Frage an Ludwig Spaenle von Ute V. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Dr. Spänle
vor einigen Wochen hörte ich einen Bericht in den Medien, in dem der Lehrerverband der Gymnasien eine neue Strukturierung des gymnasialen Unterrichts forderte. Konkrete Vorschläge waren, die Entschlackung des Lehrplanes am G8, fächerübergreifender Unterricht durch Projektarbeiten und nicht mehr das sture vermitteln von Wissen, sondern das Lernen lernen anhand von ausgewählten Beispielen.
In meinen Augen sind das alles sinnvolle und längst überfällige Themen. Durch meine Tätigkeit in einem großen Unternehmen ist mir bewusst, wie sich die Anforderungen in den letzten Jahren geändert haben und dass sich die Schulen auf diese Anforderungen noch nicht eingestellt haben. Weiterhin ist durch die zur Verfügung stellen des Wissens mittels mobiler Medien der Anspruch auch an unsere Kinder gewachsen, Fähigkeiten anders anzuwenden und einzusetzen. Ich habe selbst 2 Söhne am G8 und kann daher sagen, dass die Entschlackung des Lehrplanes bei der Umsetzung des G8 versäumt wurde und dringend nachgeholt werden sollte. Ansonsten werden unsere Kinder in den kommenden Jahren den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr gewachsen sein. Und die Konkurrenz – vor allem aus dem Osten – schläft nicht!
Umso mehr hat es mich verwundert, dass Sie diesen guten Vorschlag des Lehrerverbandes abgelehnt haben und keine Notwendigkeit für eine Reformation der Unterrichtsmethoden an den Gymnasien und einer Verbesserung des G8 sehen. (Im Gegensatz zu vielen, bin ich ein Befürworter des G8 und denke, dass der Reformprozess kontinuierlich weitergehen muss. Hier wurde der erste Schritt getan, mit dem sich die Kinder aber durch die Fülle des Stoffes und nicht angepassten Unterrichtsmethoden sehr schwer tun. Das Ziel ist noch nicht erreicht!)
Ich bitte Sie, sich dieses Themas anzunehmen und an das Wohl und die Zukunft unserer Kinder und damit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu denken.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Vogel
Sehr geehrte Frau Vogel,
vielen Dank für Ihren Beitrag zum Lehrplan des Gymnasiums, den Sie auf abgeordnetenwatch.de eingestellt haben. Herr Staatsminister Dr. Spaenle hat mich beauftragt, Ihnen zu antworten.
Zur Entwicklung des Lehrplans für das Gymnasium kann ich Ihnen mitteilen, dass mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums ein neues Lehrplankonzept umgesetzt wurde, das von seinen methodisch-didaktischen Leitlinien her auf Grundwissen und Kompetenzorientierung sowie vernetzendes Lernen ausgerichtet ist. Aus diesem Grund wurde im Vergleich zum Lehrplan für das neunjährige Gymnasium bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums in größerem Umfang Detailwissen gestrichen, Inhalte als fakultativ ausgewiesen und Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Fächern geschaffen.
Eine Überarbeitung der Lehrpläne mit Schwerpunkt in der Unter- und Mittelstufe erfolgte in den Jahren 2008 und 2009, wobei neben anderen Maß- nahmen nochmals Kürzungen vorgenommen wurden.
Eine im Schuljahr 2011/2012 durchgeführte Evaluation des Gesamtlehrplans des Gymnasiums bildet die Basis für die aktuelle Überarbeitung des Lehrplans im Zuge einer grundlegenden Neukonzeption der Lehrpläne aller bayerischen Schularten. Anknüpfend an die Evaluationsergebnisse werden jedoch noch am aktuellen Lehrplan Stoffkürzungen insbesondere in der Oberstufe vorgenommen, die bereits im Schuljahr 2012/2013 wirksam werden. Betroffen sind 11 von 25 Fächern, darunter die Oberstufenlehrpläne Geschichte und moderne Fremdsprachen. Um der Kompetenzorientierung in den Lehrplänen aller allgemein bildender Schulen in Bayern noch breiteren Raum einzuräumen, werden darüber hinaus ab dem nächsten Schuljahr die Lehrpläne aller Schularten, auch des Gymnasiums, im Rahmen des Konzepts LehrplanPLUS weiterentwickelt.
Damit wird deutlich, dass das Staatsministerium den Lehrplan des Gymnasiums zum festen Bestandteil eines umfassenden Monitoring gemacht hat. Zeitgemäße didaktische Anforderungen wie Grundwissens- und Kompetenzorientierung sowie fächerverknüpfendes Lernen im Lehrplan finden so ihre konsequente Umsetzung. Mit der bereits eingeleiteten Weiterentwicklung des gymnasialen Lehrplans wird der Bereich der Kompetenzorientierung eine noch stärkere Akzentuierung erfahren, ohne dass dabei die Bedeutung des grundlegenden Wissens vernachlässigt werden soll.
Hinsichtlich der Forderungen nach weiteren inhaltlichen Kürzungen, die mitunter die öffentliche Diskussion bestimmen, gebe ich zu bedenken, dass das Gymnasium auch weiterhin seine Zielsetzung, nämlich die Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung und das Schaffen der Voraussetzungen für die Aufnahme eines Hochschulstudiums erfüllen muss. Dabei ist es Auftrag des Gymnasiums, vernetztes und intelligentes Wissen zu vermitteln, Nachhaltigkeit herzustellen und den Schülerinnen und Schülern einen umfassenden Kompetenzerwerb zu ermöglichen. Dass der damit eingeschlagene Weg erfolgreich beschritten wird, bestätigen die Erfolge des bayerischen Gymnasiums bei nationalen und internationalen Leistungsvergleichen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen einige Hintergründe zum Lehrplan des Gymnasiums vermitteln zu können.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Kempf
Ministerialrat