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Lisa Paus
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Frage von Siegfried S. •

Frage an Lisa Paus von Siegfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Paus!

wie man beim http://ccc.de/de/updates/2011/gluecksspiel und an anderen Stellen lesen kann, sind die unsäglichen Netz-Sperren, die in Form des Zugangserschwerungsgesetzes grade ad acta gelegt wurden, auf anderem Weg wieder im Gespräch.

Mir ist bewußt, daß Sie als Bundestagsabgeordnete keinen Einfluß auf die Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten der Länder haben - das ist auch gar nicht Thema meiner Frage.

Mich interessiert vielmehr, ob Sie diese Verfahren noch zeitgemäß finden: geheime Hinterzimmergespräche unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Abgeordnete der Länder können nur noch zustimmen. aber keinerlei Einfluß auf den Vertragstext mehr nehmen, der nach Verabschiedung ja Gesetzesrang hat. Und der gemeine Bürger steht dann wieder fassungslos vor dem Unsinn, der da verzapft wird...

Stimmen Sie mir zu, daß die Art und Weise, wie Staatsverträge heute entstehen, intransparent und damit nicht mehr zeitgemäß ist?

Würden Sie sich wenn schon nicht für eine Abschaffung, dann aber für eine wesentlich transparentere Art solcher Staatsverträge und vor allem deren Entstehung einsetzen?

Vielen Dank für möglichst kurzfristige Antwort :-)

Mit Grüßen aus der Pfalzburger Straße

S. Schlosser

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Sehr geehrter Herr Schlosser,

danke für Ihre Frage! Ein "aktueller Begriff" der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages beschreibt gut die formale Argumentation der Länderregierungen, warum die Mitwirkung von Landesparlamenten in der Verhandlungsphase von Länderstaatsverträgen zuerst schwierig ist: (www.bundestag.de/dokumente/analysen/2007/Staatsvertraege_zwischen_den_Bundeslaendern.pdf)

Wir Grünen sehen die wenigen Verfahrensvorschriften als Spielraum, um die Verfahren für Länderstaatsverträge deutlich transparenter zu machen. Im Oktober 2012 haben die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, in diesem Jahr 2013 einen Entwurf für einen neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) zu erarbeiten. Unsere grüne Bundesdelegiertenkonferenz in Hannover hat dazu ein wesentlich transparenteres Verfahren gefordert: (www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Beschluesse/Verschiedenes-Jugendmedienschutz-Beschluss-BDK-11-2012.pdf)

Ein neuer Anlauf für einen neuen JMStV sollte mit offenen Dialogrunden im
Multi-Stakeholder-Verfahren beginnen, um Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik gleichermaßen einzubinden. So können am besten die mögliche Probleme diskutiert, Ideen ausgetauscht und Ziele benannt werden. Erst mit dieser Vorbereitung sollten die Staatskanzleien einen neuen Entwurf schreiben. Das Scheitern des letzten Versuchs zur Novellierung 2010 an den breiten gesellschaftlichen Konflikten macht klar: Hinterzimmerverfahren sind heute nicht mehr akzeptabel.

Gespräche mit meinen fachpolitischen KollegInnen und unserer grünen Staatskanzlei in Baden-Württemberg lassen mich vermuten: der neue Anlauf für einen neuen JMStV wird dem Wahlkampf zum Opfer fallen. Auch die von uns geforderten Dialogrunden kommen erst nach der Bundestagswahl im September 2013. Wir Grünen stehen aber für alle Fälle bereit und setzen uns für ein wesentlich besseres Verfahren ein.

Eine grundsätzliche Position zu Verfahren bei Länderstaatsverträgen unabhängig vom Einzelfall haben wir als Grüne nicht. Dass Parlamente nicht ordentlich in Verhandlungen der Exekutive eingebunden sind, kenne ich allerdings zur Genüge. In meiner Zeit im Berliner Abgeordnetenhaus haben wir darum gekämpft, als Parlamentarier an den Vereinbarungen zwischen dem Bund und der EU-Kommission über die Aufteilung von EU-Strukturfondsmitteln beteiligt zu werden. Die Länder sind nämlich daran zu beteiligen. Als Parlamentarier hatten wir jedoch lediglich Informationsrechte. Das finde ich falsch, es wurde aber leider z.B. vom sächsischen Verfassungsgericht für rechtens erklärt.

Heute im Bundestag ist das immer noch ähnlich. Angela Merkel und die Bundesregierung versuchen sich möglichst wenig in die Karten schauen zu lassen. In einer Rede hat die Bundeskanzlerin eine enge Abstimmung unter den Exekutivspitzen innerhalb der EU sogar zum neuen Prinzip erhoben. Diese sogenannte "Unionsmethode" steht aber sehr im Gegensatz zu mehr Transparenz und parlamentarischer Entscheidung wie wir Grüne sie fordern. Zum Glück hat uns das Bundesverfassungsgericht dabei den Rücken gestärkt und bestätigt: Was wir fordern ist das gute Recht des Bundestages. Im Juni 2012 hat das höchste Gericht einer Klage meiner Bundestagsfraktion voll statt gegeben:
(www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20120619_2bve000411.html) Zum Beispiel für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und die weitere Eurorettung konnten wir bessere Zusagen für Informationen an alle ParlamentarierInnen und damit für die öffentliche Debatte erreichen.

Unabhängig von begrenzten offiziellen Mitwirkungsrechten können ParlamentarierInnen solche Informationsrechte dazu benutzen, gemeinsam mit engagierten BürgerInnen Politik gegen das gesellschaftliche Interesse zu verhindern. Aktuell ist mit Winfried Kretschmann das erste Mal ein Grüner Präsident des Bundesrates. Ich fände es gut, wenn die grün geführte Landesregierung diese Möglichkeit nutzt, intransparente Verfahren auf die Tagesordnung zu bringen und möglichst zu ändern.

Mit freundlichen Grüßen
Lisa Paus

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