Frage an Lisa Paus von Martin H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Paus,
als Mitglied des Finanzausschusses wende ich mich in folgender Sache an Sie.
Kürzlich entnahm ich der Presse, das am 03.10.2010 die letzte Rate, der Reparationsleistung aus dem 1ten Weltkrieg gezahlt wird. In Anbetracht das der 1te Weltkrieg fast einhundert Jahre her ist, stellt sich mir die Frage:
Sind die Verpflichtungen aus dem 2ten Weltkrieg schon bezahlt?
Im Voraus vielen Dank
Hochachungsvoll
Martin Halweg
Sehr geehrter Herr Halweg,
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe recherchiert und kann Ihnen auf Basis verschiedener Gutachten folgende Antwort liefern:
Im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 akzeptierte die Bundesregierung deutsche Vor- und Nachkriegsschulden in Höhe von 14,5 Milliarden DM, rückzahlbar in jährlichen Raten von zunächst 567, dann 765 Millionen DM. Die erste Rückzahlungsrate im Jahre 1953 betrug 563 Millionen. Die Rate erhöhte sich vertragsgemäß nach fünf Jahren auf 765 Millionen DM. Mit den laufenden Zahlungen waren bis 1983 fast alle Auslandsschulden beglichen; bereits 1973 waren die Nachkriegskredite Frankreichs und Großbritanniens getilgt. 1988 erfolgte eine letzte Zahlung, mit der dann die Nachkriegsschulden gegenüber den USA beglichen waren. Im Jahre 2002 zahlte die Bundesrepublik eine Rate in Höhe von 4,1 Millionen Euro; weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 95 Millionen Euro sind im Jahre 2010 abschließend erfolgt. Es ist somit ein Schlussstrich unter alle bekannten finanziellen Forderungen der Alliierten aus den beiden Weltkriegen.
Anders als nach dem Ersten Weltkrieg verpflichteten die Alliierten des Zweiten Weltkrieges Deutschland zu Reparationen in Gestalt von Sachleistungen. In dem Abkommen von Jalta vom 11. Februar 1945 beschlossen die USA, Großbritannien und die Sowjetunion, dass Deutschland die angerichteten Schäden weitestgehend in Form von Waren ersetzen soll. Dies sollte in Gestalt von Entnahme der Sach- und Geldwerte in Deutschland und aus deutschen Investitionen im Ausland, jährlichen Warenlieferungen aus der laufenden Produktion und Verwendung deutscher Arbeitskraft geschehen.
Das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 sah ebenfalls vor, dass Reparationsverpflichtungen Deutschlands durch Demontagen und Entnahmen aus der laufenden Produktion nachgekommen wird. Die Westmächte beschränkten ihre Ansprüche auf das deutsche Auslandsvermögen. Im Pariser Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 wurde der westliche Reparationsanteil unter 18 Staaten aufgeteilt, wobei die Reparationsansprüche über die Interallied Reparation Agency (IARA) abgewickelt wurden. Insgesamt wurden über die IARA rd. 520 Mio. Dollar (Kurswert 1938) verteilt.
1952 wurde das Luxemburger Abkommen beschlossen, in dem Warenlieferungen im Wert von 3,0 Milliarden DM an Israel und die Zahlung von 450 Millionen DM an die Jewish Claims Conference vereinbart wurden. Die Zahlungen waren in einem Zeitraum von 14 Jahren abzuwickeln und sollten zum Großteil durch Lieferung von Waren und Rohstoffen erfolgen.
Im Überleitungsvertrag von 1952/1954 zwischen der Bundesrepublik und den Westmächten verpflichteten sich die Alliierten, zu keiner Zeit Forderungen auf Reparationen aus der laufenden Produktion der Bundesrepublik geltend zu machen (Teil VI Art. 1). Mit den darauf folgenden Pariser Verträgen vom 23. Oktober 1954 waren die deutschen Reparationszahlungen gegenüber den Westmächten abgeschlossen. Die an die Sowjetunion geleisteten Reparationen beliefen sich nach westlichen Berechnungen auf 13 Mrd. Dollar und stellten größtenteils Sachleistungen dar. Am 1. Januar 1954 verzichtete die sowjetische Regierung auf weitere Reparationsleistungen gegenüber der DDR. Bereits in den Erklärungen aus dem Jahr 1953 verzichteten die Sowjetunion und Polen auf die Reparationen gegenüber ganz Deutschland.
Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 sah hinsichtlich der aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland deren Zurückstellen „bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage“ vor. Jedoch wurde weder im Londoner Schuldenabkommen noch in dem zwischen der Bundesrepublik und den Westalliierten geschlossenen Überleitungsvertrag geregelt, wann die endgültige Regelung der Reparationsfrage zu erfolgen hat. Ansprüche auf Reparationsleistungen gegen das seit 1990 wiedervereinte Deutschland können nur aufgrund von Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen eines friedensvertraglichen oder
eines sonstigen Abkommens entstehen. Derzeit gibt es solche vertraglichen Vereinbarungen zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern nicht, sodass keiner der ehemaligen Kriegsgegner gegen Deutschland keinen weiteren Anspruch auf Reparationsleistungen geltend machen kann.
Reparationszahlungen sind jedoch nicht die einzigen Verpflichtungen, die Deutschland aufgrund des Krieges zu leisten hat. Bis heute werden Entschädigungen an die Opfer des NS-Regimes gezahlt. Die Entschädigung des größten Teils der Zwangsarbeiter ist noch nicht erfolgt, da die deutsche Wirtschaft erst im März 2001 ihren Anteil von fünf Milliarden DM für den Fonds der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" eingezahlt hat. Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Teil der Millionen Zwangsarbeiter nie in den Genuss einer bescheidenen Entschädigungssumme kommen wird, denn allein in den beiden vergangenen Jahren sind bereits über 100 000 Menschen aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten gestorben.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Frage damit beantworten. Wenn Sie sich noch weitergehend informieren möchten, kann ich Ihnen folgende Quellen nahelegen:
Bericht des BMF – 50 Jahre Londoner Schuldenabkommen
http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_1928/DE/BMF__Startseite/Service/Downloads/Abt__I/17087__0,templateId=raw,property=publicationFile.pdf
Bundeszentrale für politische Bildung:
http://www.bpb.de/publikationen/JNSEQM,0,0,Wiedergutmachung.html
Auswärtiges Amt:
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/InternatRecht/Entschaedigung.html
Bundesfinanzministerium (Bericht über die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“)
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
http://www.stiftung-evz.de/
mit freundlichen Grüßen
Lisa Paus