Frage an Marco Bülow von David S. bezüglich Umwelt
Hallo Herr Bülow
Vielleicht haben Sie die letzten Tage ja in den Medien gelesen, dass Greenpeace vor gut zwei Wochen eine Aufklärungskampagne gegen den Nestlé-Konzern gestartet hat.
Konkret geht es um Nestlés Schokoriegel "KitKat", für den Nestlé Rohstoffe (Palmöl) vom indonesischen Hersteller Sinar Mas kauft. Dieser Lieferant verletzt internationale Standards und indonesisches Recht, ist an Landkonflikten beteiligt, rodet wertvolle Regenwälder in Orang-Utan-Gebieten und hat massive Expansionspläne. Auf den gerodeten Urwaldflächen werden dann Ölpalmplantagen in Monokulturen angelegt.
Der Fall schlägt im Internet bereits Furore: In Teilen der Blogsphäre wurde das Thema intensiv diskutiert, sowie auch in einigen Foren!
Für Nestlé kam die darauf folgende, massive Kritik wohl völlig unerwartet und so "verschwand" kurzerhand am 19.3. die weltweit größte KitKat-Fanseite auf Facebook für einige Stunden, nur wenige Tage nachdem Greenpeace ihre Enthüllungen veröffentlicht haben! Ausserdem kündigte der Konzern in einer Presseerklärung an, seine Verträge mit Sinar Mas zu kündigen!
Wie man sieht, hat Nestlé bereits nach wenigen Tagen reagiert und versichert, bis 2015 ausschließlich zertifiziertes Palmöl zu kaufen! Doch der Fall ist damit noch lange nicht beendet und der plötzliche moralische "Gesinnungswandel" ist doch sehr zu bezweifeln! Zu erwarten ist, dass der Fall in nächster Zeit stark an Brisanz gewinnen könnte!
Nun zu meiner eigentlichen Frage: Was halten Sie von den Machenschaften Nestlés und vieler weiterer Konzerne, die ähnlich handeln? Haben Sie überhaupt eine Möglichkeit, gegen einen solchen Konzern in Deutschland vorzugehn und wenn ja, was würden Sie tun? Das Beispiel Nestlé ist ja bestimmt kein Einzelfall und macht es somit umso unerträglicher...
Ich bitte Sie inständig, dieses Thema im Umweltausschuss aus aktuellem Anlass auf die Tagesordnung zu setzen und Ihre Ausschusskollegen darauf anzusprechen!
Mit freundlichen Grüßen
David Simsek
Sehr geehrter Herr Simsek,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 31. März 2010.
Sie haben Recht: Auch mir ist die Aufregung, die die Greenpeace-Kampagne, gegen Palmöl aus Urwaldzerstörung, in den letzten Wochen ausgelöst hat, nicht entgangen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass Greenpeace damit ein so wichtiges Thema auf die öffentliche Tagesordnung gebracht hat. Denn jeden Tag werden für die Palmölproduktion weltweit riesige Flächen Regenwald gerodet, ganze Landstriche in Monokulturen verwandelt und dafür nicht selten die örtliche Bevölkerung vertrieben. Die Folgen für die Umwelt und den Menschen sind verheerend. Dieser Zustand ist daher sowohl aus umwelt- als auch aus menschenrechtspolitischer Sicht unhaltbar.
Dass Nestlé für seine Schokoriegel Palmöl aus Urwaldzerstörung verwendet, ist eigentlich schon schlimm genug. Dass der Konzern aber versuchte die aufkommenden Proteste im Internet zu stoppen, indem man ein Greenpeace-Video vom englischen Youtube-Kanal nehmen ließ und die Nestlé-KitKat Facebook-Fanseite löschte, ist absolut nicht in Ordnung. Daher ist es umso wichtiger, dass sich viele Internet-User nicht haben beirren lassen und die Kampagne quasi per „Mund-zu-Mund-Propaganda“ im Netz verbreitet haben. Die öffentliche Aufmerksamkeit die dadurch entstanden ist, hat letztendlich auch dazu geführt, dass Nestlé die Verträge mit der verantwortlichen Firma Sinar Mas gekündigt hat und verspricht ab 2015 nur noch zertifiziertes Palmöl zu verwenden. Doch das Problem ist damit längst noch nicht gelöst: Laut Greenpeace hat Nestlé nur die direkten Verträge gekündigt, die es sowieso nur zwischen Sinar Mas und Nestlé Indonesien gab. In Europa komme das Sinar Mas-Palmöl jedoch über Zwischenhändler wie Cargill in die Nestlé-Fabriken. Ich unterstütze daher die Forderung von Greenpeace an Nestlé, dass sie kein Sinar Mas-Palmöl mehr für ihre Produkte verwenden, also auch ihre indirekten Verträge kündigen.
Doch neben Nestlé gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Konzerne die Palmöl aus Urwaldzerstörung für ihre Produkte verwenden. Palmöl ist nämlich nicht nur in Schokolade enthalten. Man findet es mittlerweile auch in Waschmitteln, Margarine und Kosmetika. Insgesamt werden inzwischen mehr als 30 Prozent des weltweiten Pflanzenölbedarfs durch Palmöl gedeckt. Genau wie Sie bin ich daher der Auffassung, dass dieses Thema in den nächsten Wochen und Monaten an Brisanz gewinnen wird. Denn wenn wir es ernst meinem mit dem Klimaschutz, ist der Erhalt von Wäldern - insbesondere Urwäldern - eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben.
Die Politik hat hier durchaus Möglichkeiten zu handeln. Mit den Nachhaltigkeitsverordnungen für Biomassestrom und Biokraftstoffe ist man in der letzten Legislaturperiode schon einen ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen. Nichts desto trotz haben wir dieses Thema viel zu lange unterschätzt und meiner Ansicht nach auch zu spät gehandelt.
Unser Interesse muss insgesamt darin bestehen, dass Palm- aber z. B. auch Sojaöl nachhaltig produziert werden. Mit Blick auf das Klima und die Artenvielfalt können wir es nicht verantworten, dass für die Produktion von Pflanzenöl immer weiter Regenwald abgeholzt und damit Klimawandel und Artensterben beschleunigt werden.
Zusammen mit meinen Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion werde ich mich dafür einsetzen, dass das Thema auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages kommt und wir gemeinsam Lösungen entwickeln können.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow