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Frage von Nevin Y. •

Frage an Marcus Weinberg von Nevin Y. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Weinberg,
mich würde interessieren wie Sie sich für Integration einsetzen und vor allem wie Sie Integration für sich definieren. Der Hintegrgrund meiner Frage ist:
Obwohl ich seit nunmehr 32 Jahren in Hamburg lebe, hier sozialisiert wurde, deutsch besser spreche als manch ein Deutscher und sogar eingebürgert bin, werde ich immer wieder "leidvoll" von der Mehrheitsgesellschaft als "Migrantin" wahrgenommen. ich empfinde es als Reduktion und fühle mich sehr diskriminiert. Es stellt sich zunehmend die Frage, ob die Mehrheitsgesellschaft integrationsfähig ist. Ich bitte Sie hierzu zu einer Stellungsnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Nevin Yasar

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Antwort von
parteilos

Sehr geehrter Herr Yasar
vielen Dank für Ihr Schreiben. Zum Thema Integration habe ich ein Arbeitspapier erarbeitet, welches meine Position ausdrückt. Dieses schicke ich Ihnen unten zu. Ich glaube, dass die Meheitsgesellschaft durchaus integrationsfähig ist. Aber Integration ist etwas prozesshaftes, welches eine Gesellschaft wie auch ein Individuuum noch lernen muss. Und es ist keine Einbahnstraße!
Die Ziele der Integration habe ich unter II. definiert. Das erste Kapitel beschreibt die gegenwärtige Lage in Deutschland.

I. Zur gegenwärtigen Lage in Deutschland

Insgesamt deutet sich vor dem Hintergrund der Lissabon-Strategie von 2000 (EU soll zum ?wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt? aufsteigen) in der EU-Integrationspolitik eine Verknüpfung von Zuwanderungs-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik an. Zuwanderer sind demnach elementar für die Entfaltung der Potenziale der EU, deshalb ist eine bessere soziale Integration der Zuwanderer unabdingbar. Dieser Prozess muss gesellschaftlich verträglich gestaltet werden.
Im Jahre 2003 legte die Europäische Kommission das die Bereiche Zuwanderung, Beschäftigungs- und Sozialpolitik verknüpfende Strategiepapier "Einwanderung, Integration und Beschäftigung" vor. Als Kernelemente der Integration wurden hier die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, Bildung und Sprache, Wohnen und Leben im urbanen Raum, Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten, die Einbindung in das soziale und kulturelle Umfeld sowie die Möglichkeiten zur Erlangung der Staatsangehörigkeit oder "Zivilbürgerschaft" genannt.
Die Verantwortung für die Konzeption und Umsetzung von Integrationsmaßnahmen liegt in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten; insbesondere Behörden und andere Akteure auf lokaler und kommunaler Ebene müssen dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Aufgabe der Europäischen Kommission in diesem Bereich besteht darin, konzeptionelle Vorschläge zu erarbeiten und den Erfahrungs- und Informationsaustausch der Mitgliedsstaaten zu begleiten.
Zuständigkeiten und Gesetzgebung im Bereich der Integration in Deutschland: Das Grundgesetz sieht keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung für die Integration von ausländischen Zuwanderern vor.
GG Art. 73: "Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über: § 3: die Freizügigkeit, das Passwesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung"
GG Art 74: "Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: § 1(4) Das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer"
Demnach kann der Bund Art und Maß der Integrationsvoraussetzungen festlegen und auch die Grundsätze der Integrationsförderung bestimmen. Wie diese umgesetzt werden, ist Aufgabe der Länder.
In der Vergangenheit war die Integrationsförderung in Deutschland stark fragmentiert. Einen ersten Schritt zu einer umfassenden strategischen Integrationsförderung und zur Überwindung dieser starken Fragmentierung bietet das Integrationsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat. Ein erster Schritt in die richtige Richtung kann dieses schon deshalb nur sein, weil Integrationspolitik als eine dauerhafte und nicht abschließbar gesellschaftliche Aufgabe verstanden werden muss.
Das Aufenthaltsgesetz als Teil des Zuwanderungsgesetzes regelt neben den Teilbereichen der Zuwanderung von Arbeitnehmern und die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern die Integration von dauerhaft Zugewanderten. Im Bereich der Integration wurde in Deutschland erstmals eine gesetzliche Grundlage geschaffen, deren Zuständigkeiten und finanzielle Verantwortung beim Bund liegen.
Auf der Basis dieser Gesetzesgrundlage gibt es in Deutschland erstmals einen Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnamen. Der Bund unterstützt in Zukunft die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Neuzuwanderern
durch einen so genannten Integrationskurs. Dieser sieht einen Grund- und Aufbausprachkurs von jeweils 300 Stunden sowie einen 30stündigen Orientierungskurs vor, der Kenntnisse über Kultur, Geschichte und das Rechtssystem Deutschlands vermitteln soll. Für Ausländer und Spätaussiedler ist das gleiche Angebot vorgesehen. Der Rechtsanspruch gilt für Arbeitsmigranten, Selbstständige, Familienangehörige, Asylberechtigte und Flüchtlinge (nach der Genfer Flüchtlingskonvention und jüdische Kontingentsflüchtlinge). Auch für Spätaussiedler besteht ein Rechtsanspruch. Keinen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs haben dagegen Unionsbürger, Kinder und Jugendliche in schulischer Ausbildung, sowie Zuwanderer mit erkennbar geringerem Integrationsbedarf bzw. ausreichenden Deutschkenntnissen. Für Letztere gilt weiterhin der Anspruch auf die Teilnahme am Orientierungskurs.
Die Neuausrichtung der Integrationsförderung wird nach dem Prinzip "fördern und fordern" vorgenommen. Bei erfolgreicher Teilname besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung bereits nach sieben und nicht erst nach acht Jahren. Darüber hinaus gilt der Kursbesuch auch als Nachweis für die zur endgültigen Aufenthaltsverfestigung notwendigen Sprachkenntnisse. Eine nicht erfolgreiche Teilname kann negative Folgen in Bezug auf die Aufenthaltsgenehmigung haben.
Darüber hinaus regelt das Aufenthaltsgesetz auch Integrationsmaßnahmen bereits in Deutschland lebender Ausländer. Sofern genügend Plätze vorhanden sind, können auch sie an den Integrationskursen teilnehmen. In Deutschland lebende Ausländer, die Leistungen des SGB II beziehen oder als besonders integrationsbedürftig gelten, sind zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet.

Die Kosten der Integrationskurse werden für die Neuzuwanderer bei etwa 188 Millionen Euro und für die bereits hier lebenden Ausländer mit etwa 76 Millionen Euro veranschlagt.
Insgesamt können die Integrationsregelungen des Aufenthaltsgesetzes als ein wichtiger erster Schritt hin zu einer systematischen Integrationspolitik verstanden werden. Dennoch gibt es in einigen Punkten Nachbesserungsbedarf. So ist zum Beispiel nicht klar, wie der "besonderen Integrationsbedarf" eines Migranten definiert wird und wer diesen feststellt.
II. Grundlegende Ziele von Integration
Von hoher Bedeutung ist, dass Integration als gesamtgesellschaftliche, zeitlich unbegrenzte Aufgabe verstanden wird, die Anforderungen an die gebürtigen Deutschen und an die Migranten stellt. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik muss es zu einer Vernetzung der einzelnen Politikfelder auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene kommen, in die Migranten sowie Einheimische aktiv eingebunden werden müssen.
Von der Zielsetzung her ist Integration darauf gerichtet, Zuwanderern eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unter Respektierung kultureller Vielfalt zu ermöglichen (Unabhängige Kommission für Zuwanderung).
Zuwanderung muss gesehen werden als eine wirtschaftlich und demografisch notwendige, aber auch kulturelle Bereicherung für Deutschland. (Unabhängige Kommission ?Zuwanderung?): nämlich die einzelnen Menschen und Familien, ihre Zusammenschlüsse in Gruppen und Organisationen sowie die gesamtgesellschaftliche Ebene, zum anderen verschiedene Bereiche: in struktureller Hinsicht gehören hierzu der rechtlich-politische Status sowie die soziale Lage (zum Beispiel in den Bereichen Beschäftigung und Erwerbstätigkeit, Wohnen, Bildung und Ausbildung sowie gesundheitliche Versorgung), in kultureller Hinsicht insbesondere die Möglichkeiten der individuellen und kollektiven Entfaltung im Bereich der Sprache, des Glaubens und Gewissens und sonstiger kultureller Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen.
Integration beinhaltet ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Angehörigen der einheimischen und der zugewanderten Bevölkerung.
Integrationsprozesse enthalten individuelle und kollektive Dimensionen; in ihnen sind zum einen Individuen einbezogen, zum anderen gesellschaftliche, politische und kulturelle Initiativen, Gruppen, Organisationen und Institutionen.
Gelingt die Integration der Einwanderer in den Ländern der EU nicht, kann sich dies negativ auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken. Grundlegende Voraussetzungen:
die im GG festgelegten Rechte und Pflichten gelten für alle in Deutschland Lebenden als verbindliche Grundlage für alle Bürger, egal welcher Nationalität, Kultur oder Religion.
Integrationswille: Bemühung des Einzelnen, egal ob einheimisch oder zugewandert um die soziale Integration und die gesellschaftliche Partizipation.
Anerkennung und Respektierung der jeweils anderen Kulturen, Religionen, Sprachen etc. und Wahrnehmung der Differenzen als Potential, als Chance für die ganze Gesellschaft und nicht als Bedrohung oder Defizit. Integration als eine zeitlich unbegrenzte gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
III. Gesellschaftliche und politische Teilbereiche der Integration Spracherwerb:
Das Beherrschen der Sprache der Mehrheitsgesellschaft gilt als ein zentrales Kriterium für eine erfolgreiche Integration, da ihr für die gesellschaftliche Verständigung, für den Dialog eine Schlüsselstellung zukommt. Menschen, die die Mehrheitssprache nicht beherrschen, können kaum in die Gesellschaft, in den Arbeitsmarkt oder ins Bildungssystem integriert werden. Vor diesem Hintergrund muss der Sprachförderung in den Integrationsbemühungen ein zentraler Stellenwert zukommen.
Sprachförderung in Kindertagesstätten, Vorschule und Grundschule, Zweisprachigkeit als Chance
Sprachförderung für junge Erwachsene
Sprachförderung für Erwachsene in den Integrationskursen nach dem Aufenthaltsgesetz
Bildung als Basis der Integration:
Bildung gewinnt gegenwärtig in unserer wissensbasierten Gesellschaft zunehmend an Relevanz, da der Bildungsgrad den Schlüssel für den Eintritt in den Arbeitsmarkt bietet. Ferner steigt durch ein niedriges Bildungsniveau die Gefahr, arbeitslos zu werden. Von dieser Problematik sind Migranten heute stärker betroffen, als gebürtige Deutsche. Deshalb muss das Bildungsniveau bei Menschen mit Migrationshintergrund künftig angehoben werde.
Rolle von Kindertagesstätten und Vorschulen
Allgemeinbildende Schulen
Berufliche Bildung (Ausbildung und Studium)
Erwachsenenbildung
Integration in den Arbeitsmarkt:
Nur wenn bestimmte ökonomische Vorraussetzungen vorhanden sind, bekommen Menschen die Möglichkeit zur vollständigen gesellschaftlichen Partizipation. Fehlen finanzielle Mittel, wird die Teilhabe stark erschwert und in einigen Bereichen unmöglich gemacht. Deshalb bildet die Integration in den Arbeitsmarkt eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Deshalb müssen in Bezug auf Migranten Besseren Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden Förderung von jungen Migranten
Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Anerkennung von Berufsabschlüssen
Zuwanderer als ?Humankapital?
?Zuwanderer werden hier nicht mehr nur als "Bedrohung" oder unter "Defizit"-Gesichtspunkten, sondern in erster Linie als "Ressourcen" betrachtet, die einen positiven Beitrag für die ökonomische, demographische, soziale und kulturelle Entwicklung der Aufnahmegesellschaften leisten können oder sollen. Dies kommt in der Feststellung zum Ausdruck: "Europa oder Deutschland braucht Zuwanderer...". Werden Zuwanderer nur unzureichend integriert, so erschwert dies eine optimale Nutzung des "Humankapitals" und verschärft so die ökonomischen und sozialen Probleme, die in den europäischen Ländern aufgrund des Geburtenrückgangs, der Alterung und des Fehlens von Arbeitskräften in bestimmten Sektoren des Arbeitsmarktes bestehen. Zudem hat die "Nichtintegration" ausländischer Zuwanderer zusätzliche Kosten für die Aufnahmegesellschaften zur Folge. Trotz dieser zutreffenden Gesichtspunkte kann mit dieser Begründung doch auch die Gefahr einhergehen, Zuwanderer ausschließlich unter funktionalen und instrumentellen Gesichtspunkten, also ihrer Nützlichkeit für herrschende Interessen der Aufnahmegesellschaften zu sehen und andere Gesichtspunkte, wie zum Beispiel die Menschenrechte der Betroffenen und/oder ungleiche Entwicklungen auf der globalen Ebene aus dem Blick zu verlieren? (Schulz, bpb).
Interkulturelle Förderung
Schaffung von besseren Möglichkeiten der kulturellen und religiösen Entfaltung
Förderung des Dialogs zwischen Migranten und der Mehrheitsgesellschaft durch interkulturelle Begegnungen, des Austauschs und der Kommunikation auf niedrigschwelliger Ebene (Kinder, Jugendliche und Erwachsene).