Frage an Maria Flachsbarth von Pierre V. bezüglich Jugend
Werte Frau Flachsbarth,
Sie schrieben kürzlich, dass es ein fruchtloses Unterfangen ist, ServerbetreiberInnen in manchen Ländern zur Löschung kinderpornografischer Inhalte zu bewegen. Um welche Länder handelt es sich dabei?
Die Stoppschild-Lösung wird, sollte sie verfassungskonform sein, "einige Straftaten verhindern", aber sicherlich keine Verbrechen. Vielleicht wird es sogar Verbrechen vertuschen, weil keine neuen Bilder mehr anfallen, aufgrund derer ermittelt werden könnte. Vielleicht löst das Stoppschild sogar selbst Verbrechen aus, weil bisher unauffällige Pädosexuelle beschaffungskriminell werden, sobald ihr Bildernachschub wegbricht. Wenn sie gegen Angebote vorgehen, um "den Markt für Kinderpornographie soweit es geht auszutrocknen", widerspricht das der kapitalistischen Logik, in dem das Angebot auf eine Nachfrage reagiert.
Meine Frage hierzu: Welche schlüssigen Konzepte gibt es seitens der Bundesregierung, wie die Nachfrage zu bekämpfen sei?
Desweiteren meinen Sie richtigerweise "Selbstverständlich müssen diese Verbrechen an der Wurzel bekämpft, werden." Meinen Sie damit die Herstellung oder die Verbreitung? Schließlich handelt es sich bei Bilddokumenten ´nur´ um Beweisfotos, dass abscheuliche Taten geschehen sind; um perverse Trophäen, aber nicht viel mehr.
Die "Milliardenindustrie" ist laut Fachleuten und Anwälten eine urbane Legende. Falls dem nicht so wäre, müssten knallhart Namen genannt und Verbrecher angeprangert werden. Warum geschieht letzteres nicht, obwohl dies bei anderen Formen des Verbrechens an der Tagesordnung ist?
Und überhaupt: Warum ist zwar bereits das Betrachten kinderpornografischer (Snuff-)Bilder eine Straftat (und zwar auch ohne das Ziel, sich dadurch sexuell zu stimulieren), der Anblick von ´Abu Ghraib´-Folterfotos oder Auschwitzer Leichenbergen hingegen keine? Stimmen sie Frau von der Leyens Meinung zu, der Anblick geschändeter Kleinkinder würde unbedarfte BetrachterInnen "anfixen"?
Mit freundlichem Gruß,
Pierre Vlcek.
Sehr geehrter Herr Vlcek,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 12. Juni 2009, in dem Sie mich um die Beantwortung von Fragen zum Thema Kinderpornographie bitten.
Der Kinderschutz in den neuen Medien ist ein Schwerpunkt bei der Fortschreibung des Aktionsplans des Dritten Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden im November 2008 in Brasilien. Die Umsetzung der konkreten Maßnahmen ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen, Nichtregierungsorganisationen, dem privaten Sektor sowie der EU. Zu den Staaten, die bereits erfolgreich Maßnahmen ergriffen haben zählen: Norwegen, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Neuseeland, die Schweiz, Südkorea, Kanada, Taiwan und Großbritannien.
Sie äußern Zweifel an der Wirksamkeit des geplanten Gesetzes gegen Kinderpornographie im Internet. Auch wir Abgeordnete wissen, dass dieses Gesetz allein nicht zur wirksamen Bekämpfung ausreicht. Das darf aber nicht als Vorwand dienen, auf diese ersten Schritte zu verzichten. Da der Gesetzgeber auf diesem Gebiet Neuland betritt, ist es sehr schwer, konkret zu beurteilen, ob und inwiefern dieses Gesetz den Konsum und die Produktion von Kinderpornographie erschweren oder verhindern wird. Gerade deshalb sieht das Gesetz eine Evaluation nach zwei Jahren vor.
Weiterhin stellen Sie die Frage, warum schon das Betrachten von kinderpornographischen Darstellungen eine Straftat sein soll, dagegen nicht das Betrachten von Fotos der Verbrechen in Abu Ghraib oder Auschwitz. Hier muss unterschieden werden zwischen dem Betrachten von Dokumentationen historischer Begebenheiten und staatlich veranlasster Grausamkeit und Gewalt - was angesichts der Leugner des Holocaust sogar geboten ist - und dem Betrachten der Opfer von Kriminellen – möglicherweise zur Befriedigung des Sexualtriebs. Deshalb sieht der Gesetzgeber gerade bei kinderpornographischen Darstellungen nicht nur im Betrachten, sondern sogar schon in jedem „Klick“ im Internet auf diese schreckliche Darstellung einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des abgebildeten Kindes (siehe auch Gesetzesbegründung).
Auch § 184 b Strafgesetzbuch (STGB) stellt schon das Betrachten von kinderpornographischen Darstellungen unter Strafe. Dem Gesetzgeber geht es aber hier weniger darum, das Betrachten einer Darstellung als solches zu betrafen, als die mit dem Besitz einer kinderpornographischen Darstellung verbundenen Möglichkeit zu unterbinden, über diese nach Belieben verfügen zu können, sie zu speichern, zu verbreiten, zu verschenken oder zu verkaufen. Die Strafbarkeit des Besitzes von kinderpornographischen Darstellungen geht schon zurück auf das 27. Strafrechtsänderungsgesetz vom 23. Juli 1993, in der es das gesetzgeberische Ziel war, in § 184 b STGB einen möglichst lückenlosen Katalog von Tatbegehungsweisen aufzunehmen, um so den „Kampf“ gegen die Verbreitung von Pornographie voran zu treiben. (OLG Schleswig, Beschluss vom 15.09.2005 - 2 Ws 305/05 (222/05).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Flachsbarth MdB