Bild von Marcel Emmerich in einem blauen Sakko vor einem grünen Hintergrund.
Marcel Emmerich
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas W. •

Wie stehen Sie zum Wechselmodell (hälftige Betreuung nach Trennung und Scheidung) als Regelfall?

Sehr geehrter Herr Emmerich,

ich würde gern grün wählen. Doch für die Zukunft unserer Kinder zählt nicht nur Klimaschutz, sondern auch der Schutz vor schweren seelischen Belastungen, darunter der unbehinderte Kontakt zu beiden Eltern nach deren Trennung. Der Elternkontakt wird nach Erkenntnis fast aller europäischen Staaten, sogar der konservativen Schweiz, am besten durch das "Wechselmodell" als gesetzlichen Regelfall gewährleistet, wenn Eltern im Streit um die Kinder vor Gericht ziehen. Nur in deutschen Familiengerichten ist das Residenzmodell (die hauptsächliche Betreuung meist durch die Mutter) noch mit über 80% die bevorzugte "Lösung". So verlieren Trennungskinder den unbehinderten Alltags-Kontakt zum anderen Elternteil, meist dem Vater. Nicht selten folgt der komplette Kontaktabbruch mit schwerwiegenden, lebenslangen psychischen Belastungen. Die FDP setzt sich für das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall ein. Können Sie sich dem anschließen, oder muss ich FDP wählen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Wechselmodells  in Deutschland.

Familien sind so unterschiedlich, wie die Menschen, die in ihnen leben. Und so ist auch unser Anspruch an das Familienrecht: vielfältigen Familienkonstellationen gerecht zu werden. Dabei stehen für uns die Kinder und ihr Wohlergehen im Mittelpunkt. Ob Patchwork-, Stief- oder Regenbogenfamilie – Familien sind vielfältig und diese Vielfalt muss ein modernes Familienrecht auch abbilden. Das geltende Recht ist dagegen nicht mehr zeitgemäß. Daher setzen wir uns Grüne für dessen Reform ein.

Die Forschung zeigt, dass eine stärkere Beteiligung der Väter in der Erziehung sich positiv auf die Entwicklung und Zufriedenheit von Kindern auswirkt. Deshalb muss das Engagement von Vätern bei Erziehung von Kindern sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich mehr geschätzt werden. Neben den psychologischen und emotionalen Aspekten spricht auch dafür, dass Kinder unabhängig von einer Trennung, von einer partnerschaftlichen Aufteilung der Arbeits- und Familienarbeit der Eltern profitieren.

Was eine Trennung oder Scheidung betrifft, ist sie für Eltern und Kinder nicht einfach. Wir Grünen sind dafür, dass in solchem Fall beide Eltern weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind tragen und sich entsprechend um ihr Kind kümmern. Um sich einvernehmlich und ohne Hilfe des Familiengerichts auf ein dem Kindeswohl entsprechendes Modell zu einigen, braucht es eine gute Kommunikation zwischen den Eltern. Da dies gerade im Trennungsfall oft schwierig ist, muss für Eltern ein qualifiziertes Beratungsangebot zur Verfügung stehen. Beratungstermine beim Jugendamt, einer Erziehungsberatungsstelle oder einem qualifizierten freien Träger muss es ohne lange Wartezeiten geben, damit sich die Fronten der Eltern bei einer Trennung nicht immer weiter verhärten.

Die Frage, wie sich die Eltern diese Verantwortung im Alltag aufteilen und dabei ihren Kindern gerecht werden, ist komplex und muss individuell beantwortet werden. Bei hohem Konfliktniveau zwischen den Eltern ist das Wechselmodell für Kinder beispielsweise oft sehr belastend. Deshalb braucht es Einzelfallentscheidungen und keine starren Lösungen – so wie es das Recht bereits heute vorsieht.

Wir wollen kein Modell niemanden gesetzlich vorschreiben, sondern beide Eltern dabei unterstützen,  trotz der Trennung gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Dafür müssen rechtliche Hürden, die dem Wechselmodell im Wege stehen identifiziert und abgebaut werden, etwa im Unterhaltsrecht oder durch einen Umgangsmehrbedarf im Sozialrecht.

Was die Umgangsvereitelung betrifft, ist das ein sehr schwer zu lösendes Problem. Hierzu könnte verpflichtend eine gesetzliche Frist (von z.B. 2 Monaten ab Nachweis des Umgangsboykotts) eingeführt werden, in der, falls nicht nachgewiesen ist, dass der Vater gefährlich für das Kind ist, auf jeden Fall ein betreuter Umgang stattfinden muss. Zudem sollte dem Willen der Kinder vereinfacht ohne lange Gutachten mehr Gehör geschaffen werden, z.B. in geheimer Beratung unter vier Augen mit dem Richter, ohne dass beide Elternteile/deren Anwält*innen etwas davon erfahren dürfen. Schließlich sollten Anreize für das Vermittlungsverfahren durch die Möglichkeit der Anordnung der Umgangspflegschaft (wie bei der Anordnung der Umgangspflege nach § 1684 III BGB) verbessert werden.

Wir versichern Ihnen, dass wir die Rolle der Väter und ihre Probleme sehr ernst nehmen und bei künftigen Gesetzesänderungen sehr genau berücksichtigen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Marcel Emmerich

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