.
Der Strategiewechsel Deutschlands von Anfang 2010 ist aus meiner Sicht der richtige Weg. 2011 beginnen wir mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände.
Der Beginn dieses Prozesses ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem sofortigen Abzug der internationalen Sicherheitskräfte, er erlaubt allenfalls deren allmähliche Verringerung in bestimmten Bereichen. Die Abzugsperspektive für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz in Afghanistan und die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen muss sich an konkreten Fortschritten vor Ort bemessen.
Sehr geehrter Herr Lemke, die Bundesregierung hat sich in der Tat am 12.01.2011 zuversichtlich geäußert, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können.
Mit folgendem Wortlaut ist diese Auffassung auch im dem Bundestag in dieser Woche zur Abstimmung vorliegenden Antrag der Bundesregierung (Drucks. 17/4402) enthalten:
„Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können und wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden.“
Ein konkretes Datum kann heute dennoch niemand benennen. Denn der Abzug hängt von verschiedenen Bedingungen ab. Die Bundesregierung wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum nutzen, soweit die Lage dies erlaubt. Die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses darf dabei allerdings nicht in Gefahr geraten.
Die afghanische Regierung will bis Ende 2014 schrittweise die Sicherheitsverantwortung für ihr Land übernehmen. Dieser Prozess kann sich nur in einer Vielzahl von kleinen Schritten vollziehen. Die Übergabe muss auf solider Grundlage erfolgen und auch nur dann, wenn auf der afghanischen Seite die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Die einzelnen Regionen, Provinzen und Distrikte werden nach einem Kriterienkatalog bewertet, um ihre Übergabereife festzustellen.
Der Weg zu einem stabilen und sicheren Afghanistan, von dessen Boden keine Gefahr für die Region und die Staatengemeinschaft mehr ausgeht, erfordert letztlich eine „politische Lösung“, also einen Prozess der Verständigung und des politischen Ausgleichs. Hier sind 2010 erste Schritte in Richtung einer politischen Konfliktbewältigung eingeleitet worden. Gleichzeitig bleibt es zwingend notwendig, dass die afghanische Regierung ihre Regierungsführung verbessert sowie Korruption mit Nachdruck bekämpft. Insgesamt wird sich das internationale Engagement in Afghanistan in den kommenden Jahren entscheidend verändern. Auf der „Bonn II“-Konferenz Ende 2011, deren Ausrichtung die Bundesregierung auf Wunsch der afghanischen Regierung zugesagt hat, werden wir dies mit den Afghanen und der internationalen Gemeinschaft beraten.
Sehr geehrter Herr Lemke, ich hoffe Ihnen habe darlegen können, dass die Entscheidung über eine Mandatsverlängerung selbstverständlich vor dem Hintergrund einer konkreten Abzugsperspektive gesehen wird. Gleichwohl kann diese nur an tatsächlichen Fortschritten vor Ort in Afghanistan bemessen werden, und das bedeutet ein Mindestmaß an Stabilität und Sicherheit.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Flachsbarth