Frage an Lothar Bisky von Claudia D. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter herr Prof Bisky,
sind Sie für ein Fernverkehrsgesetz für die Bahn, wo die Mindestbediennung im Fernverkehr der Bahn festgelegt wird.
Mit freundlichen Grüssen
Claudia Diephaus
Sehr geehrte Frau Diephaus,
Ihre Frage kann ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Die Renditeerwartung der Bahnprivatisierungsbefürworter hatte schon im Vorfeld des Börsengangs von Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG erhebliche Auswirkungen, die sich über Jahre hinweg immer deutlicher zeigen: Immer mehr Regionen und Mittelzentren, wie Gera, Emden, Flensburg, Saarbrücken und Cottbus wurden in den vergangen Jahren vom Fernverkehr der Bahn abgehängt. Die Bundesregierung unterläuft nach Auffassung der LINKEN damit die grundgesetzliche Verpflichtung, nach Art.87e, ein Fernverkehrsangebot sicher zu stellen, indem sie die Bahn frei gewähren lässt. Sie beschädigt mit ihrem Vorhaben eklatant die Allgemeinwohlverpflichtung, denn in der Fläche droht ein Sterben der Fernbahn auf Raten.
Ein Gesetzesentwurf zur Sicherstellung des Fernverkehrs wurde zunächst vom Land Sachsen-Anhalt vorgelegt und später auch vom Bundesrat. Er fixiert Instrumente zur Sicherung der Bundesschienenwege und des Angebots an Fernreisezügen, die weit über das hinausgehen, was die Bundesregierung sowie die SPD- und die CDU/CSU-Fraktionen im Bundestag bisher vorgelegt haben.
Mit einem solchen Gesetz zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs gäbe es eine Grundlage, die Zahl aller zurückgelegten Kilometer der Fern-Reisezüge auf dem Niveau des Jahres 2007 zu erhalten. Dies könnte verhindern, dass noch mehr Regionalexpress-Züge, die von den Bundesländern aus Nahverkehrsgeldern bezahlt werden, die Fernzüge des Intercity-Verkehrs ersetzen. Der Gesetzentwurf nennt Formulierungen des Grundgesetz-Artikels 87e Absatz 4 und gibt vor, dass der Bund mit Eisenbahnverkehrsunternehmen Verträge zur Durchführung des Fernverkehrs (Verkehrsdurchführungsverträge) abzuschließen haben.
Meine Fraktion ist auch mit Vertretern der Verkehrsverbünde im Gespräch. Auch hier hören wir zum Beispiel „Wir brauchen ganz dringend ein Fernverkehrsgesetz“.
Ziel der Bahnreform von 1994 war es, mehr Verkehr auf die Scheine zu bringen. Mit der Regionalisierung des Nahverkehrs und dem Übergang der Verantwortung vom Bund auf die Länder für den Regionalverkehr ist das auch gelungen. Auf immer mehr Strecken gibt es bessere Fahrpläne, oft eine Verdoppelung des Angebotes. Auch wenn ich nicht verkenne, dass es immer noch zu viele Einstellungen von Regionalverkehren auf dem flachen Land gibt.
Ein Beispiel möchte ich abschließend benennen, das unsere verkehrspolitische Sprecherin, Frau Dorothée Menzner, jüngst im Bundestag aufgriff: Das polnische Parlament, der Sejm, beschloss kürzlich, Gelder für die Verbesserung des Eisenbahn-Fernverkehrs Polen—Berlin und Polen—Dresden bereit zu stellen. Nur die DB AG sperrte sich, weil mit diesen Fernzügen keine Rendite von 14 Prozent erreicht werden könne! 14 Prozent Renditeerwartung? Allein dieser Wert macht deutlich, welcher Irrsinn ein Bahnbörsengang ist. Eine solche Rendite bei der Bahn liegt jenseits von Gut und Böse. Denn es gibt auf der gesamten Erde kaum ein Beispiel dass sich flächendeckende Fernverkehrsangebote wirtschaftlich selbst tragen, selbst in den USA nicht. Deshalb sollten wir mit dem Unfug aufhören, dass Fernzüge eigenwirtschaftlich zu betreiben sind. Und nicht zuletzt darum unterstützt meine Fraktion DIE LINKE, dass sehr bald ein Fernverkehrsgesetz vom Bundestag beschlossen wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Bisky