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Frage von Thomas S. •

Frage an Maik Beermann von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beermann,

Spiegel-online berichtet aktuell über folgendes Verhalten des Jobcenters Neinburg gegenüber 2 Jugendlichen, deren elterlicher Haushalt Leistungen gemäß H-4 bezieht. Ich bitte Sie den gesamten verlinkten Artikel zu beachten, Zitat daraus:

"Obwohl sie zur Schule gehen, werden zwei Kinder in Niedersachsen vom Jobcenter wiederholt zu Beratungen geladen - weil ihre Eltern Hartz IV bekommen. Erscheinen sie nicht, drohen Sanktionen. Und wer sein Zeugnis nicht zeigen will, macht sich verdächtig (...)

Die Söhne der Familie K. werden wiederholt zum Beratungsgespräch ins Jobcenter eingeladen, zuerst berichtete die "Junge Welt" über den Fall. Man wolle "Stellengesuche und vermittlungsrelevante Daten besprechen", heißt es. Im Juli sollen sie zum Beispiel zu einem Termin erscheinen, im Oktober auch.

Es sind keine freundlichen Briefe, findet die Mutter. Das Amt verlangt Zeugnisse, Lebenslauf, Bewerbungsunterlagen. Die Familie fühlt sich bevormundet. Im Gespräch fragt der Arbeitsvermittler den Sohn, ob sich die Schulausbildung lohne. Dann spricht er von "Familienverantwortung", so erinnert sich die Mutter."

http://www.spiegel.de/schulspiegel/kritik-an-jobcentern-kinder-von-hartz-iv-empfaengern-unter-druck-a-933418.html

Frage 1:

Wie werten Sie das in dem verlinkten Artikel beschriebene Verhalten des Jobcemters Nienburg?

Frage 2:

Halten Sie es für sinnvoll und taktvoll, dass zwei in der Schule erfolgreiche Schüler, die gerne srtudieren möchten, von besagtem Jobdenter vorgeladen werden, um "Stellengesuche und vermittlungsrelevante Daten" zu besprechen?

Frage 3:

Warum wird dieses Verhalten nur bei Jugendlichen angewendet, deren Eltern Leistungen nach Hartz 4 beziehen?

Frage 4:

Mischt sich das Jobcenter Nienburg nicht in diskrimierender Form in den Berufswahlfindungsprozess dieser jungen Menschen ein?

Frage 5:

Wie werden Sie sich bezogen auf die oben benannte Angelegenheit verhalten?

Mit freundlichen Grüßen, Thomas Schüller

Portrait von Maik Beermann
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schüller,

vielen Dank für ihre Frage.

Bereits seit Einführung der „Hartz IV“-Regelungen ist es bundesweit gängige Praxis der Jobcenter, dass Schüler ab dem 15. Lebensjahr dazu aufgefordert werden können Schulbescheinigungen oder Zeugnisse vorzulegen und halbjährlich zu Gesprächen eingeladen werden können, um ihre berufliche Perspektive zu besprechen. Dies ist deshalb der Fall, da man ab dem 15. Lebensjahr als „erwerbsfähig“ gilt. Nienburg ist hierbei kein besonderer Einzelfall.

Es ist sehr wichtig in Deutschland, dass wir jeder Schülerin und jedem Schüler die bestmöglichen Entwicklungschancen bieten können. Eine Schullaufbahn hat deshalb in unserer Sozialgesetzgebung und für mich persönlich immer Vorrang. Selbstverständlich kann niemand dazu gezwungen werden seine Schullaufbahn zu Gunsten einer Arbeitsstelle oder einer beruflichen Ausbildung abzubrechen, auch ist es z.B. nicht zulässig den Schülern Nebenjobs anzubieten, da dadurch die Schule drunter leiden könnte.

Ich kann aber ein Stück weit verstehen, wenn sich einige Personen in gewisser Weise stigmatisiert fühlen, wenn die Kinder trotz erfolgreichem Schulbesuch zu Gesprächen eingeladen werden.

Das Jobcenter hat hierbei aber keine boshaften Absichten, denn auf der anderen Seite wäre der Aufschrei sehr groß, wenn dies nicht geschehen würde und wir Jugendliche einfach zurücklassen würden, ohne ihnen Hilfe bei ihrer Entwicklung anzubieten, denn nicht jeder hat das Glück, von den eigenen Eltern ausreichend gefördert zu werden.

Es ist deshalb eine Abwägung inwieweit die Hilfsangebote des Jobcenters auch für diejenigen zumutbar sind, die diese Hilfe nicht benötigen und da finde ich, dass das Erscheinen zu mindestens einem Termin im Jahr durchaus zumutbar ist. Zudem liegt es im Ermessen des zuständigen persönlichen Ansprechpartners, ob es sogar nur genügt die Schulbescheinigungen einzureichen, ohne persönliches Treffen. Hierzu ist aber wichtig, dass alle Beteiligten miteinander kommunizieren.

Eine andere Sache ist die Einreichung von Bescheinigungen. Es gibt keine Pflicht das Zeugnis vorzulegen. Man kann dies vereinbaren, um die Perspektiven zu besprechen, jedoch nicht dafür sanktioniert werden es nicht zu tun. Es ist ansonsten wie beim Kindergeld, welches jede Familie, auch ohne „Hartz IV“ bezieht, dass regelmäßig die Schulbescheinigung vorzulegen ist, denn die Mitarbeiter können ansonsten nicht wissen, ob die Jugendlichen weiterhin die Schule besuchen. Ein blindes Vertrauen darauf ist weder im Bereich des Kindergeldes, noch im Bereich der Sozialgesetze förderlich.

Zeitgleich empfinde ich aber angesichts dieser Aufgabe des Jobcenters für das Allgemeinwohl und das Wohl der Jugendlichen, die im Artikel genannten Formulierungen doch für sehr unglücklich. Missverständliche Hinweise auf Integrationsmaßnahmen in das Arbeitsleben, Nachweise von Bewerbungsbemühungen und dergleichen sollten unbedingt bei Schülern vermieden werden.

Gut ist es deshalb, dass man bereits reagiert hat und die Formulierungen überdacht und verändert hat.

Freundliche Grüße
Ihr
Maik Beermann