Frage an Manja Schüle von Adalbert Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schüle,
weshalb wird im Parlament, im Zeitalter der Digitalisierung, nicht die Möglichkeit geschaffen elektronisch Abzustimmen? Damit wäre die Beschlussfähigkeit sofort ersichtlich und Hammelsprünge hinfällig.
Sehr geehrter Herr Z.,
auch digitale Abstimmverfahren haben ihre Tücken. Vor allem aber sorgt bei herausragend wichtigen Abstimmungen das Verfahren der Namentlichen Abstimmungen bereits jetzt dafür, dass für jede Bürgerin und für jeden Bürger transparent ist, wie wir als Abgeordnete in einer Abstimmung entschieden haben bzw. ob wir überhaupt an der Abstimmung teilgenommen haben. Darüber hinaus hat sich in der Verfahrenspraxis des Deutschen Bundestages bislang bewährt, dass nicht an jeder Abstimmung immer alle Abgeordneten teilnehmen müssen. Wie Sie wissen ist der Deutsche Bundestag ein sogenanntes Arbeitsparlament. Das bedeutet, dass auch während des Plenums parallel Gremiensitzungen stattfinden, Anhörungen, Hintergrund- und Expertengespräche. Abgeordnete empfangen Besuchergruppen und sind im Austausch mit diversen Gesprächspartnern. Die Präsenz im Plenum wird durch die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker sichergestellt, deren Anträge gerade beraten werden. Das heißt, dass zum Beispiel Gesundheitspolitiker vor allem dann anwesend sind, wenn gesundheitspolitische Themen auf der Tagesordnung stehen, Landwirtschaftspolitiker bei landwirtschaftspolitischen Themen usw.
Der nicht immer gefüllte Plenarsaal auch bei Sitzungen des Bundestages vermittelt gerade Fernsehzuschauern den Eindruck, die Abgeordneten wären aus fehlendem Arbeitseifer oder mangelndem Interesse nicht auf ihrem Platz im Saal. In Wahrheit sind sie sehr wohl in den zahlreichen Sitzungsräumen des Bundestages oder ihren Büros sehr wohl bei der Arbeit und in Gesprächen, Berungen und Abstimmungsrunden, da das Arbeitspensum anders nicht zu bewältigen wäre.
Natürlich finden im Plenum die entscheidenden Abstimmungen über Gesetzesanträge statt. Diese werden aber im Vorfeld bereits ausführlich und intensiv in den Fachausschüssen erörtert, beraten und zur Abstimmung gestellt. Daher steht bei der Vielzahl der Anträge bereits fest, ob diese eine parlamentarische Mehrheit finden oder nicht.
Wollte man mit einem elektronischen Abstimmungssystem die Abgeordneten für die gesamte Plenarzeit an den Sitzungssaal binden, machte man den Bundestag arbeitsunfähig. Alle Arbeit, die so parallel zu den Plenarberatungen stattfinden kann, müsste außerhalb der Plenarzeiten erledigt werden. Das hieße, dass im Prinzip jede Woche statt bislang ca. jede zweite Woche eine Sitzungswoche des Deutschen Bundestages sein müsste. Die Abgeordneten kämen so nicht mehr in ihre Wahlkreise und könnten dort keine Termine mehr wahrnehmen. Die von manchen schon jetzt behauptete Entfremdung zwischen Volksvertretern und Volk würde Wirklichkeit werden. Für mich ist es wesentlich, im Gespräch und regelmäßigen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises zu sein. Ich bin daher auch mit meinem mobilen Bürgerbüro in den sitzungsfreien Wochen des Bundestages auf den Wochenmärkten meines Wahlkreises unterwegs und erfahre in diesen Bürgersprechstunden, was die Menschen von mir als ihrer Abgeordneten erwarten, was ihre Bedürfnisse und Erwartungen an die Politik sind.
Bürgernähe und Durchlässigkeit von Themen, Meinungen und Erwartungen in die Politik würden so einer vermeintlichen demokratischen Transparenz geopfert werden. Das hieße am Ende nicht mehr Demokratie, sondern weniger Demokratie.
Herzliche Grüße
Manja Schüle