Frage an Lothar Bisky von Marcel S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bisky,
gern möchte ich mich heute mit ein paar Fragen zum EU-Parlament an Sie als ‚meinen Brandenburger Europa-Abgeordneten‘ wenden, da ich dachte, dass ich mit folgenden Fragen bei Ihnen genau an der richtigen Stelle bin. Natürlich habe ich diesbezüglich auch im Internet recherchiert – nur sind die Massen an Informationen z. T. verwirrend und recht kurze prägnante Informationen und übersichtliche Internetlinks dazu würden mir völlig ausreichen. Vielen Dank im Voraus, falls Sie mir folgende Fragen beantworten können!
1. Warum genau wurde das EU-Parlament gegründet?
2. Welche Kompetenzen genau hat das EU-Parlament im Laufe der Zeit hinzugewonnen?Wann und mit welchem Vertrag ist dies genau geschehen?
3. Auf welchen Politikfeldern hat das EU-Parlament und die EU allgemein Gesetzgebungskompetenzen und auf welchen Gebieten liegen die Kompetenzen ausschließlich bei den Mitgliedstaaten?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Marcel Schöneberg
Lieber Marcel Schöneberg,
herzlichen Dank für Ihre Fragen und entschuldigen Sie bitte die späte Antwort. Bitte verstehen Sie, dass ich hier keinen erschöpfenden Überblick über die historische Entwicklung und Kompetenzen des Europäischen Parlaments geben kann. Umfassende Informationen finden Sie z.B. auf den Seiten des Europäischen Parlaments (EP): http://www.europarl.europa.eu/parliament/public/staticDisplay.do?id=146&language=DE oder http://www.europarl.europa.eu/parliament/expert/displayFtu.do?language=DE&id=74&ftuId=index.html
1. Das EP wurde zunächst als beratendes Organ gegründet. Zum ersten Mal traf es sich als gemeinsame Versammlung im Rahmen der EGKS (Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl) und wurde später auf die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und EURATOM (Europäische Arbeitsgemeinschaft) ausgedehnt.
2. Das EP hat seit seiner Gründung einen beeindruckenden Weg zurückgelegt mit einer allmählichen Stärkung seiner Kompetenzen.
Dazu gehören:
(A) Verfassungs- und Ratifizierungsbefugnisse: Mit Inkrafttreten der einheitlichen europäischen Akte (EEA) 1987 bedarf es der Zustimmung zu Erweiterungs- und Assoziationsabkommen durch das EP.
(B) Haushaltsbefugnisse: Das EP ist am Haushaltsverfahren beteiligt - eine Befugnis, die beispielsweise durch den 1970 unterzeichneten Vertrag von Luxemburg erstmals erweitert wurde. Im Vertrag von Brüssel 1975 wird dem EP das Recht zugesprochen, den Haushalt abzulehnen und die Kommission für die Ausführung des Haushaltsplans zu entlasten. Mit dem seit 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon wird das EP im jährlichen Haushaltsverfahren auf eine Stufe mit dem Rat gehoben.
(C) Mitwirken am Verfahren der Rechtssetzung: Mit dem Mitentscheidungsverfahren, welches mit Inkrafttreten des Vertrags von Nizza 2003 ausgedehnt wurde, wird das EP dem Rat im Prinzip gleichgestellt. Beide Organe müssen sich einig sein, damit ein Rechtsakt angenommen wird. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde das Mitentscheidungsverfahren auf fast alle Bereiche ausgedehnt. Weitere Verfahren sind die der Konsultation, der Zusammenarbeit, der Zustimmung und das Initiativrecht. Letzteres ermöglicht seit dem Vertrag von Maastricht (Inkrafttreten 1993) dem EP, von der Europäischen Kommission die Vorlage eines Vorschlages zu fordern.
(D) Kontrollbefugnisse gegenüber der Exekutive: Durch den Vertrag von Maastricht ist die endgültige Zusammensetzung der Kommission abhängig von der vorherigen Zustimmung des Parlaments. Der 1999 in Kraft getretene Vertrag von Amsterdam ging noch weiter, indem er die gesonderte Billigung des EP für den designierten Präsidenten der zukünftigen Kommission vorsieht. Seit dem Vertrag von Rom kann das EP ein Misstrauensantrag gegen die Kommission stellen, bei dessen Annahme alle Kommissionsmitglieder ihr Amt niederlegen müssen. Außerdem kann das EP parlamentarische Anfragen stellen, die Kommission und Rat beantworten müssen, und es hat das Recht, einen nichtständigen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu prüfen.
3. Grundsätzlich handelt die EU nach dem Subsidiaritätsprinzip, d.h. die EU handelt nur dann, wenn Angelegenheiten nicht von den Mitgliedsstaaten geregelt werden können. Die Zuständigkeiten unterteilen sich in
(A) ausschließliche Zuständigkeiten, bei denen nur die EU Gesetze erlassen kann - wie beispielsweise Binnenmarkt, Zollunion oder gemeinsame Handelspolitik,
(B) geteilte Zuständigkeiten, bei denen die Mitgliedstaaten Gesetze erlassen können, wenn die EU dies nicht tut - wie beispielsweise Agrarpolitik, Umweltpolitik oder Sozialpolitik
und (C) ergänzende Zuständigkeiten, mit denen die EU ergänzend zu bestehenden Gesetzen der Mitgliedsstaaten Maßnahmen beschließen kann, wie beispielsweise im Bereich Kultur, Industrie oder Tourismus.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Information und den o.g. Links weitergeholfen zu haben.
Herzliche Grüße aus Brüssel,
Anna Schröder
(Assistentin von Lothar Bisky)