Frage an Marcus Weinberg von Norbert R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
laut einer aktuellen Bertelsmann-Studie mit dem Titel "Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt" ( www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/28_Einwanderung_und_Vielfalt/Bonin_Beitrag_Zuwanderung_zum_dt_Staatshaushalt_141204_nm.pdf , Seite 56) trägt rechnerisch jeder Deutsche zum langfristigen Staatsdefizit 3.100 Euro bis zum Lebensende bei, jeder Ausländer aufgrund der im Vergleich zu den Deutschen schlechteren Integration am Arbeitsmarkt sogar 79.100 Euro.
Hierzu meine Fragen:
1. Um eine schlechtere Integration von nicht ausreichend qualifizierten Ausländern am Arbeitsmarkt von vornherein zu verhindern, scheint eine bedarfsorientierte Einwandungspolitik die richtige Strategie zu sein. Was halten Sie in dem Zuge von der Einführung eines Punktesystems, wie es etwa in Kanada aktiv betrieben wird?
2. Wie können Arbeitsmarkt und Sozialsysteme vom Zuzug unqualifizierter EU-Bürger geschützt werden?
3. Wie bewerten Sie die Idee, daß bedürftige EU-Zuwanderer künftig nur noch Sozialleistungen ihres Heimatlandes, nicht des Gastlandes, in Anspruch nehmen können sollten, und wie steht Ihre Bundestagsfraktion im allgemeinen dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Rother
Sehr geehrter Herr Rother,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie beziehen sich in Ihrer Nachricht auf die Bertelsmann-Studie "Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt". Diese Studie wurde sehr unterschiedlich interpretiert. So gibt der Autor an, dass die Migranten durchschnittlich im Jahr 2012 für 3300 Euro mehr Steuern und Beiträge zahlten, als sie in Form von Geldtransfers und staatlichen Ausgaben für Schulen zurückerhielten. In der Presse hat diese Aussage teilweise zu der Interpretation geführt, dass die Migranten das Staatsbudget per Saldo entlasten würden. Allerdings gilt das nicht mehr, wenn man den Migranten gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung einen Anteil an den Staatsausgaben für Verteidigung, Straßenbau etc. zurechnet. Da bei dieser Rechnung aber auch deutsche Staatsbürger zu einem Staatsdefizit beitragen, hat das für mich zunächst einmal haushalterische Konsequenzen. Es zeigt, wie wichtig es ist, die Staatsausgaben zu reduzieren und langfristig ohne neue Kredite auszukommen. Die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2015 ohne neue Schulden war diesbezüglich der erste richtige Schritt.
Was Ihre Schlussfolgerungen zur Einwanderungspolitik angeht, so stimme ich Ihnen zu, dass sie bedarfsorientiert ausgerichtet sein sollte. Und: Flüchtlinge finden in Deutschland immer Schutz und Unterstützung. Ein Punktesystem, wie es in Kanada verwendet wird, halte ich jedoch nicht für den richtigen Weg. Es richtet sich nicht nach den Bedarfen des Einwanderungslandes sondern nach dem Angebot der Einreisenden. Daher ist es gerade nicht bedarfsorientiert. Das ist in Kanada insofern unproblematischer, weil es in Kanada keine staatlichen Sozialleistungen gibt. In Deutschland gilt für Bürger aus Drittstaaten, dass ihnen eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung gem. § 18 AufenthG nur dann erteilt wird, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt. Die Suche darf nicht länger als ein halbes Jahr dauern. Zudem wird sehr genau geprüft, ob es für den Arbeitsplatz Bewerber mit deutscher Staatsangehörigkeit oder aus der europäischen Union gibt. Durch diese Maßnahmen wird die Zuwanderung m.E. zielorientiert gesteuert. Anders sieht das bei der Zuwanderung von EU-Bürgern aus. Für sie gilt das sogenannte Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern. Auch das halte ich im Sinne der europäischen Integration für richtig. Allerdings muss sichergestellt werden, dass es keinen Missbrauch der sozialen Sicherungssysteme gibt. Denkbar sind befristete Wiedereinreisesperren im Fall von Rechtsmissbrauch. Außerdem müssen Doppelzahlungen im Bereich von Familienleistungen und Kindergeld verhindert werden. Dazu soll eine gesetzliche Regelung in das Einkommenssteuergesetz eingeführt werden. Die Koalition ist derzeit dabei, geeignete Maßnahmen zu erarbeiten. Die Idee, dass bedürftige EU-Zuwanderer künftig nur noch Sozialleistungen ihres Heimatlandes in Anspruch nehmen sollten, kann ich nicht unterstützen. Meines Wissens gibt es auch geltende EU-Vorgaben, die dem entgegenstehen.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Menschen mit Zuwanderungsgeschichte eine Bereicherung für unser Land sind. Entscheidend ist eine gelungene Integration der Zuwanderer. Dazu gehören ausreichend Informationsangebote sowie Beratung in rechtlichen und praktischen Fragen. Zudem müssen wir den Zugang zu Bildung und zur deutschen Sprache für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien verbessern und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte noch besser in unseren Arbeitsmarkt integrieren.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg