Frage an Manuela Tönhard von Daniel B. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Tönhardt,
zur "These 9: Das dreigliedrige Schulsystem (Gymnasium, Realschule, Hauptschule) muss erhalten bleiben." kommentierten Sie "Grundlage eines einheitlichen Schulsystems mit einheitlichen Lehrplänen kann nur das Schulsystem der DDR sein“.
Inwieweit ist die Ihre Äußerung zu verstehen, wenn Sie sich auf "das Schulsystem der DDR" beziehen?
Da ich selber in den 1980er Jahren mit erleben musste, was unter "Lehrinhalten" an sogenannten "Polytechnischen Oberschulen" verstanden wurde, kommen mir Zweifel, ob die Form und Umsetzung der Bildung in der ehemaligen DDR nicht grundlegende Punkte unserer demokratischen Grundordnung verletzt! Als wesentliches Problem sehe die politische Agitation und Unterwanderung durch politische (Jugend-)-Organisationen und damit verbundene Zwangsteilnahme an nahezu paramilitärischen Aufführungen (Appelle, Aufmärsche, etc.) zu jener Zeit!
Jegliche Unterrichtsinhalte wurden politisch beeinflusst, ob es nun Aufsätze über das "Bruderland UdSSR" waren, oder das ständige Wiederholen "marxistisch-leninistischer" Thesen, vom allseits verhasste "Staatsbürgerkunde"-Unterricht in den Oberstufen mal ganz abgesehen!
Ich kann sozialistisch-ideologisch geprägter Politik nichts abgewinnen! Daher frage ich mich wie sie sich in diesen Punkten von den Programmen der SED-Nachfolge-Partei abgrenzen?
Sehr geehrter Herr Becker,
ich danke Ihnen für Ihre Frage zum Schulsystem der DDR. Was Sie da zu den Inhalten aufführen, hat ohne Frage meine Zustimmung. Natürlich war der Unterricht politisch stark von den Vorgaben der sog. Diktatur des Proletariats geprägt. Es stellt sich mir nur die Frage, ob Sie der Meinung sind, das sei heute anders. Denken Sie bitte nur an die Politische Korrektheit, mit der das System der BRD die gewünschte Sicht auf die Dinge der alltäglichen Politik stark beeinflußt und in dieser Form den Schülern übermittelt.
In meiner Betrachtungsweise unseres derzeitigen Schulsystems stehen aber nicht die politischen Inhalte, sondern die Form im Vordergrund. Da gab es in der DDR ein einheitliches Bild von der Ostsee bis in den Harz mit für alle Bezirke verbindlichen Lehrplänen. Dieses ständige Experimentieren auf dem Rücken der Schüler und auch der Pädagogen war nicht möglich.
Ein Wort noch zu den von Ihnen kritisch betrachteten Einflußnahmen der außerunterrichtlichen Verbände. Ein vermitteltes festes Weltbild ist für die Orientierung der Heranwachsenden immer noch besser als gar keins, und Disziplin und Ordnung sind ja wohl Tugenden, die wohltuend abstachen gegen das Tohuwabohu der Gegenwart. Von der Allgemeinbildung wollen wir lieber gar nicht sprechen. Vergleichen Sie bitte Ihr Wissen, welches Sie in Ihrer POS-Zeit erworben hatten, mit dem der heutigen Schüler vergleichbaren Alters.
Daß der Besuch der EOS nicht allen begabten Jugendlichen offenstand, gehört zu den Schattenseiten des DDR-Schulsystems.
Ich hoffe, ich habe mit meiner Antwort meine Auffassung verdeutlicht.
Mit freundlichem Gruß
Manuela Tönhardt