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Lisa Paus
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dietmar S. •

Sind Sie für ein Sondervermögen von 100mrd € für die Bundeswehr?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr S.

vielen Dank für Ihre Frage! Wie Sie sich vorstellen können, haben wir das hier im Bundestag in den letzten Wochen ausführlich und sehr kontrovers diskutiert.

Nach all diesen Diskussionen und einer gründlichen Abwägung lautet die Kurzantwort auf Ihre Frage lautet: Ja, ich bin für ein solches Sondervermögen – aber nicht so, wie ursprünglich vorgeschlagen, sondern mit einigen Änderungen.

Zur Begründung:

In der Nacht zum 24.2. ist das scheinbar Unvorstellbare Realität geworden: Krieg mitten in Europa. Wladimir Putins Krieg verändert die geo- und sicherheitspolitische Situation in Europa fundamental. Auch unser Selbstverständnis von Frieden und Sicherheit in Europa und mit unseren Nachbarn. Darauf müssen wir in der Europäischen Union Antworten finden. Es ist richtig, dass in einer „Zeitenwende“ alte Wahrheiten nicht mehr gelten. Wenn die Welt eine andere ist, muss auch unsere Politik eine andere sein. Gleichwohl ist es umgekehrt nicht geboten, einfache Antworten in einer Zeit zu geben, in der viele Fragen noch offen sind. Eine angemessene Antwort umfasst Sicherheit, internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe, europäische Souveränität ob bei der Energie- oder der Nahrungsmittelversorgung, Antworten auf die Klimakrise sowie auf die sozialen Fragen dieser Zeit gleichermaßen. Und wir stärken unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Die dringend nötigen Investitionen in die Ausstattung der Bundeswehr, die über ein Jahrzehnt versäumt worden sind, gehen wir jetzt entschieden und pragmatisch an.

Wir müssen in unsere Sicherheit investieren und diese Sicherheit breit denken, um Frieden langfristig zu gewährleisten. Die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit wird aber nicht nur durch zweckmäßig ausgestattete Bundeswehr und Rüstungsgüter erreicht. Dazu gehört eine funktionierende Abwehr gegen Desinformationskampagnen oder Cyber-Angriffe auf kritische Infrastrukturen, z.B. auf die Wasser- oder Stromversorgung. Zentrale Voraussetzung für langfristigen und nachhaltigen Frieden und Sicherheit sind zudem Diplomatie, feministische Klimaaußenpolitik, atomare Abrüstung, internationale zivile Krisenprävention sowie humanitäre Hilfe. Sicherheitspolitik sollte umfassend verstanden werden und dies sich auch im Haushalt des Bundes widerspiegeln. Im Fokus der haushaltspolitischen Entscheidungen sollten die tatsächlichen Bedarfe und die Angemessenheit des Vorhabens stehen. Nur wenn wir in diesem Sinne in den Frieden investieren, werden wir tatsächlich mehr Sicherheit erreichen können. Mehr Sicherheit erreichen wir nicht durch das Verfolgen des 2%-Ziels der NATO-Staaten, sondern durch gezielte Investitionen in die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro nur für die Bundeswehr, genauso wie die Kürzung von Haushaltsmitteln für die soziale Sicherung zu Gunsten der Aufrüstungsfinanzierung sind nicht zielführend. Zusätzliche Mittel für die Bundeswehr kommen erst nach einer umfassenden Prüfung der Verwendung bereits vorhandener Mittel des Bundesverteidigungsministeriums in Betracht. Zusätzliche Mittel im Bereich Verteidigung müssen mit klarer Zielvorgabe, unter maßgeblicher Berücksichtigung eines erweiterten Sicherheitsbegriffs eingesetzt und deren Einsatz parlamentarisch kontrolliert werden. Wichtig ist zudem, das in Teilen dysfunktionale Beschaffungswesen zu verbessern. Zugleich braucht es endlich eine strukturelle Antwort auf das zunehmend transparent werdende Rechtsextremismus-Problem der Bundeswehr. Nicht zuletzt geht es jetzt darum, den krisenresilienten Ausbau der Verkehrs- und Energiewende zu ermöglichen, die die Grundlage unserer energie- und sicherheitspolitischen Unabhängigkeit sind. Wir nehmen für die nächsten Jahre 200 Milliarden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in die Hand, um unsere Energiesicherheit zu erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen, 

Lisa Paus 

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