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Lutz Heilmann
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Frage von Lars K. •

Frage an Lutz Heilmann von Lars K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Heilmann,

wie ich Spiegel Online ( http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,590643,00.html ) entnahm und auf www.wikipedia.de selbst feststellen konnte, wurde die Weiterleitung zu de.wikipedia.org von der genannten Adresse aufgrund einer auf Ihren Antrag hin erwirkten einstweiligen Verfügung gesperrt.
Grund seinen "bestimmte Äußerungen" auf der Seite; der Spiegel-Artikel vermutet, im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit für das MfS. Welche Äußerungen beanstanden Sie im einzelnen?

Mir sind auf der über www.wikipedia.org noch erreichbaren Seite keine Aussagen ersichtlich, die auch nur ansatzweise schutzwürdig wären: Als MdB ist Ihre Biographie in ihren Eckdaten von öffentlichem Interesse.

Wie verträgt sich ein solches Vorgehen gegen eine mittlerweile rennommierte Größe mit Meinungs- und Pressefreiheit?

Wie stehen Sie weiterhin im allgemeinen zu Webprojekten kooperativer Natur?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Lutz Heilmann
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kretschmer,

Ihre Frage beantworte ich folgendermaßen:
Auf Grund folgender falscher Tatsachen in meinem Wikipedia Eintrag erwirkte ich die Einstweilige Verfügung beim Landgericht Lübeck:
1. "(...) Heilmann warf den Lübeckern Stalinismus vor und lancierte Fotos von einer obskuren "Stalin Party" der Lübecker Linken an die Presse. Diese revanchierten sich mit Enthüllungen über einen von Heilmann mitbetriebenen Online Sexartikel-Versand und eine Anzeige wegen Nötigung gegen ihn (...) Die Berichterstattung führte am 17. Oktober 2008 zur Aufhebung von Heilmanns Immunität als Bundestagsabgeordneter durch den Immunitätsausschuss des Bundestages.

2. "Ab 1992 absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Christian-Albrechts-Universität Kiel, welches er 2005 nach dem ersten juristischen Staatsexamen unterbrach, weil er in den Bundestag einzog."

3. "Der Lübecker Kreisverband der Linken entzog Heilmann noch während der ersten hundert Tage seiner Amtszeit das Vertrauen und forderte ihn zum Rücktritt auf, Heilmann verließ daraufhin den Kreisverband."

4. "Es wurde jedoch mehrfach berichtet, dass Heilmann nur Teile seiner Akte zur Einsicht freigibt."

Wie sie lesen können, haben die Punkte nichts mit meiner früheren konkreten Tätigkeit beim MfS zu tun. Lediglich die Tatsache, dass ich meine Akte nur teilweise zugänglich machen würde, hat damit mittelbar zu tun.
Diese 4 Punkte sind jedoch geeignet rufschädigende Auswirkungen zu haben. Selbstverständlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass meine Biografie von öffentlichem Interesse ist. Von öffentlichem Interesse kann es aber nicht sein, wenn die Biographie durch falsche Tatsachenbehauptungen verfälscht wird. Den Tatsachen entsprechende Eintragungen können durchaus vorgenommen werden. So habe ich nichts dagegen, dass vermerkt ist, dass ich schwul bin oder dass ich Mitarbeiter beim MfS war. Das sind wahre Tatsachen.
Mit der Einstweiligen Verfügung ging es mir nicht darum Meinungs- und Pressefreiheit einzuschränken. Wobei anzumerken ist, dass bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht der Meinungsfreiheit unterfallen. Einzig der Schutz meiner Persönlichkeitsrechte war für mich ausschlaggebend. Die Auswirkungen habe ich zugegebener Maßen nicht richtig eingeschätzt. Das habe ich auch eingeräumt und den Nutzerinnen und Nutzern von Wikipedia gegenüber erklärt. Die klassischen juristischen Mittel wie etwa Gegendarstellung oder Einstweilige Verfügung haben sich als nicht unproblematisch erwiesen. Damit wird aber auch das Grunddilemma deutlich. Wie ist das Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungs- und Pressefreiheit zu lösen. Muss jede und jeder es hinnehmen, dass sonst was geschrieben und veröffentlicht wird? Ist einzig auf Selbstregulierung zu setzen? Wenn ich dem zustimme und auf Selbstregulierung setze, ergibt sich die Frage, wie geht man mit offensichtlichen Missbrauchsfällen um? Eine Menge Fragen, die mich momentan beschäftigen, auf die ich derzeit nicht umfassend antworten kann.
Grundsätzlich stehe ich kooperativen Webprojekten offen gegenüber, bieten Sie doch die Möglichkeit des Wissensaustausches, des Kennenlernens, um nur Einiges zu nennen, ich muss aber auch gestehen, mich damit bislang zu wenig auseinandergesetzt zu haben. Wikipedia bzw. meinen entsprechenden Wikipedia Eintrag habe ich die letzten 3 Jahre freundlich ignoriert. Mittlerweile habe ich mich dazu Schlauer gemacht und auch entsprechende Kontakte zum weiteren kennen lernen geknüpft. Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Lutz Heilmann