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Frage von Volker H. •

Frage an Ludwig Hager von Volker H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hager,

Sie waren bis 2016 Mitglied bei den Grünen. Was hat Sie dazu bewegt, die Partei zu wechseln?

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr H.,

diese Frage ist sehr persönlich und die Antwort nicht einfach. Als ich die selbe Frage neulich in einem telefonischen Interview von den Nürnberger Nachrichten gefragt wurde, hatte ich sie abgelehnt, aber hier muss ich hoffentlich nicht befürchten, dass meine Antwort verkürzt darstellt wird.

Anlass meines Parteiaustrittes war der Aufruf der Grünen zu einer Gegendemonstration zum „Marsch für das Leben“. Zu dieser jährlich in Berlin stattfindenden Großdemonstration hieß es, dass dabei „christliche FundamentalistInnen ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen fordern“. Und beim „Marsch für das Leben“ wollte ich selber mit demonstrieren obwohl ich nicht das Ziel verfolge, Frauen nach einer Abtreibung zu bestrafen. Und ein christlicher Fundamentalist bin ich mit Sicherheit auch nicht.

An der aktuellen rechtlichen Situation zum Schwangerschaftsabbruch (verboten, aber unter näher beschriebenen Umständen straffrei, Verbot von Werbung) kann man noch erkennen, wie kontrovers in den 90ger Jahren darum gerungen wurde. Und ich, und wie ich glaube viele von uns, finden sich selbst in dem Spannungsfeld dieses Gesetzte auch irgendwie wieder. Einerseits wird darin klar festgestellt, dass das ungeborene Kind in jedem Stadium der Schwangerschaft auch gegenüber der eigenen Mutter ein eigenes Recht auf Leben besitzt, weshalb eine Abtreibung nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann. Andererseits soll aber eine Schwangere, die sich innerhalb der Frist und nach einer Beratung und nach reiflicher Überlegung letztlich doch für die Abtreibung entscheidet, nicht auch noch juristisch dafür bestraft werden. Statt dessen muss es richtig gute Beratung geben, die Mut macht und Alternativen aufzeigt. Beispielsweise wird die Bereitschaft von Müttern ihr Kind zur Adoption freizugeben immer noch gesellschaftlich stigmatisiert. Dabei sind das doch die Heldinnen! Schockiert bin ich auch von der allgemeinen gesellschaftlichen Anerkennung vorgeburtlicher Untersuchungen auf genetische Besonderheiten, die letztlich zur Selektion von Menschen mit Behinderung führt. Und das obwohl Inklusion zurecht von weiten Teilen der Gesellschaft gefordert wird.

Seit meinem Eintritt in die ÖDP sind mir natürlich noch weitere Unterschiede bewusst und wichtig geworden. Beispiele:

- Die Grünen verbreiten weiterhin die Illusion, die Wohlstandsgesellschaft könnte weitgehend ohne Konsumreduzierung fortgesetzt werden. Die ÖDP will weg vom „Wohlstand durch Wirtschaftswachstum“ und hin zu einer Gemeinwohlökonomie. (Bitte zu diesem komplexen Thema selbst recherchieren oder eine Extrafrage aufmachen.)

- Das grüne Programm tritt für die Betreuung der Kinder ab Geburt in öffentlichen Einrichtungen ein und hegt keine Sympathien für traditionelle Familienstrukturen. Die Grünen lehnen deshalb die finanzielle Anerkennung für die Elternarbeit ab. Die ÖDP will eine bindungsfreundliche Betreuung der Kinder und kämpft für die volle Anerkennung der Familienleistungen durch ein Gehalt für die familiäre Sorgearbeit.

- Die ÖDP lehnt es ab, dass Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter mit digitaler Technik (Smartphone, Tablet, Computer) umgehen, weil ernstzunehmende Studien zeigen, dass es ihnen mehr schadet als nützt. Wir nennen es das „Recht auf analoge Kindheit“.

- Die ÖDP lehnt für sich selbst Spenden von Unternehmen konsequent ab und will dieses auch gesetzlich für alle Parteien so regeln.

Wenn man persönlich etwas bewegen möchte und sich dafür entscheidet in einer Partei mitzuarbeiten, dann wird man dafür immer auch bereit sein müssen kleinere Kompromisse einzugehen. Aber permanente Bauchschmerzen sind auf Dauer ungesund, übrigens auch für die Wähler!

Mit freundlichen Grüßen

Ludwig Hager