Portrait von Lydia Westrich
Lydia Westrich
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lydia Westrich zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen E. •

Frage an Lydia Westrich von Jürgen E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Westrich,

wie ich eben erfahre haben Sie am Freitag FÜR die verdachtsunabhängige Überwachung aller Bürger gestimmt.

Womit begründen Sie dies?

Warum soll es übrigens ausländischen Staaten gestattet werden ohne Richterbeschluss auf die Daten zuzugreifen? Wie kontrolliert man anschließend die Nutzung dieser Daten im Ausland?

Warum haben Sie den Ausgang der Klage Irlands bei EuGH nicht abgewartet?

Die Ausrede, dass Deutschland verpflichtet ist die Richtlnie umzusetzen ist ungültig. Eine europäische Richtlinie muss nämlich wegen schwerer und offensichtlicher Rechtsverstöße von keinem Staat umgesetzt werden!!!

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Ernst

Portrait von Lydia Westrich
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ernst,

ich danke Ihnen für Ihre eMail vom 10.11.2007. Am 9. November haben wir den Regierungsentwurf zur Reform der Telekommunikationsüberwachung sowie zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung im Deutschen Bundestag beschlossen. Auch ich habe dieser Gesetzesänderung zugestimmt.
Die Gesetzesinitiative hat zwei Bestandteile: Die gesetzliche Eingrenzung der Telekommunikationsüberwachung und die Umsetzung der EU-Richtlinie zur sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung geht auf die Initiative einiger EU-Länder zurück, die nach den Terroranschlägen von Madrid mit den Mobiltelefondaten der Attentäter eine ganze Terrorzelle ausfindig machen konnten.
Wir haben bei der Gesetzesnovellierung dabei stets im Auge behalten, dass der Staat einerseits für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen hat und andererseits die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen muss. In diesem Spannungsverhältnis zwischen berechtigten Verfolgungsinteressen des Staates und den im Grundgesetz verankerten Bürgerrechten haben wir zuallererst die Hürden für verdeckte Ermittlungen weiter erhöht.
So kommen Straftaten grundsätzlich nicht mehr in Frage, die im Höchstmaß mit einer geringeren Strafe als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Es muss also schon eine Straftat vorliegen, die auch im konkreten Einzelfall für den Beschuldigten sehr schwer wiegt.

Das neue Gesetz enthält im weiteren die Umsetzung der EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG) in deutsches Recht. Auch hier haben wir im Bewusstsein der Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung unsere Verpflichtung für Bürgerrechte war genommen. Gegen den Widerstand vieler anderer EU-Mitgliedsstaaten hat die Bundesregierung durchgesetzt, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate, statt der ursprünglich geforderten 36 Monate, beschränkt wird. Die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen reine Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie der Standort (die Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Bewegungsprofile der Mobiltelefone werden also nicht aufgezeichnet. Obwohl auch das von einigen EU-Mitgliedsstaaten gefordert wurde. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen nicht gespeichert werden.

Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das TK-Unternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher auch – nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss. Die Klage Irlands gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bedeutet nicht, dass sie dagegen sind. Ganz im Gegenteil, sie gehörten zu den Antragstellern. Die Klage richtet sich gegen die von der britischen Regierung während ihrer Präsidentschaft herbeigeführte Mehrheitsentscheidung. Damit sollte versucht werden Deutschland als in dieser Sache blockierendes Land auszubremsen. Es geht bei der Klage nicht um den Inhalt der Richtlinie. Daher ist nicht zu erwarten, dass der Europäische Gerichtshof über den Inhalt entscheiden wird.

Zur wirksamen Kriminalitätsbekämpfung sind Methoden der verdeckten Ermittlung unerlässlich. Das gilt insbesondere für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die mit erheblichen Verletzungen von Opfern und hohem wirtschaftlichen Schaden einhergeht. Wir haben bei diesem sensiblen Gesetz immer zwischen den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger abgewogen und die Überwachung der Telekommunikation gesetzlich eingeschränkt.

Mit freundlichen Grüßen,

Lydia Westrich, MdB