Frage an Manuela Rottmann von Gudrun J. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau dr. Rottmann,
ich bin seit Jahren innerhalb der Selbsthilfe engagiert und habe ein paar Fragen die mir am Herzen liegen!
Alle Abgeordneten aus dem Gesundheitsausschuss haben die gleichen Fragen auch bekommen.
Warum gibt es im Bundesgesundheitsausschuss keine-n Beauftragte-n für die Kindergesundheit?
Warum schließen immer mehr Kinderkliniken?
Warum haben wir den Ärzte-Hebammen-Fach und Pflegepersonalmangel?
Warum verdienen Ärzte-Kliniken nur an Folgeschäden und nicht an Gesundheits-Prävention?
Warum wird gezielte Ernährungsmedizin-intervention nicht gefördert?
Warum kriegen Typ 2 Diabetiker erst BLZ Testtreifen oder den Libre (BLZ Scannen) wenn Sie Insulinpflichtig werden und nicht sofort nach der Diagnose?
Warum steht die Diabetes-Selbsthilfe nicht im DMP und wird von Haus und Fach Ärzten nicht anerkannt?
Warum wird Diabetes im DRG nicht berücksichtigt?
Warum kriegen Krankenkassen über den Risikostrukturausgleich noch mal extra Geld sobald Typ 2 Diabetiker Insulinpflichtig werden?
Diabetes ist die meiste Nebendiagnose und verursacht die meisten Folgeschäden!
Selbstkontrolle stärkt die Eigenverantwortung und nur durch Gewichtsreduktion könnte man die Insulintherapie bei Typ 2 Diabetikern vermeiden und Folgeschäden verhindern!
Mit früher Diabetes-Prävention und Rehabilitation könnte man Im Gesundheitswesen Milliarden einsparen!
Meine Vorschläge zur Diabetes-Prävention und Rehabilitation finden Sie auf unserer Internetseite!
https://www.shg-hilfe-zur-selbsthilfe.de/diabetes-pr%C3%A4vention-und-rehabilitation/
Würde mich freuen wenn Sie meine Vorschläge „als nur Betroffene und Fachfrau in eigener Sache“ in Ihre Arbeit mit einfließen lassen?
Was gibt es wichtigeres als die Bildung und Gesundheit unserer Kinder?
Überall wo es am wichtigsten ist fehlt das Personal z.B: Erzieher, Pädagogen, Sozialarbeiter, Streetworker, Ärzte, med. Fach und Pflegepersonal.
Gesunde Kinder gesunde Zukunft!
Mit freundlichen Grüßen
G. J.
Sehr geehrte Frau J.,
vielen Dank für Ihr Schreiben und auch für Ihr Engagement insbesondere zur Förderung der Kindergesundheit und für die Selbsthilfe. Bevor ich Bundestagsabgeordnete wurde, war ich unter anderem Gesundheitsdezernentin in einer Großstadt. Aus diesen Jahren bringe ich Erfahrungen mit, die Ihre Kritik am System bestätigen. In einer finanziell gut ausgestatteten Kommune wie Frankfurt am Main konnten wir vor Ort viel bewegen: Die enge Zusammenarbeit mit den Selbsthilfeorganisationen, der Aufbau einer kommunalen Berichterstattung zur Kindergesundheit, die uns genau gezeigt hat, in welche Stadtteilen wir in mehr Bewegungsräume wie Grün- und Spielflächen, in Sportangebot, in Ernährungsberatung vor Ort in den Kinderbetreuungseinrichtungen investieren müssen, der Aufbau Früher Hilfen und vieles mehr standen damals im Mittelpunkt meiner Arbeit. Ich musste aber eben auch die Grenzen kennen lernen, die die Bundespolitik hier selbst wohlhabenden Kommunen setzt. Und in Kommunen, die kaum mehr Mittel für "freiwillige" Leistungen haben, wozu die lokale Gesundheitsprävention zählt, ist die Situation noch viel schlechter.
Obwohl Gesundheitsförderung ein zentrales Handlungsfeld der Gesundheitspolitik darstellen müsste, hat sie bisher nicht den Stellenwert, den sie verdient. Die Bundesregierung versäumt es, Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, zu organisieren und in den Alltagswelten der Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft zu verankern. Das deutsche Gesundheitssystem ist bislang überwiegend ein Krankheitssystem. Schon in der Akutversorgung ist die Situation verheerend. Die Geburtshilfe zieht sich aus der Fläche zurück. Kleine geburtshilfliche Abteilungen sind mit den geltenden Fallpauschalen für die natürliche Geburt nicht kostendeckend zu betreiben. Es gibt deutschlandweit kaum eine Kinderklinik, die kostendeckend arbeiten kann. Die Bedarfszahlen für Kinderarztsitze stammen aus den 90er Jahren. Seither hat die Zahl der Impfungen und U-Untersuchungen deutlich zugenommen. In meiner Region kann man mit Fug und Recht von einem Notstand bei den Kinderärzten sprechen, wenn selbst die kassenärztliche Vereinigung Eltern nicht einmal innerhalb von drei Monaten einen Kinderarzttermin organisieren kann. Die vorhandenen Kinderärztinnen und -ärzte arbeiten mit ihren Teams weit über die Grenzen der Belastbarkeit und haben für Kinder mit besonderen Bedarfen, etwa mit chronischen Erkrankungen, mit Behinderungen, mit Entwicklungsverzögerungen viel zu wenig Zeit. Alle drei Probleme müssen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst werden. Es kann nicht sein, dass Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin systematisch unterfinanziert sind.
Aber auch mit der Prävention bin ich nicht zufrieden. Jede politische Entscheidung sollte auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen für die Bevölkerung hin überprüft werden. Gesundheitsschutz und -förderung sollen dadurch einen hohen Stellenwert in allen Politikbereichen erhalten. Wenn wir alleine die Debatte um die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe in unseren Städten als Beispiel nehmen, muss ich leider feststellen, dass die Belange von Kindern vom ökonomischen Interesse an einem "Weiter so wie bisher" deutlich überlagert werden. Das Präventionsgesetz setzt leider zu sehr auf Verhaltens- statt Verhältnisprävention. Ich habe es mal so formuliert: Es nützt nichts, Kinder mit theoretischem Wissen über die Ernährungspyramide zu beschallen, wenn sie vor ihrer Haustür keinen grünen Fleck finden, keinen Freiraum, sich mal auszutoben. Die zentralen Änderungen fanden ausschließlich im SGB V statt. Damit beschränkt sich das Gesetz auf den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und überschreitet zu wenig die Grenzen zu anderen Politikbereichen.
Wir brauchen eine politikfeldübergreifende Gesamtstrategie. Wir Grüne setzen auf eine Gesundheitsförderungspolitik, die über den Gesundheitsbereich weit hinausgeht und Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Verbraucherschutz- und Umweltpolitik etc. miteinbezieht. Wir wollen allen Menschen – insbesondere Kindern – ermöglichen, das Wissen, die Kompetenz und die Gelegenheit zu haben, ein gesundes Leben zu führen. Da es auf den Anfang ankommt, ist es notwendig besonders alle Faktoren rund um die Geburt und das frühe Aufwachsen gut zu gestalten. All dies sollte jedoch nicht als isolierte Aufgabe des Gesundheitssektors, sondern – wie es auch die Ottawa-Charta fordert – als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und Maßnahmen in den alltäglichen Lebenswelten der Menschen umgesetzt werden: in Kindergärten, in Schulen, am Arbeitsplatz, in Senioreneinrichtungen oder auch im Stadtteil. Es ist leichter sich zu bewegen, wenn das Wohnumfeld bewegungsfreundlicher gestaltet ist, beispielsweise durch Fahrradwege oder Spielplätze. Dafür sind gemeinschaftlichen Aktivitäten auf der kommunalen Ebene besonders wichtig.
Die Zukunft der Gesundheitsförderung wird mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen gestaltet. Dort laufen die Fäden zusammen. Vor Ort werden die Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen und ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter gelegt. Statt wie die Große Koalition die Kommunen und Kreise als selbstverwaltete Organe der Bürgerinnen und Bürger zu entmündigen, wollen wir Gesundheitsförderungsnetzwerke mit nachhaltigen Strukturen aufbauen bzw. vorhandene Strukturen (beispielsweise regionale bzw. kommunale Gesundheitskonferenzen) stärken. Dabei sind die Kommunen und Kreise zuständig für die Kinder- und Jugendhilfe, Sozialhilfe sowie Quartiersmanagement und für die Wirksamkeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Manuela Rottmann