Frage an Maik Außendorf von Christiane L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Außendorf,
seit Jahren hört man, dass die deutsche Wirtschaft "brummt" und wir - angeblich - noch nie so wenig Arbeitslose hatten.
Tatsache ist, dass zu den 2,8 Mio Jobsuchenden noch 7 Mio Minijobber gezählt werden müssen + 4 Mio Hartz IV Empfänger + 3 Mio "Zwangs-Selbstständige" (die sich selbstständig gemacht haben, weil sie keine Anstellung mehr finden) + X Millionen Menschen, die Weiterbildung betreiben, damit sie ebenfalls nicht in der Arbeitslosenstatistik auftauchen.
ALLE diese Menschen haben KEINE richtige Anstellung in Deutschland!
Sicherlich befinden sich unter den Minijobbern viele, die keine TZ- oder VZ-Stelle wollen; die stellen aber die Minderheit. Die Mehrheit der Minijobber sucht händeringend nach einer Anstellung; viele überleben nur, weil sie 2 oder gar 3 Minijobs annehmen.
Unter den Zwangs-Selbstständigen befinden sich zahlreiche Lehrer und Journalisten, PR-Manager, Kommunikatoren; zu denen auch ich gehöre.
Weiterbildungseinrichtungen rekrutieren Teilnehmer direkt zu Dozenten (ohne Einarbeitung), natürlich auf freiberuflicher Basis, also nicht sozialversicherungspflichtig angestellt, weil die Kurse dieser Akademien voll sind mit Arbeitslosen, die von der Arbeitsagentur dorthin geschickt werden.
Ich selbst war zuletzt Pressesprecherin eines großen chin. Konzerns, bin arbeitslos geworden, habe 2 Fortbildungen gemacht und kämpfe seitdem zwischen Hartz IV und Zwangs-Selbstständigkeit ums Überleben - und kenne zahlreiche Ex-Kollegen persönlich, denen es genauso geht!
Ich weiß, wie die Zustände wirklich sind und bin einfach nur noch erschüttert, wie FALSCH deutsche Politiker mit den Tatsachen in unserem Land umgehen (das gilt für alle große Parteien)! Kein Wunder, dass die Stimmung bei den Wählern Richtung Nichtwählengehen und Extrem kippt.
Warum weigern sich alle, die Wahrheit zu sagen? Und dann die Misere anzupacken und zu verbessern?
Für eine konstruktive Antwort bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau L.,
Vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Die von Ihnen geschilderten Probleme mit Minijobs, Teilzeitjobs, Selbständigkeit oder Leiharbeit treten leider allzu häufig auf. Die Schwierigkeiten sind sowohl mir als auch meiner Partei bewusst.
Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir alle diese Probleme werden lösen können, möchte Ihnen aber einen kurzen Überblick über die Auseinandersetzung mit dem Thema und Vorschlägen dazu in meiner Partei geben.
Auf dem Bundesparteitag in Münster haben die Grünen beschlossen, dass das Existenzminimum nicht sanktioniert werden darf.
https://sanktionsfrei.de/gruene-kurskorrektur-sanktionen-sollen-abgeschafft-werden/
In unserem Programm zur Bundestagswahl teilen wir zudem Ihre in der Frage eingangs gestellte Analyse:
Heute sind in Deutschland mehr Menschen erwerbstätig denn je, in den letzten Jahren sind hunderttausende neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden und die Erwerbslosigkeit ist relativ gering. Ein Viertel der Beschäftigten befindet sich jedoch in kleinen Teilzeitjobs, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Minijobs oder immer wieder in befristeten Jobs. Viele dieser Jobs sind unsicher, schlecht bezahlt, erschweren die Lebens- und Familienplanung und führen auf Dauer zu Armut im Alter. Nach wie vor sind Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligt. Überlastung, Stress und Zeitnot führen zum Raubbau an der eigenen Gesundheit und Person. Das wollen wir ändern.
Konkrete Forderungen, die wir daraus ableiten sind u.a.:
Gute Arbeit für alle – auch für Menschen mit Behinderung
Wir wollen die Arbeitswelt gerechter gestalten. Leiharbeitskräfte bekommen den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten und eine Flexibilitätsprämie. Zweifelhafte Dienst- und Werkverträge, Scheinselbständigkeit und Befristungen ohne Grund ersetzen nicht mehr tariflich gut bezahlte Arbeit.
Mit einer Arbeitsversicherung Weiterbildung ermöglichen
Wir investieren verstärkt in die Qualifizierung und Weiterbildung von Beschäftigten und Arbeitslosen, um sie für Berufe mit Zukunft fit zu machen und damit ihre Jobchancen zu verbessern. Dafür wollen wir die Arbeitslosenversicherung zu einer umfassenden Arbeitsversicherung weiterentwickeln. Sie soll für alle Beschäftigten und Selbständigen da sein und sie absichern.
Unser komplettes Programm finden Sie hier:
https://www.gruene.de/ueber-uns/2017/gruenes-wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2017-zukunft-wird-aus-mut-gemacht.html
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben und wünsche Ihnen persönlich Alles Gute.
Maik Außendorf