Weshalb ist der ÖPNV in NRW so teuer? Ein Seniorenticket für NRW kostet 152 € im Monat, während es in Hessen 365 € im Jahr kostet. Wann und wie findet die Mobilitätswende in NRW statt?
Das 365€-Seniorenticket in Hessen ist ein staatlich subventioniertes Zuschussgeschäft und bei weitem kein kostendeckendes Angebot. Das bedeutet, man hat dort die bewusste Entscheidung getroffen, den ÖPNV mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Dennoch waren und sind die Widerstände von Seiten der hessischen Verkehrsbünde teilweise sehr deutlich. Denn mit dem 365-EUR-Ticket sind die aktuellen Betriebskosten und kommende Preissteigerungen nicht abgedeckt.
Während Schüler*innen und Senior*innen in den Genuss eines 365-Euro-Tickets kommen, drohen den anderen Fahrgästen weitere Preissteigerungen. Die Idee mit den Tickets ist also charmant und symbolträchtig, für viele Menschen ändert sie leider wenig, da sie kein Anrecht auf dieses subventionierte Ticket haben. Und auch denjenigen mit 365-Euro-Ticket ist nur so lange geholfen, wie Bus und Bahn auch tatsächlich fahren.
Allerdings hat Ihre Frage genau den Kern des Problems getroffen: Die ÖPNV-Infrastruktur ist in weiten Teilen weder alltagstauglich noch konkurrenzfähig und lässt sich eigentlich kaum wirtschaftlich betreiben; von ausgewählten Strecken einmal abgesehen. Deshalb fordern wir in NRW eine Mobilitätsgarantie, mit der alle Menschen im Land von 5.30 Uhr bis 22.30 Uhr mindestens im Stundentakt mit einer verlässlichen Verbindung vorankommen – in Großstädten und ihrem direkten Einzugsbereich mindestens halbstündlich von 4.30 bis 23.30 Uhr.
Flexible Bedienkonzepte via App und traditionelle Ruf- oder überörtliche Bürger*innenbusse sind gute begleitende Angebote dort, wo ein gut getakteter Busverkehr im Regelbetrieb kaum genutzt wird. Das Tarifchaos muss enden. Stattdessen muss so schnell wie möglich schrittweise ein solidarisch finanziertes Bürger*innenticket für ganz NRW eingeführt werden, das so ausgestattet ist, dass es auch für die Menschen auf dem Land fair und für alle bezahlbar ist. Das kommt dem 365-EUR-Ticket schon recht nahe, bezieht aber alle Bevölkerungsgruppen ein.
Wir müssen einmal den Teufelskreis durchbrechen, dass "niemand" den ÖPNV nutzt, weil das Angebot so schlecht ist; zugleich aber das Angebot nicht verbessert wird, weil es ja "niemand" nutzt.
Kurz gesagt: In den nächsten Jahren investieren wir lieber einmalig massiv die Erneuerung der Infrastruktur, anstatt ein marodes System dauerhaft zu subventionieren. Das wird in den nächsten Jahren Milliarden kosten, so ehrlich müssen wir sein. In der volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung lohnt es sich dennoch. Denn, was von vielen oft vergessen wird, auch die Straßen für unsere Autos verursachen fortlaufend Instandhaltungskosten in Milliardenhöhe.
Eine Straße, die statt 200 Autos nur noch 20 (Klein-)Busse pro Tag aufnehmen muss, bleibt länger intakt. Ein Radschnellweg kostet nur den Bruchteil einer Autostraße. Ein Kilometer Schiene kostet zwar deutlich mehr als ein Kilometer Schnellstraße, kann aber deutlich höhere Kapazitäten aufnehmen, insbesondere im Güterverkehr.
Von der deutlich vorteilhafteren Energiebilanz gar nicht erst zu reden. Auch ein Elektroauto bedeutet am Ende des Tages 1,5-2 Tonnen Verkehrsmasse, die schlimmstenfalls eine Person befördern. Wir müssen eine ehrliche und ideologiefreie Bestandsaufnahme machen, in welchen Situationen welcher Verkehrsträger optimal ist. In manchen Fällen kann das durchaus das Auto sein. In den meisten Fällen aber ist das Auto nicht die beste, sondern schlichtweg die einzige alltagstaugliche Option. Das müssen wir ändern.