Sehr geehrter Herr Außendorf, welche konkreten Veränderungen haben die bisherigen Bürgerrats-Beschlüsse gebracht? Können sie wirklich bundesweite Volksentscheide ersetzen?
Wenn ich die Empfehlungen der Bürgerräte seit 2019 verfolge und was daraus geworden ist, habe ich den Eindruck, dass sie nichts bewirkt haben, so dass man den Verdacht haben kann, dass es sich um reine Beschäftigungstherapie handelt.
Ich habe diese Frage auch an Frau Baerbock gerichtet. Leider beantwortet sie seit einiger Zeit keine Fragen mehr. Eigentlich hatte ich vor sie zu wählen, hatte aber Vorbehalte wegen ihrer Haltung zu bundesweiten Volksentscheiden. Oder wollte sie mit der CDU koalieren?
So hat sich zum Beispiel nichts an der Haltung der Bundestagsverwaltung, sprich Herrn Schäubles, geändert, die sich weigert, alle Lobbykontakte offenzulegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ja, wie Sie wissen, im Juni 2020 vorherige Urteile zugunsten von Lobbycontrol und einer größeren Transparenz aufgehoben.
Es ist ja auch kein Wunder, dass die Bürgerräte nichts bringen, wenn die Initiative ausgerechnet von Herrn Schäuble ausgeht. Da beißt sich sozusagen die Katze in den Schwanz.
Hallo Herr M.,
danke für Ihre Frage zu Bürger*innenräten.
Wir Grüne sprechen uns schon lange für die Stärkung von Bürger*innenräten aus. Denn eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in unserer Demokratie. Bürger*innenräte als Form der direkten Beteiligung am politischen demokratischen Aushandlungsprozess tragen gerade in Zeiten starker Polarisierung und gesellschaftlicher Pluralisierung dazu bei, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen wieder miteinander ins direkte Gespräch zu bringen und Bündnisse zu stärken. Mit Bürger*innenräten schaffen wir außerdem die Möglichkeit, die Expertise aus dem Alltag von Bürger*innen zu spezifischen Themen direkt in die Gesetzgebung mit einfließen lassen zu können.
Darum haben wir im Koalitionsvertrag schon auf Seite 10 vereinbart: „Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt. Das Petitionsverfahren werden wir insgesamt stärken und digitalisieren und die Möglichkeit schaffen öffentliche Petitionen in Ausschüssen und im Plenum zu beraten.“
Die bisherigen Bürger*innenräte waren nicht institutionalisiert, aber haben dennoch wichtige Impulse gebracht. Aktuell läuft genau dieser Institutionalisierungsprozess innerhalb der Ampel. Unser Ziel ist es, Bürger*innenräte als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie einzusetzen. Diese Legislaturperiode ist eine Versuchsphase dafür, quasi deliberative Demokratie in einem Lernprozess.
Ich bin gespannt, welche Erfahrungen wir mit dem Bürgerrat zum Thema „Ernährung im Wandel“, der voraussichtlich ab September 2023 zusammenkommt, in dieser Frage sammeln werden.
Viele Grüße,
Maik Außendorf