Frage an Lothar Binding von Michael W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Binding,
durch die historisch niedrigen Sparzinsen und die expansive Geldpolitik der EZB beobachtet man seit einiger Zeit neben einem enormen Anstieg von Wertpapierinvests nie dagewesene Investitionen in Immobilien und (unbebaute) Grundstücke. Wer die Mittel hat, investiert in Zweit-, Drittimmobilien (usw.) um diese zu vermieten oder im Fall von unbebautem bereits erschlossenem Bauland als lukrative Sachwertsanlage zu nutzen. Ich sehe hier gewisse Parallelitäten zu z.B. Spekulationen mit Nahrungsmitteln.
Welche konkreten Maßnahmen befürworten Sie, um diese Situation für Menschen zu entschärfen, die sich eine selbst bewohnte Erstimmobilie zulegen möchten?
Die Erschließung neuer Baugebiete ist eine langwierige Angelegenheit. Kurzzeitig erfolgversprechend könnten zusätzlich folgende Maßnahmen sein:
Können Sie sich vorstellen eine Abgabe auf unbebautes bereits erschlossenes Bauland zu erheben? Wie stehen Sie einer ermäßigten Grunderwerbsteuer/Grundsteuer für die erste/selbst genutzte Immobilie gegenüber (wenngleich die Zuständigkeit dieser Steuern nicht beim Bund liegen)? Wieso können große Immobiliengesellschaften die Grunderwebsteuer umgehen, während private Immobilienkäufer diese Möglichkeit nicht haben?
Sehr geehrter Herr Dr. W.,
vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch.de und Ihre Anregungen. Sie haben recht, in den letzten Jahren stiegen die Bodenpreise in vielen Regionen stark an. Um auch jungen Menschen trotzdem zu ermöglichen, sich den „Traum von den eigenen vier Wänden“ zu realisieren, hat die Große Koalition verschiedene Maßnahmen beschlossen. Mit der Einführung des Baukindergeldes unterstützen wir insbesondere Familien mit Kindern beim Hauskauf. Das Baukindergeld wird in großer Zahl in Anspruch genommen. Familien, aber auch Alleinstehende, mit kleinem Einkommen werden durch die Arbeitnehmersparzulage und die Wohnungsbauprämie gefördert. In einigen Regionen, dort wo die Kapazitäten vorhanden sind, Wohnungen zu bauen und dort wo die Mietpreisregulierung schon funktioniert, ist die Preisentwicklung vorsichtig gedämpft.
Im Rahmen der Grundsteuerreform im Jahr 2019 ist die Grundsteuer C eingeführt worden. Dies folgt Ihrem Gedanken von der „Abgabe“. Sie erlaubt nun Kommunen für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen zu können, wenn dort keine Bebauung erfolgt.
Ihr Gedanke, „einer ermäßigten Grunderwerbsteuer/Grundsteuer für die erste/selbst genutzte Immobilie“ wird im Bundestag diskutiert. Schwierig wird dies natürlich dort, wo es damit strukturell (also dauerhaft) zu erheblichen Steuerausfällen in den Kommunen kommt. Deshalb legen wir den Schwerpunkt auf die oben angedeuteten Hilfen und natürlich faire Löhne, die Grundvoraussetzung für den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung sind.
Eine Reform der so genannten Share Deals ist in Arbeit. Bei einem Share Deal wird das Grundstück in eine GmbH eingebracht und anschließend wird nicht das Grundstück, sondern die GmbH oder Anteile davon verkauf. Und weil dabei kein Grundstück verkauft wird, fällt auch keine Grunderwerbsteuer an – obwohl die Sachherrschaft über das Grundstück (verpackt in einer GmbH) sehr wohl den Besitzer wechselt. So ist es dem Unternehmen (GmbH) erlaubt, durch nur anteilsmäßigen Erwerb einer andern Firma die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Unser (SPD Fraktion) Ziel dabei ist es, den Schwellenwert ab dem keine Grunderwerbsteuer zu zahlen ist, soweit abzusenken, dass dieses Konstrukt – Share Deal – im Regelfall unattraktiv wird. Leider tun sich CDU und CSU im Moment sehr schwer, diesem Gedanken zu folgen, sodass wir uns nun darauf verständigt haben „in der ersten Hälfte des Jahres 2020“ zu einer Regelung zu kommen.
Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort weiter…
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding