Frage an Manuela Rottmann von Andreas S. bezüglich Politisches Leben, Parteien
Liebe Frau Rottmann,
sicher ist Ihnen die Petition zur Erhaltung von Volksabstimmungen im neuen Grundsatzprogramm der Grünen bekannt.
Als Stammwähler der Grünen in Bayern frage ich mich, wie Sie dazu stehen und ob Sie den Erhalt der Volksabstimmungen als Ziel in Ihrem Grundsatzprogramm auf dem anstehenden Parteitag unterstützen würden?
Mit besten Grüßen,
Andreas Spitzmüller
Sehr geehrter Herr Spitzmüller,
ich habe selbst mein politisches Engagement mit der Werbung für ein Volksbegehren begonnen, nämlich das Volksbegehren "Besseres Müllkonzept" in Bayern. Daher ist mir die Bedeutung von Volksbegehren und Volksentscheidung als Instrument neben den Institutionen und Verfahren der repräsentativen Demokratie vertraut und wichtig.
Allerdings bin ich auch der Auffassung, dass die Entwicklungen der letzten Jahre Fragen aufwirft nach den Bedingungen, unter denen Verfahren der direkten Demokratie auf Bundesebene fair, transparent und sauber ablaufen können. Die immer stärkere Bedeutung der sozialen Medien, die für Desinformationskampagnen anfällig sind, der erkennbare Versuch ausländischer Regierungen, auf die Meinungsbildung in Deutschland mit Kampagnen Einfluss zu nehmen - all das hat sich geändert in den letzten Jahren.
Auf kommunaler Ebene gab es einzelne Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, bei denen zunächst völlig intransparent war, wer dahinter steckt, und sich dann heraus stellte, dass Kampagnen von Interessengruppen finanziert waren, etwa dem Wettgewerbe. Solche Entwicklungen müssen wir im Auge behalten und darauf reagieren, damit nicht Instrumente der direkten Demokratie zu neuen Instrumenten von Lobbygruppen werden, die ohnehin schon sehr viel Einfluss haben.
Während wir in Bayern gute Erfahrungen mit Volksbegehren gemacht haben, sehe ich die Umsetzung in anderen Bundesländern kritisch, weil dort auch Fragen zur Abstimmung gestellt werden, die rechtlich abgeschlossen sind, etwa durch Planfeststellungsverfahren. Das heißt, den Wählerinnen und Wählern wird suggeriert, dass sie noch eine Entscheidungsmöglichkeit haben, wo dies gar nicht mehr der Fall ist. Das entwertet solche Instrumente. Auch das ist zu beachten.
Schließlich sehe ich nach langen Jahren der Erfahrung mit direktdemokratischen Elementen, dass sie das Problem bergen, dass dort zwar für artikulationsstarke, gut organisierte Bürgerinnen und Bürger eine wünschenswerte neue Einflussmöglichkeit geschaffen wurde. Aber Menschen, denen die Ressourcen dafür fehlen, weil sie in benachteiligenden Lebensumständen leben, sind von solchen Instrumenten oft ausgeschlossen. Auch darauf müssen wir eine Antwort finden, damit die Gesellschaft nicht weiter zerfällt in Menschen mit sehr guten und Menschen mit sehr geringen Chancen gehört zu werden.
Sie sehen also, es gibt sehr viel zu debattieren zu diesem Punkt. Der Parteitag wird sich mit diesen Argumenten auseinandersetzen.
Mit besten Grüßen