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Marco Bülow
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Frage von Nina P. •

Frage an Marco Bülow von Nina P. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Bülow,

als energiepolitischer Sprecher der SPD möchte ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen. Überall muss Energie gespart werden. Die Bahn ist mit der größte Energieverbraucher in Deutschland. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm werden die teuersten Energiefresser, wir Kunden sollen dafür mit höheren Bahnpreisen zahlen!

Der Stuttgarter Kopfbahnhof benötigt nicht annähernd so viele Rolltreppen und Fahrstühle, nicht dauerhaft brennende Lichtquellen und Klimaanlagen. Er braucht keine energiefressenden steilen Tunnelsysteme.

Wie soll eine Energiewende in Deutschland funktionieren, wenn Stromgroßverbraucher wie die Bahn, das Stromsparen zur Farce werden lassen.
* Stuttgart 21 bedeutet, dass sich der Stromverbrauch für eine Fahrt nach Ulm mehr als verdoppelt!
* Und es entsteht zusätzlicher Stromverbrauch für jeden Zug, der im Kellerbahnhof anhält: Täglich 12.000 kWh mehr Energie alleine, um die 17 Höhenmeter zu überwinden, um die der Kellerbahnhof tiefer liegen soll als die gegenwärtigen Gleise. Das entspricht dem Tagesbedarf von 1.200 Haushalten – einfach dafür verbraten, dass die Bahn in den Keller fährt.
* Die schlimmsten Energie-Sünder sind die Tunnel: In einem Tunnel ist der Luftwiderstand zwei- bis dreimal so hoch wie auf freier Strecke. Für einen schnell fahrenden Zug heißt das, dass sich der Stromverbrauch verdoppelt, denn im Vergleich zum Luftwiderstand sind alle anderen Einflüsse gering. Jeder Meter Tunnel und unnötige Höhenmeter kostet Strom. S21 kombiniert besonders viele Tunnelkilometer mit besonders vielen Höhenmetern und sorgt für maximale Stromverschwendung. Vom Energieverbrauch für Stahl, Beton, fürs Tunnelbohren und das Abpumpen des Grundwassers ganz zu schweigen.
Link zu Kommentar:
https://www.radio-utopie.de/2012/05/21/stromfresser-stuttgart-21-abschalten/
Wie werden Sie sich einsetzen, dass der Irrsinn aufhört?

Mit freundlichen Grüßen

Nina Picasso

S21-Pannen
http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=1297

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Antwort von
Die PARTEI

Sehr geehrte Frau Picasso,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zum Thema Stuttgart 21. Vorweg möchte ich sagen, dass ich dem Projekt Stuttgart 21 (S21) auch sehr kritisch gegenüberstehe. Allerdings ist die Bundespolitik nicht die erste Adresse bei dem Thema, sondern sind dies die Landes- und Kommunalpolitikerinnen und –politiker. Weil Stuttgart 21 aber ein so großes Thema mit bundespolitischer Bedeutung geworden ist, möchte ich Ihnen meine Meinung nicht vorenthalten.

Im Allgemeinen ist zu sagen, dass das Projekt Stuttgart 21 viele Facetten besitzt. In der Öffentlichkeit wird in der Regel über die enorme Kostensteigerung des Gesamtprojekts gestritten. Weitere Streitpunkte waren zum einen die Fällung von Bäumen im Zuge des Umbaus des Stuttgarter Hauptbahnhofs und zum anderen auch die mangelnde Transparenz bei der Planung des Projekts und die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit. Die letzten Landtagswahlen in Baden Württemberg wurden in diesem Zusammenhang auch zu einer Richtungsentscheidung über das Projekt S21. Trotz eines Regierungswechsels wird S21 weiterhin gebaut.

In der Öffentlichkeit wird unter S21 in der Regel nur der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs verstanden. Dennoch beinhaltet das Projekt auch einen weiteren Umbau der Schienenwege im Großraum Stuttgart, der nach Einschätzung von Verkehrsexperten auch durchaus sinnvoll ist. Durch die vielen Tunnel- und Brückenanlagen wird dieser Bau der Gleisstrecken teurer als andere Neubaustrecken.

Auch ich bin ein entschiedener Gegner dieses Projektes. Allerdings liegen bei meiner Kritik andere Aspekte von S21 im Fokus. Sicherlich haben Sie mit Ihren Einschätzungen über die mangelnde Effizienz im Umgang mit Energie bei diesem Projekt recht. Allerdings stehen bei meiner Kritik an S21 die eigentlichen Projektkosten und die Bedeutung für andere Regionen im Vordergrund:

Bereits bei den ersten Planungen für S21 in den 1990er Jahren konnte man vermuten, dass die angesetzten Kosten von 2,5 Milliarden Euro nicht ausreichend sein werden. Die Kosten für S21 sind mittlerweile um weitere Milliardenbeträge gestiegen, was unvorstellbare Summen sind.

Aus meiner Sicht hätte man mit dem ursprünglich veranschlagten Geld sicherlich eine vernünftige Planung für den Großraum Stuttgart und auch den Hauptbahnhof hinbekommen. Mit dem übrigen Geld (gehen wir einmal von dem aktuellen Budget für S21 aus) hätte man darüber hinaus wichtige und drängende Bahnprojekte in anderen Bundesländern finanzieren können. So zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und auch in meinem Wahlkreis in Dortmund. Hier wird der seit Jahren geplante, aber bislang stets aus Mangel an Geld verschobene Rhein-Ruhr-Express nicht realisiert. Dieser könnte täglich viele tausende Pendler von den überlasteten Autobahnen im Ruhrgebiet auf die Schiene holen und somit auch einen Beitrag zu einem besseren Klima und zu einer Einsparung an fossilen Brennstoffen führen. Weiterhin besitzen mehrere Großstädte im Ruhrgebiet nur notdürftig sanierte Hauptbahnhöfe und verfallende Bahnanlagen, die dringend einer kompletten Sanierung bedürfen. Dies sind nur ein paar Beispiele – ich bin mir sicher, dass in anderen Bundesländern und Regionen ähnliche Beispiele herangezogen werden können.

Somit seien sie gewiss, dass ich meine Kritik an S21 weiterhin aufrecht halte. Jedoch lege ich den Fokus bei meiner Kritik auf andere Schwerpunkte.

Mit freundlichem Gruß

Marco Bülow

PS: Ich möchte hier kurz darauf hinweisen, dass ich lediglich stellvertretender Energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bin. Energiepolitischer Sprecher ist Rolf Hempelmann.