Frage an Maria Flachsbarth von Karl-Heinz L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,
ich verfolge u.a. die in diesem Land geführte Diskussion zum Thema "Energie." Man liest immer wieder von diversen Studien, die auf viel zu hohe Preise mangels eines echten Wettbewerbs verweisen. Es gibt Z.B. Untersuchungen, die besagen, dass in Deutschland (mit Ausnahme von Dänemark) die höchsten Strompreise in Europa gezahlt werden müssen. Auf dem Gasmarkt dürfte es nicht viel besser aussehen. Die unglaublich hohen Gewinne, die in den Bilanzen der Erzeuger ausgewiesen werden, sprechen eine deutliche Sprache. Von der Politik wird dann immer darauf verwiesen, das die Bürger die Lieferanten wechseln sollen, um günstigere Preise zu erzielen. Es gibt jetzt wohl auch ein Gesetz, mit dem man aufgrund der beschlossenen längeren Laufzeiten der AKW`s Gewinne zukünftig bei den Energieerzeugern abschöpfen will. Da gewinnt man den Eindruck, dass der Staat gemeinsame Sache mit den Energieerzeugern macht. Man sieht ruhig zu, wie sie (zu) hohe Preise fordern, und steckt dann einen Teil davon in die eigene Tasche, anstatt das Geld an die übervorteilten Kunden zurückzugeben.
Es gibt in Deutschland ein Energiewirtschaftsgesetz, das u.a. besagt, dass "die Allgemeinheit möglichst sicher, p r e i s g ü n s t i g , verbraucherfreundlich, effizient, und umweltverträglich mit Gas und Elektrizität versorgt werden muß."
Ich habe noch nie gehört oder gelesen, dass die Politik die Einhaltung dieses Gesetzes angemahnt oder gar durchgesetzt hat. In den öffentlichen Diskussionen, die von Politik und "Experten" geführt werden, spielt dieses Gesetz gar keine Rolle.
Da Sie sich zur Zeit in der Regierung befinden, bitte ich Sie mir zu sagen, was Sie tun wollen, um diesem Gesetz Geltung zu verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Lottmann
Sehr geehrter Herr Lottmann,
vielen Dank für Ihre weitere Anfrage über abgeordnetenwatch.de vom 11.11.2010 zum Thema Energiepolitik und Energiepreise. Ich bin wie Sie der Auffassung, dass der Wettbewerb im Energiemarkt gestärkt werden muss. Klar ist, dass die Stromversorgung in Deutschland auf einem breiten Mix von Energieträgern beruht. Klar ist aber auch, dass sich das System der Stromversorgung in Deutschland in einem Umwandlungsprozess befindet.
Zum einen ist dieser Umwandlungsprozess bestimmt durch den notwendigen Umbau der Stromversorgung hin zum erneuerbaren Zeitalter mit der Perspektive 2050. Dieser Umbau wird den traditionellen Energiemix deutlich verändern. Ein solcher Prozess benötigt übrigens nicht nur Zeit, sondern muss auch wirtschaftlich vernünftig ausgestaltet werden. Um diesen Übergang zu gestalten, d.h. insbesondere den notwendigen Ausbau von Speichern und Netzen zu ermöglichen, ist die die Kernenergie zeitlich befristet als Brückentechnologie erforderlich. Deshalb wurden die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Laufzeitverlängerung keine nachteiligen Wirkungen auf den Wettbewerb im Energiesektor zur Folge haben wird, zumal die neue Kernbrennstoffsteuer und weitere Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber den überwiegenden Teil der Zusatzgewinne abschöpfen und damit einer wirtschaftlichen Besserstellung der KKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung vorbeugen.
Zum anderen ist dieser Umwandlungsprozess bestimmt von der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte. Ich bin wie Sie der Auffassung, dass ein funktionierender Wettbewerb in Deutschland die Voraussetzung für bezahlbare Energiepreise für Wirtschaft und Verbraucher ist. Die Bundesregierung hat das wichtige Ziel, die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte fortzusetzen und den Wettbewerb weiter zu stärken. Deshalb wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie regelmäßig zur Entwicklung des Wettbewerbs auf den Strommärkten - unter besonderer Berücksichtigung der Laufzeitverlängerung - sowie zu den Gasmärkten berichten und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen vorschlagen.
Als wichtigen Baustein wird die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas vorlegen. Diese Transparenzstelle soll beim Bundeskartellamt angesiedelt werden und laufend marktrelevante Daten erheben, sammeln und analysieren. Dies dient der effektiveren Aufdeckung möglichen Fehlverhaltens bei der Preisbildung. Dadurch werden das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Großhandelsmärkte, der Wettbewerb und die Energieverbraucherinteressen gestärkt.
Mit der neuen Gasnetzzugangsverordnung hat die Bundesregierung in diesem Sinne bereits die Bedingungen für einen flächendeckenden Wettbewerb auf dem Gasmarkt verbessert. Die Zahl der Marktgebiete wird verringert, der Zugang zu knappen Transportkapazitäten verbessert und der Zugang von Gaskraftwerken, also neuen Anbietern, erleichtert. Damit ist ein Paradigmenwechsel auf dem Gasmarkt eingeleitet worden. Jetzt muss dessen konsequenter Vollzug, etwa bei der Auktionierung von Kapazitäten, sichergestellt werden.
Darüber hinaus ist die Stärkung des Wettbewerbs und der wettbewerblichen Strukturen durch eine beschleunigte Herstellung eines funktionierenden Marktverbundes mit anderen europäischen Strommärkten, insbesondere durch den Ausbau der Kuppelkapazitäten, zu fördern. Hier gibt es bereits erfolgversprechende regionale Ansätze. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des 3. EU-Binnenmarktpaketes müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür weiter verbessert werden. Auch in Zukunft ist es für die Bundesregierung ein wichtiges Ziel, die Liberalisierung fortzusetzen und den Wettbewerb weiter zu stärken. Das Strommarktdesign der Zukunft, also das Zusammenspiel zwischen einem wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien, der neuen Rolle konventioneller Energieträger, den Regel- und Ausgleichsenergiemärkten, Energiespeichern sowie der Einbindung in den europäischen und außereuropäischen Verbund muss im Kern marktwirtschaftlich ausgerichtet sein. Damit der Markt seine Kräfte entfalten kann, müssen heute die Weichen gestellt werden und ein zukunftsorientierter Rahmen definiert werden.
Sehr geehrter Herr Lottmann, ich denke dass wir in Deutschland auf dem Weg zu einem funktionierenden Wettbewerb im Energiemarkt schon ein gutes Stück Wegstrecke zurückgelegt haben. Gleichwohl haben wir noch gutes Stück vor uns. Die Politik muss ihre Aufgaben erledigen; zugleich sollten aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher noch stärker die meist vorhandene Gelegenheit nutzen, Energiepreise zu vergleichen und ggf. den Anbieter zu wechseln.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth MdB