Hi, was gefällt ihnen an ihrem job?
Sehr geehrter Herr Bauer,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich spreche bevorzugt von meiner Arbeit oder meinem Beruf, denn meine Arbeitsverträge sind zwar stets auf vier Jahre befristet, aber inzwischen arbeite ich 23 Jahre, also seit 1998 im Deutschen Bundestag.
Meine Mitarbeiter haben als Antwort auf Ihre Frage vorgeschlagen: „Alles“.
Und damit haben sie recht, wenn „gefallen“ bedeutet, dass es mir dabei gut geht. Und abgesehen von Krankheit geht es mir gut, solange das Leben spannend ist. Und Gesetzgebung ist spannend, Reden im Bundestag ist spannend, Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern sind spannend, jeden Tag etwas Neues zu lernen, Anhörungen im Bundestag, der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die Bearbeitung von endlos hohen Poststapeln und überhohen Mailbergen, Podiumsdiskussionen, Betriebsbesuche und Praktika, Podiumsdiskussionen, Hausbesuche, auch die Gespräche mit Lobbyverbänden, einzelnen Lobbyisten oder auch in den Ministerien – es ist wirklich alles spannend und gefällt mir.
Mir gefällt auch der Dialog. Mir gefällt auch der Dialog mit einem Gegenüber, das sich verheddert, falschspielt oder sich verstellt, auf Fakenews reinfällt oder sie sogar verbreitet – es ist der Dialog „an sich“, der mich weiterbringt. Also kann ich mich sehr wohl über etwas ärgern, aber der Austausch an sich gefällt mir. Deshalb antworte ich auch prinzipiell auf jede erste Zuschrift – allerdings manchmal so, dass der Dialog mir noch gefällt. Ein Beispiel: Manchmal antworte ich einfach: Sehr geehrter Herr (meist Herren) Sowieso, ein bestimmtes Niveau wird nicht unterschritten, Viele Grüße, Ihr Lothar Binding. Mit dieser Schutzfunktion gelingt es mir an allen Dialogen Gefallen zu finden. Aber manchmal kann es mir eben nicht gelingen auf dem Niveau bestimmter Leute zu antworten – und so spreche ich das offen an.
Es gibt natürlich Vieles was mir nicht gefällt. Aber das gehört nicht zu meinem Beruf. Zu meinem Beruf gehört es, gegen alles zu arbeiten was mir nicht gefällt. Und das gefällt mir dann wieder. Diese Grundhaltung ist in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der SPD, die mir die Kandidatur für den Bundestag ermöglichte. Wieder ein Beispiel: Treffen wir auf Ungerechtigkeiten, gehen wir dagegen an. Wir sehen Ausbeutung, niedrige Löhne, hohe Mieten, Altersarmut, Kinderarmut, Umwelt- und Klimagefährdung und gehen dagegen an. Es ist traurig, dass es für diese Arbeitsrichtung nicht oft eine Mehrheit im Bundestag gibt und schwierigste, oft unlogische Kompromisse geschlossen werden (müssen). Wahlen haben Konsequenzen.
Es gibt noch eine andere Kategorie: Da schreibt mir ein Bürger einen zu Tränen rührenden Brief mit persönlicher Anrede und freundlicher Grußformel zu einem Thema wie Kriegsflüchtlinge, Hungersnot, Kinderarmut oder Klimagefährdung. Plötzlich erhalte ich noch einen Brief, exakt gleicher Text, wieder voller Empathie und Mitleid – aber anderem Absender. Und dann kommt noch ein solcher Brief und noch einer… bis ich meistens schnell bemerke, dass die Briefe einfach über zwei Klicks von einer Massenbrief- bzw. Kampagnen-Plattform abgeschickt wurden und die Betroffenheit nach meinem Empfinden gestohlen ist. Wäre die Betroffenheit echt, man hätte einige Zeilen geschrieben, statt im Netz fremde Texte anzuklicken und unter eigenem Namen als ganz normale Mail zu verschicken. Massenpost oder dieses Verhalten einige Leute gefällt mir nicht. Es zu thematisieren, zu erläutern, warum diese Art Briefe kontraproduktiv sind, das Kommunikationsverhalten zu verbessern, all das gefällt mir.
Hoffentlich zeigen die Beispiele ein wenig, warum mir meine Arbeit im Bundestag sehr gefällt. Allerdings haben Sie bemerkt, warum ich auch berichten könnte, warum mir meine bisherigen Berufe bzw. Arbeiten als Starkstromelektriker, als Planer von Netzen etc. gefallen haben. In dem Maß, in dem ich mich auf meine jeweilige Aufgabe einlasse, gefällt sie mir.
Viele Grüße, Ihr Lothar Binding