Frage an Lothar Bisky von Hinrich H. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrter Herr Professor Bisky,
mein Dauerstreit mit der Gebühreneinzugszentrale, auf den ich hier allerdings nicht eingehen will, veranlasst mich zu der Frage, ob es nicht an der Zeit ist, ein vielleicht vom Europaparlament kontrolliertes Nachrichten-, Informations- und Bildungsfernsehen nachzudenken.
Der Nachholebedarf des Fernsehpublikums der alten Bundesrepublik in Sachen Kulturgeschichte, Geographie, Sprache, Bildungspolitik usw. der neuen Bundesländer und besonders auch der neuen EU-Länder ist außerordentlich hoch. Mir fiel dies wieder im Zusammenhang mit den endlosen Fernseh-Diskussionen um die Familienpolitik, Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Pisa-Studie usw. auf. ARD und ZDF haben es offensichtlich nicht verstanden, ihren medienpolitschen Nachkriegsauftrag (ARD) und die konservative deutsche Ergänzung (ZDF) zu überwinden und in die Gegenwart und Zukunft zu entwickeln. Sie, Herr Professor Bisky, sprechen von einer zunehmenden Konvergenz der Systeme. Es ist also vielleicht wirklich an der Zeit, mal was grundsätzlich Neues zu versuchen. Das Bestehende zu verändern scheint im eitlen Streit der deutschen Kleinstaaten und an der vorgeschobenen Verfassungsproblematik zu scheitern. Also verabschieden wir uns würdevoll und mit Respekt vor den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen vom "Alten deutschen, öffentlich rechtlichen Rundfunk und Fernsehen" sowie von der GEZ und machen in Europa was Neues. Ein solches Projekt mit einer Umlage zu finanzieren könnten sich sicherlich viele Menschen in Europa vorstellen.
Meine Fragen:
Gibt es konzeptionelle Ansätze in diese Richtung?
Wer ist der Ansprechpartner auf europäischer Ebene?
Wie ist die Position der Linkspartei zu EURONEWS und/oder einem vom Europa-Parlament kontrollierten Europäischen Fersehen?
Mit freundlichem Gruß
Hinrich Hartke
Sehr geehrter Herr Hartke,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 28.04.2007. Wie ich bereits in der Antwort auf die Frage von Herrn Birnbacher erläutert habe, sehe ich einen erheblichen Reformbedarf für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Insbesondere ist mir dabei die Stärkung qualitativ hochwertiger Angebote wichtig. Eine, wie von Ihnen vorgeschlagene, würdevolle Verabschiedung von ARD und ZDF ist für mich das falsche Signal.
Die Idee eines europäisch kontrollierten Nachrichten-, Informations- und Bildungsfernsehens ist nicht neu. Bereits vor über zehn Jahren hatte Helmut Kohl die Idee eines „Europäischen Parlamentskanals“. Aufgrund des Widerstands der öffentlich-rechtlichen Sender konnte sich diese Idee nicht weiter entwickeln. Dabei spielte insbesondere die Befürchtung der Entstehung eines politisch dominierten „Helmut-Kohl-Kanals“ eine Rolle. Wenig später wurde der Fernsehsender PHOENIX gegründet. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Gemeinschaftssender von ARD und ZDF zu einem viel geschätzten Anbieter entwickelt. Die von Ihnen angesprochenen Themen Kulturgeschichte, Geographie und Bildungspolitik sind neben der Berichterstattung über deutsche und europäische Ereignisse aus Politik und Wirtschaft ein Schwerpunkt des Senders.
Sie erwähnen in Ihrer Frage auch den Fernsehsender EuroNews. Die Kritik, dass es sich bei EuroNews um eine privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft (AG) und nicht um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, teile ich aus grundsätzlichen Erwägungen. Auch in kritischen Zeiten muss jederzeit gewährleistet sein, dass sich ein solcher „europäischer Sender“ streng an die Richtlinien seriöser journalistischer Berichterstattung hält und sich einem pluralen und demokratischen Medienverständnis verpflichtet sieht. Auch wenn die Kritik bei EuroNews zurück gewiesen wird, besteht immer die Gefahr, dass eine AG aus ökonomischen Gesichtspunkten, kommerzielle Interessen einer kritischen und seriösen Berichterstattung vorzieht.
Die Tatsache, dass EuroNews vertraglich mit der Europäischen Kommission verbunden ist und im Rahmen dessen auch finanzielle Unterstützung erhält, ist eine weitere in der Vergangenheit geäußerte Kritik an dem Sender. Von Kritikerinnen und Kritikern wurde dabei die Gefahr einer zu positiven Berichterstattung über die Europäische Union, ihrer Organe und politischen Standpunkte befürchtet. Sie schlagen in Ihrem Beitrag einen, durch das Europaparlament kontrollierten, Fernsehsender vor. Ich bin grundsätzlich der Ansicht - und trete auch dafür ein -, dass wir eine vielfältige europäische Medienpolitik brauchen. Eine stärkere Verzahnung bestehender Angebote (wie EuroNews) mit dem öffentlichen Interesse an Bildung und Informationen ist immer eine Überlegung wert. Bislang gibt es diesbezüglich aber keine konkreten Planungen. Die Kontrolle eines solchen Senders sollte dabei nicht nur von Politikern und Politikerinnen (z.B. Europaparlament) sondern auch von unabhängigen internationalen Expertinnen und Experten, NGOs und Vertretern und Vertreterinnen der Medienaufsicht in den einzelnen Ländern ausgeübt werden.
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner der LINKEN auf europäischer Ebene sind
- in der Linksfraktion im Europaparlament: Gabi Zimmer, Sprecherin; Website: http://www.pds-europa.de/
und in der EU-Kommission:
- Viviane Reding: Kommissarin für Medien und Informationsgesellschaft,
EU-Kommission; Website: http://ec.europa.eu/commission_barroso/reding/index_en.htm.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Bisky