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Frage von Jan Z. •

Frage an Lothar Bisky von Jan Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Bisky,

heute las ich davon, dass sie das militärische Eingreifen der NATO in den Bürgerkrieg in Libyen befürworten würden. Als Abgeordneter einer Partei, die sich eindeutig gegen Kriege positioniert und die NATO als Bündnis ablehnt, erschien mir das verwunderlich. Ich möchte mich dabei aber nicht nur auf einen Zeitungsartikel verlassen und frage deshalb hier.

Ich bin ein absoluter Gegner, der in Deutschland praktizierten Fraktionsdisziplin, allerdings frage ich mich, weshalb sie alternative Ansätze, wie einen Stopp der Kämpfe und Verhandlungen nicht in Betracht zu ziehen scheinen. Bisher scheint es keine gesicherten Informationen zu geben, was genau in Libyen vorgeht und auch wenn die libysche Regierung offenbar die Proteste mit Gewalt niederzuschlagen versuchte, so herrscht doch jetzt offenbar ein richtiger Bürgerkrieg, den man als Zustand kaum mit militärischer Gewalt gegen Unbewaffnete gleichsetzen kann. Schon letzte Woche sah ich in der ARD einen Bericht über die Zustände, in dem ein Rebell offen vor der Kamera sagte, man habe sich an Mitarbeitern des libyschen Geheimdienstes gerächt. In einen internen Konflikt dieser Form von außen einzugreifen, stellt für mich einen Bruch des Völkerrechts dar, auch wenn die UNO darüber noch nicht beraten haben mag. Zudem scheinen Abgeordnete anderer Parteien der Meinung, man könne oder müsse ein Nein des UN Sicherheitsrates sogar ignorieren und ohne Mandat eingreifen. Das halte ich für überaus gefährlich.

Ich denke es ist offensichtlich, dass die Regierung Ghaddafi keine Zukunft mehr hat und es ist um so trauriger, dass der Machthaber selbst das nicht einzusehen scheint. Allerdings sorge ich mich darum, dass die LINKE als einzig konsequente Anti-Kriegspartei im deutschen Bundestag, von dieser Kernposition langsam abrückt, die für mich einer der wichtigsten Gründe ist, sie zu wählen.

Ich hoffe sie können mir persönlich mehr Aufschluss zu dem Thema und ihrer Haltung geben.

Mit freundlichen Grüßen,
Jan Zeh

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Zeh,

Vielen Dank für Ihre Frage.

Die GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament ist eine konföderale Fraktion, da ist es durchaus normal, dass nicht immer alle Mitglieder gleich abstimmen. Dies nur vorweg.

Bei der Entschließung die Sie ansprechen, haben sich einige von unseren Abgeordneten dafür und andere dagegen ausgesprochen. Wichtig ist, dass sich die Fraktion ganz eindeutig gegen jegliche Militäreinsätze gewandt hat. Dazu würde keiner von uns Ja sagen. Wir haben uns allerdings bei dieser Resolution, die viele Punkte umfasst, darauf verständigt, dass einige durchaus zustimmen können. Das heißt ja nicht, dass sie einem Militäreinsatz zustimmen.

Einen Militäreinsatz hat das Europäische Parlament aber übrigens überhaupt nicht beschlossen. Dazu bedarf es in jedem Fall eines Mandats des UN-Sicherheitsrates.

Ich erlaube mir, Ihnen hier auch eine Erklärung von Abgeordneten der LINKEN im Europäischen Parlament zur Kenntnis zu geben:

"Presseerklärung von Lothar Bisky, Cornelia Ernst, Thomas Händel, Jürgen Klute, Helmut Scholz und Gabi Zimmer, Mitglieder der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament in der konföderalen Fraktion der GUE/NGL, zur Abstimmung über die Resolution des Europäischen Parlamentes über die Europäische Nachbarschaftspolitik, insbesondere Libyen:

Wir sind Zeugen eines historischen Prozesses, der das Antlitz der Region südlich des Mittelmeeres grundlegend verändern wird. Wie alle Demokraten sehen wir uns in der Verantwortung, den Menschen zu helfen, die den Mut aufgebracht haben, sich gegen die bestehenden Verhältnisse aufzulehnen und ihre Zukunft selbst zu entscheiden.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich mit ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit diktatorischen und korrupten Regimes in ihrer südlichen Nachbarschaft und mit ihrer so verstandenen "Realpolitik" nicht nur in den Augen der Volksmassen diskreditiert. Die Waffen, mit denen Gaddafi heute gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, stammen zu wesentlichen Teilen aus Europa. Über viele Jahre haben sich die europäischen Regierungen den Schutz vor Flüchtlingen aus Afrika mit der massiven finanziellen Unterstützung des Gaddafi-Regimes erkauft. Die massenhafte Verletzung der Menschenrechte hat den Westen nie interessiert. Öl- und Gasimporte zuerst - war und ist die Maxime. Erst am 22. Februar 2011 hat die EU ihre Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen abgebrochen. Die spätere Läuterung und der Aktionismus der EU, jetzt endlich Demokratisierungsprozesse in den arabischen Ländern - auch in Libyen - zu unterstützen, erwecken den Eindruck, dass erneut versucht wird, die Prozesse im eigenen Interesse zu beeinflussen.

Wir stimmen mit all jenen überein, die ein grundsätzliches Umdenken bei der Gestaltung der Beziehungen der EU zu den südlichen Nachbarländern fordern. Wir fordern nicht erst seit heute die konsequente Umsetzung eines Waffenembargos und unterstützen das sofortige Einfrieren der Konten des Gaddafi-Clans. Wir fordern, dass sich die Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten müssen. Wir erwarten von der EU, dass sie ihre Außengrenzen für Asylsuchende aus der Krisenregion öffnet und zugleich die dringend notwendige, massive humanitäre Hilfe für die Bevölkerung vor Ort leistet.

Der Bürgerkrieg und das Töten in Libyen müssen ein Ende finden. Die Ablösung des gegen das eigene Volk vorgehenden Gaddafi-Clans ist unvermeidlich. Wir fordern eine unumkehrbare politische, wirtschaftliche und diplomatische Isolierung des Gaddafi-Regimes. Wir erwarten von der EU und ihren Mitgliedstaaten jegliche Kooperation mit dem Gaddafi-Clan ein für alle Mal zu beenden. Zugleich lehnen wir jede militärische Intervention ab. Wir halten die in der Kompromiss-Resolution des Europäischen Parlaments enthaltene Forderung nach Einrichtung einer Flugverbotszone für falsch, auch wenn sie Forderungen aus Teilen der libyschen Opposition und von Staaten der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union aufgreift. Ein Flugverbot birgt immer die Gefahr in sich, militärisch durchgesetzt zu werden. Dies würde die EU- Mitgliedstaaten in eine militärische Auseinandersetzung führen. Diese aber führt sicher nicht zur Stärkung der Demokratiebewegungen von Marokko bis Jemen.

Straßburg, 10. März 2011

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Lothar Bisky"