Frage an Manja Schüle von Thomas D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie steht die SPD zum Aufbau der Garnisonskirche mit Steuergeldern, obwohl diese ursprünglich nur mit Spendenmitteln aufgebaut werden sollte? Hier sind eindeutig Neoroyalisten am Werk, die den ewig Rechten einen Ort der Verherrlichung errichten wollen.
Sehr geehrter Herr D.,
wie Sie sicherlich beobachtet haben, ist in den vergangenen Wochen die Diskussion um die Garnisonkirche um ein paar neue Aspekte reicher geworden.
Grundsätzlich gibt es in der SPD wie in der Gesellschaft insgesamt eine breite Diskussion über den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche und sowohl Befürworter als auch Kritiker. Es gibt also nicht die eine Position der SPD zu diesem Projekt. Es ist bemerkenswert, dass es viele alte Potsdamer Bürgerinnen und Bürger sind, die sich den Wiederaufbau wünschen, da in ihrer Erinnerung der Bau zu den zentralen markanten Gebäuden zählte, die das Stadtbild und die Silhouette der Stadt selbst nach der teilweisen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg geprägt haben. Als Walter Ulbricht persönlich die Entscheidung getroffen hat, die Kirchenruine als Denkmal des preußischen Militarismus zu sprengen, wurde für sie eine Wunde in die Stadt geschlagen. Man kann lange darüber diskutieren, ob ein einziger, kurzer Handschlag über die Geschichte eines Gebäudes urteilen darf, das kulturhistorisch, architektonisch und stadtplanerisch bedeutsam war. Auch darüber, ob ein Neubau in moderner Ästhetik kulturell wertvoller gewesen wäre oder nicht. Die Entscheidung über den Wiederaufbau wurde getroffen und nun ist es unsere Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger den Neubau mit Geist und Leben zu füllen. Ich persönlich kenne neben vielen Skeptikern auch viele Potsdamerinnen und Potsdamer, die sich in der Garnisonkirchengemeinde einbringen und das schwierige Erbe mit Verantwortung tragen wollen. Als Christen ist für sie die Botschaft der Bergpredigt das unverrückbare und ewige Zeichen Gottes gegen den Krieg. Ganz egal, welchen Glauben oder welche Weltanschauung man vertritt, muss das auch die Botschaft sein, die von der Garnisonkirche heute und in Zukunft ausgeht: nie wieder Krieg! Sie wollen das wiedererrichtete Gebäude zu einem Ort des Gedenkens und des Dialogs machen. Ich persönlich habe mich nie für den Wiederaufbau engagiert. Ich möchte aber für die große Mehrheit derjenigen, die dies getan haben und weiterhin tun, in Anspruch nehmen, dass sie weder Neoroyalisten sind, noch den ewig Rechten einen Ort der Verherrlichung schaffen wollen.
Es liegt an ihnen und an uns allen, an unserem beherzten Einsatz für den Frieden, dass die Garnisonkirche nicht zu einem Wallfahrtsort ewig Gestriger wird. Es gab ähnliche Befürchtungen, als die Gebeine der beiden Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. nach Potsdam überführt wurden - damals mit Billigung Helmut Kohls mit übertriebenem militärischen Pomp. Die Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Der Sarkophag Friedrich Wilhelms I. steht wenig beachtet im Kaiser-Friedrich-Mausoleum, während das Grab Friedrichs II. mit seinem Kartoffelschmuck für unzählige Touristen eher Grund zum Schmunzeln ist denn ein Ort glühender monarchistischer oder reaktionärer Träume.
Ich freue mich, dass Oberbürgermeister Mike Schubert jüngst einen Vorschlag ins Spiel gebracht hat, der die Freunde eines Wiederaufbaus mit denen versöhnt, die eine andere Nutzung für das Areal ohne Wiederaufbau wünschen: den Bau einer Jugendbegegnungsstätte anstelle eines Wiederaufbaus des Kirchenschiffs. Ich persönlich kann dieser Idee viel Gutes abgewinnen. Internationaler Jugendaustausch ist der beste Weg für gegenseitige Verständigung und Verständnis, für Weltoffenheit und Toleranz, dafür, einander zu vertrauen und jegliche Konflikte zu vermeiden oder sie da, wo sie auftreten, friedlich zu lösen. Eine versöhnlichere Nutzung des Geländes kann ich mir kaum denken.
Tatsächlich hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Grütters, noch bevor ich Mitglied des Deutschen Bundestages wurde, die Garnisonkirche als national bedeutsames Kulturdenkmal eingestuft. Dadurch wird eine Ko-Finanzierung des Wiederaufbaus durch den Bund möglich. Diese Mittel stammen allerdings zum überwiegenden Teil nicht aus Steuergeldern, sondern aus dem sogenannten PMO-Vermögen, den Geldern, die nach der Wiedervereinigung von den Parteien und Massenorganisationen der DDR "übernommen" wurden.
Die Landeshauptstadt Potsdam hat den Wiederaufbau bislang nicht finanziell bezuschusst und steht zum Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, dies auch künftig nicht zu tun. Lediglich zum Weiterbetrieb des benachbarten Rechenzentrums wurden kommunale Mittel eingesetzt.
1809 trat in der Garnisonkirche die erste gewählte Potsdamer Stadtverordnetenversammlung zusammen. Ich würde mich freuen, wenn der Turm der Garnisonkirche in Zukunft auch dafür steht - eine engagierte Bürgerschaft und Demokratie - natürlich anders als im Preußen des Jahres 1809 eine lebendigere, eine freie, gleiche und unmittelbare Demokratie.
Herzliche Grüße
Manja Schüle