Frage an Lothar Bisky von Peter H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Professor Bisky,
mit Interesse verfolge ich seit längerer Zeit die Politik der Linkspartei. Den Ausführungen des Herrn Lafontaine zur Energiesituation in der 170. Plenarsitzung kann ich mich nur anschließen.
Was mich jedoch besorgt ist die Haltung der Linkspartei zur Kernkraft: es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum man der Kernenergie als der billigsten und unbegrenzt verfügbaren Energieform entsagen will, obwohl inzwischen auch hier technische Entwicklungen stattfinden bzw. sich abzeichnen, die einen Unfall wie seinerzeit in Tschernobyl unmöglich machen und zudem das Problem des radioaktiven Abfalles auf ein Minimum reduzieren. Ich denke hier im einzelnen an die Transmutationstechnologie, bei der anstelle von Uran Thorium zum Einsatz kommt, und die es ermöglicht, auch das o.g. Abfallproblem weitgehend einzudämmen. Zudem ist sicher auch die Kernfusion eine vielversprechende Möglichkeit, so daß ich nicht nachvollziehen kann, warum man hier die Entwicklungen nicht konsequent weiterverfolgen sollte, anstatt den Ausstieg zu propagierern und dadurch die Möglichkeit einer dauerhaften und erschwinglichen Energieversorgung ad acta zu legen. Angesichts der heutigen Problematik in Sachen Energieversorgung und -sicherheit helfen meines Erachtens Ideologien nicht weiter - gerade diese haben nicht zuletzt überhaupt erst zu der heutigen Problemlage beigetragen. Wind- und Solarenergie können bei weitem nicht den Energiebedarf auffangen, werden durch erzwungene hohe Subventionen zu Lasten der Verbraucher verbreitet und erfordern zudem immer noch, dass konventionelle Energieformen vorgehalten werden, da Wind und Sonne nicht permanent zur Verfügung stehen. Wäre es hier nicht sinnvoll, die Haltung der Linkspartei zu überprüfen, eine Weiterentwicklung der Kernenergie ins Auge zu fassen und die modernsten Möglichkeiten in die Energieversorgung mit einzubeziehen?
herzliche Grüße
Peter Hoppe
Sehr geehrter Herr Hoppe,
Ihre Meinung zur Kernenergie respektiere ich, aber ich teile sie nicht. Die Fraktion der LINKEN im Bundestag, die Partei DIE LINKE und ich selbst sind uns in dieser Frage einig: Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat die Risiken der Atomenergienutzung deutlich gezeigt: Der Betrieb von Atomkraftwerken ist und bleibt mit unverantwortbaren Risiken verbunden. Zudem gelangte das Risiko terroristischer Anschläge nach den Terrorakten des 11. Septembers 2001 in die öffentliche Wahrnehmung. Der Fall eines abstürzenden Passagier-Flugzeugs wurde bei der Genehmigung der heutigen Atomanlagen in der Regel nicht berücksichtigt. Die damalige PDS-Fraktion war 2001 die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die in einem Antrag die Aufhebung der Betriebsgenehmigungen forderte, denn zahlreiche bedrohliche Störfälle in deutschen Atomanlagen haben gezeigt, dass die Energieerzeugung durch Kernspaltung nicht zu beherrschen ist. Hinzu kommen Gefahren durch Zwischenlagerung, Wiederaufbereitung und Atommüll-Transporte. Und: Der schnellst-mögliche Ausstieg aus der Atomwirtschaft ist aktive Friedenspolitik, denn der militärische Missbrauch der Nukleartechnik ist vorprogrammiert. Das zeigt der aktuelle Streit um das iranische Atomprogramm.
Der von der rot-grünen Regierung mit der Atomlobby ausgehandelte so genannte Atomausstieg verdient den Namen nicht. Er ist schlicht eine Sicherung des Betriebs der Atommeiler in den nächsten zwanzig Jahren – und wo möglich darüber hinaus. Meine Partei DIE LINKE. fordert darum einen beschleunigten und konsequenten Ausstieg aus der Atomenergienutzung. Die zukünftige Energieversorgung sollte aus unserer Sicht auf dem cleveren Umgang mit Energie basieren. Wenn wir den Verbrauch bei Strom, Wärme und Kraftstoffen halbierten, könnten wir das Potential der erneuerbaren Energien voll nutzen. Die Vorteile einer solchen Energiewende liegen auf der Hand: Geringere Importabhängigkeit bei fossilen und nuklearen Brennstoffen, mehr wirtschaftliche Wertschöpfung in Deutschland und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Und geopolitisch wäre eine Abkehr von der fossil-nuklearen Energieversorgung ein wichtiger Beitrag zur Friedenssicherung.
In der Anlage übersende ich Ihnen die zehn Gründe, die aus unserer Sicht für einen Atomausstieg sprechen. Wir LINKEN sind nicht technikfeindlich und offen für neue technische Entwicklungen. Eine Technologie aber, die auch auf dem neuesten Stand der Technik auf die Frage der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle keine Antwort hat, ist aus meiner Sicht eine nicht verantwortbare Technologie. Ein schlüssiges Konzept, wie über Jahrtausende hinweg die sichere Lagerung und Überwachung des Atommülls garantiert und bezahlt werden soll, gibt es nicht. Allein dieser Grund reicht m.E. schon aus, dieser Technologie sehr skeptisch zu begegnen.
In der Hoffnung, dass auch Sie eine andere Meinung akzeptieren können
verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Bisky