Frage an Maria-Elisabeth Fritzen von Rainer H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Fritzen,
mit großem Interesse habe ich Ihre Stellungnahme zur Vermeidung von bleihaltiger Büchsenmunition zu Jagdzwecken gelesen.
Ich habe folgende Fragen:
1. Wie viele verendete Seeadler wurden untersucht ?
2. Bei wie vielen Seeadlern war ein bleihaltiges Büchsengeschoss die Todesursache ?
3. Mit welchen Methoden wurde diese Todesursache bestimmmt ?
4. Welche verzehrten Beutetiere waren die Ursache für die Aufnahme bleihaltiger Büchsengeschosse ?
5. Gelangen bleihaltige Büchsengeschosse auch auf anderem Weg als auf dem Verzehr von Beutetieren in den Nahrungskreislauf der Seeadler ? Wenn ja, wie ?
6. Können Sie mir die Quellen der Berichte angeben, die diese Untersuchungen belegen ?
7. Wie viele Seeadler gibt es in Schleswig-Holstein ?
8. Welche anderen - unnatürlichen - Ursachen haben zum Tod von Seeadlern geführt ?
Meine Fragen bezüglich bleihaltiger Munition beziehen sich ausschließlich auf Büchsengeschosse, nicht auf Schrot.
mit freundlichen Grüßen
Rainer Hellmuth
Sehr geehrter Herr Hellmuth,
vielen Dank für Ihren umfangreichen Fragenkatalog, den ich wie folgt beantworte:
1. Wie viele verendete Seeadler wurden untersucht ?
2. Bei wie vielen Seeadlern war ein bleihaltiges Büchsengeschoss die Todesursache ?
Zu 1 und 2:
Bei Untersuchungen des Untersuchungen des Leibnitz - Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin wurden 309 Seeadler untersucht, 70 davon starben an Bleivergiftung.
Siehe: http://www.schleswig-holstein.de/UmweltLandwirtschaft/DE/NaturschutzForstJagd/10_Jagd/BleifreieBuechsenmunition.html
Von 105 Totfunden in Schleswig-Holstein im Zeitraum 1997 bis 2011 wurde in 7 Fällen Bleivergiftung als Todesursache nachgewiesen.
Siehe: http://www.projektgruppeseeadlerschutz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=116&Itemid=137
3. Mit welchen Methoden wurde diese Todesursache bestimmt ?
Laut mündlicher Auskunft von Dr. Oliver Krone vom IZW werden die Tiere obduziert und alle pathologischen Veränderungen dokumentiert. Bei Bleivergiftung treten charakteristische Organveränderungen auf. Abgesichert werden die Befunde durch analytische Bestimmung der Bleigehalte in Leber und Nieren.
4. Welche verzehrten Beutetiere waren die Ursache für die Aufnahme bleihaltiger Büchsengeschosse ?
Die Frage kann ich nicht beantworten, dies ist möglicherweise den unter 6. genannten Publikationen zu entnehmen.
5. Gelangen bleihaltige Büchsengeschosse auch auf anderem Weg als auf dem Verzehr von Beutetieren in den Nahrungskreislauf der Seeadler ? Wenn ja, wie ?
Das ist mir nicht bekannt. Ich wüsste auch nicht, wie dies geschehen sollte.
6. Können Sie mir die Quellen der Berichte angeben, die diese Untersuchungen belegen ?
- Tagungsband "Bleivergiftungen bei Greifvögeln. Ursachen, Erfahrungen, Lösungsmöglichkeiten. Der Seeadler als Indikator" des IZW
- Broschüre „Bleivergiftungen bei Seeadlern: Ursachen und Lösungsansätze – Anforderungen an bleifreie Büchsengeschosse“ des IZW Zu bestellen hier: http://www.seeadlerforschung.de/#
- Wissenschaftliche Publikationen des IZW:
Nadjafzadeh M, Krone O (2011): Nahrungsökologie und selektives Fressverhalten des Seeadlers (Haliaeetus albicilla).In: Bleivergiftungen bei Greifvögeln. Ursachen, Erfahrungen, Lösungsmöglichkeiten. Der Seeadler als Indikator., Krone O (ed), Eigenverlag 23-35., Berlin
- Sulawa J, Kenntner N, Krone O (2011): Einflussfaktoren auf die Verteilung von Bleivergiftungen in der Population des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) in Deutschland.In: Bleivergiftungen bei Greifvögeln. Ursachen, Erfahrungen, Lösungsmöglichkeiten. Der Seeadler als Indikator., Krone O (ed), Eigenverlag 52-57., Berlin
- Zieschank R, Krone O (2011): Lösungsansätze zum Problem der Bleivergiftungen bei Seeadlern in Deutschland.In: Bleivergiftungen bei Greifvögeln. Ursachen, Erfahrungen, Lösungsmöglichkeiten. Der Seeadler als Indikator., Krone O (ed), Eigenverlag 122-127., Berlin
7. Wie viele Seeadler gibt es in Schleswig-Holstein ?
Dort heißt es zur Bestandsentwicklung, dass im Jahr 2012 in Schleswig-Holstein 75 Seeadlerreviere besetzt waren. Zur Anzahl der Individuen werden keine Angaben gemacht, aber zur Anzahl der Brutpaare der aufgezogenen Jungvögel. Im zeitigen Frühjahr 2012 begannen 66 Paare mit einer Brut, aber nur 47 Paare brüteten erfolgreich, so dass im Juli insgesamt 81 junge Seeadler flügge wurden (86 in 2011).
Zur Bestandsentwicklung der Seeadler in SH seit 1947 siehe hier: http://www.projektgruppeseeadlerschutz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=49&Itemid=55
8. Welche anderen - unnatürlichen - Ursachen haben zum Tod von Seeadlern geführt ?
Zwischen 1990 und 2000 wurden 120 tot aufgefundene Seeadler aus Deutschland im Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin, und im Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (ILAT), Berlin, pathologisch untersucht. Von den untersuchten Adlern waren 47 % weiblich, 38 % männlich und bei 15 % konnte das Geschlecht nicht ermittelt werden. Nahezu die Hälfte der Tiere war adult (47,5 %), 12,5 % waren subadult, 34 % immatur, 3 % Nestlinge, und in 3 % der Fälle konnte das Alter nicht exakt bestimmt werden. Die Haupttodesursachen der Seeadler waren Bahnunfälle (14 %), gefolgt von Bleivergiftungen (12 %), Infektionskrankheiten (11 %),Traumata (10 %), Stromschläge (9 %), Leitungsanflüge (7 %), Revierkämpfe (5 %),Vergiftungen (3 %), Missbildungen (2 %) und Verhungern (1 %).
Eine Diagnose der Todesursache war in 29 Fällen aufgrund der fortgeschrittenen Autolyse nicht möglich. Vier Nematoden- und eine Trematodenart wurden erstmalig im Seeadler als Endwirt nachgewiesen. Der Befall mit dem Leberegel Metorchis war für sechs Seeadler letal. Schrotgeschosse wurden in fünf von 58 geröntgten Adlern nachgewiesen.
(Laut O. Krone, T. Langgemach, P. Sömmer & N. Kenntner (2002): Corax 19, Sonderheft 1: 102-108
Zitiert von http://www.projektgruppeseeadlerschutz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=60&Itemid=67 )
In SH:
In Schleswig-Holstein verendeten in den Jahren 2010 und 2011 allein sieben Seeadler an dem Insektizid Mevinphos. Dieses Insektizid ist in Deutschland verboten, es stammt vermutlich von illegal ausgebrachten Giftködern. Außerdem gab es in 2012 einen Vergiftungsfall durch Carbofuran sowie weitere Vergiftungsfälle ungeklärter Ursache.
Siehe: Großvogelschutz im Wald, Jahresbericht 2012, zu beziehen unter http://www.projektgruppeseeadlerschutz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=74&Itemid=84
Sowie Artenschutzbericht 2012: http://www.schleswig-holstein.de/MELUR/DE/Service/Broschueren/Umwelt/pdf/Jagd_und_Artenschutz_2012__blob=publicationFile.pdf
Außerdem kommt es zu Todesfällen durch Kollision mit Windkraftanlagen. Zwischen 1989 und 2008 wurden in Schleswig-Holstein 8 Seeadler durch WKA getötet. Siehe: http://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/windenergie/windenergie.pdf
Laut Projektgruppe Seeadlerschutz wurden in den Jahren 1997 bis 2011 in Schleswig-Holstein 105 Seeadler tot aufgefunden oder so schwer verletzt aufgegriffen, dass sie später nicht überlebten. Zu allen Funden liegen Totfundprotokolle mit eingehender Beschreibung der Fundumstände und der Vögel vor. Mit Hilfe der veterinär-medizinischen Untersuchungen im IZW konnten von insgesamt 77 Seeadlern die Todesursachen zweifelsfrei bestimmt werden. In 26 Fällen war eine Kollision der Seeadler mit den Rotorblättern von Windenergieanlagen (WEA) die Todesursache. Im ersten Untersuchungszeitraum von 1980 bis 1997 gab es diese Todesursache bei Seeadlern noch nicht. Seit dem ersten Totfund unter einer WEA im Jahr 2003 ist dies heute die häufigste Todesursache in Schleswig-Holstein. Allein dieser Ursache macht rund ein Viertel aller aktuell ermittelten Todesfälle aus. Am zweithäufigsten starben Seeadler (15 Totfunde) durch die Kollision mit Eisenbahnen. Häufig geschieht dies, wenn die Seeadler dort an Tierkadavern fressen, die ihrerseits bereits durch Verkehrskollision angefallen sind und dann tot am Gleiskörper liegen. In je sechs Fällen kollidierten Seeadler entweder mit Stromleitungen (Trauma) oder starben in Folge eines Stromschlages nach einem Landeanflug auf den Masttraversen oder Drahtseilen. Insgesamt starben 14 Seeadler in Schleswig-Holstein in Folge von Vergiftungen. Dabei konnte in sieben Fällen eine Bleivergiftung, in 4 Fällen eine Vergiftung mit Mevinphos und in einem Fall eine Vergiftung mit einem Carbamat nachgewiesen werden. Die letztgenannten Vergiftungsfälle geben einen deutlichen Hinweis auf eine illegal stattfindende Prädatorenbekämpfung, zumeist unter Einsatz von tödlich giftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln, die illegaler Weise als Ködergifte bei der Fuchsbekämpfung eingesetzt werden.
Unter den natürlichen Todesursachen (10%) sind Krankheiten (8 Fälle) und Revierkämpfe mit tödlichem Ausgang (2 Fälle) zu nennen. Bei 26% aller untersuchten Todesfälle blieb die genaue Todesursache unbekannt.
Aus: http://www.projektgruppeseeadlerschutz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=116&Itemid=137
Mit freundlichen Grüßen
Marlies Fritzen