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Lisa Badum
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Frage von Klaus S. •

Frage an Lisa Badum von Klaus S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Badum,

in dieser Woche sagten Sie in einem Interview "Man muss den Leuten sagen, dass apokalyptische Zustände auf sie zukommen". Ist das nicht Angstmacherei? Die C02-Theorie nimmt schon religiöse Züge an! Das Klima wandelte sich erdgeschichtlich immer. Warum wird der menschliche Einfluß auf das Klima durch immer mehr Bodenversiegelung(dunkle Dächer und Straßen), sowie Reduzierung der Luftverschmutzung(!) und dem großflächigen Abholzen der Wälder (nicht nur) in den Tropen von Ihrer Partei nicht berücksichtigt?
Ist nicht die rapide steigende Weltbevölkerung der Hauptgrund, und was will Ihre Partei eigentlich dagegen tun?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Singer,

haben Sie herzlichen Dank für Ihr Interesse.

Eine um 4°C wärmere Welt wird apokalyptische Zustände auslösen. Und auf eine solche Welt rasen wir gerade zu. Wir sprechen hier über mehr Extremwetter-Ereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Hurrikane, über steigende Meeresspiegel, sterbende Korallenriffe, versauernde Meere, und, in besonderem Maße, über drohende Kipppunkte wie abschmelzende Polkappen, auftauende Permafrostböden, austrocknende Regenwälder, kollabierende boreale Wälder und schmelzende Inlandgletscher. Diese Kipppunkte verselbstständigen die Klimakrise, entziehen sie unserer Kontrolle und lassen sie damit zur unberechenbaren Klimakatastrophe werden. Sich schnell und stark verändernde klimatische Umstände werden Millionen Menschen zur Flucht zwingen, bestehende Ressourcenknappheit wird sich weiter zuspitzen, Konflikte um schwindende Ressourcen wie Land, Nahrungsmittel und Trinkwasser werden zunehmen. Die Bereiche, in denen die planetaren Belastungsgrenzen bereits dramatisch überschritten sind, wie das Artensterben und der Verlust fruchtbarer Böden durch Überdüngung, werden durch die Klimakrise zusätzlich verschärft.

Ja, das macht Angst. Greta Thunberg drückte es beim Weltwirtschaftsforum in Davos so aus: "I don’t want you to be hopeful. I want you to panic. I want you to feel the fear I feel every day. I want you to act. I want you to act as you would in a crisis. I want you to act as if the house is on fire, because it is." Es ist nicht Angstmacherei, die Fakten zu nennen. Es ist fahrlässig, weiterhin so zu tun, als sei alles unter Kontrolle. Es gibt bereits einen neuen Ausdruck für die Panik, die insbesondere junge Menschen verspüren, wenn sie an die Zukunft denken: climate anxiety. Wir müssen diese Klimaangst zulassen. Wir müssen zulassen, dass wir uns um die Welt sorgen, wir müssen uns mit den schrecklichen und bedrohlichen Fakten beschäftigen. Wir müssen uns davon berühren lassen. Und dann müssen wir ins Handeln kommen.

Was Sie "CO2-Theorie" nennen, ist seriöse Wissenschaft. Der Treibhauseffekt ist ein recht simpler und leicht verständlicher Effekt, die Klimamodelle der Vergangenheit haben sich bisher als zutreffend erwiesen. Wissenschaftler*innen können die Naturgesetze verstehen. Sie sind in der Lage, die physikalischen Grundlagen des Klimawandels zu erklären - genauso, wie sie etwa auch die Schwerkraft erklären können. Wenn Sie dieses physikalische Grundlagenwissen anzweifeln, müssen Sie in Zukunft die Dinge in Ihrer Umgebung gut festhalten.

Dass das Klima sich immer gewandelt hat und weiter wandeln wird, steht außer Frage, kein*e seriöse*r Klimawissenschaftler*in wird das je bezweifeln. Einmalig in der Klimageschichte ist allerdings die Geschwindigkeit des Wandels. Wir leben mittlerweile im Anthropozän, in einem Erdzeitalter, in dem der Mensch den Verlauf der Erdgeschichte verändert. Wenn sich innerhalb von 200 Jahren die Durchschnittstemperatur der Erde um 3-5°C erhöht, werden sich weite Teile der Biosphäre nicht anpassen können und ganze Ökosysteme kollabieren - mit unvorhersehbaren Folgen für das Überleben der menschlichen Zivilisation. Letzten Endes ist Klimaschutz konsequenter Menschenschutz.

Der menschliche Einfluss auf Klima und Umwelt durch Bodenversiegelung und Abholzung von Wäldern ist meiner Fraktion und mir vollständig bekannt und bewusst. Mich erstaunt Ihre Aussage, wir GRÜNE würden diese Effekte nicht berücksichtigen - meines Wissens sind wir die einzige Fraktion/ Partei, die Klima- und Umweltschutz zusammendenkt und konsequent angeht.

Zu Ihrem letzten Punkt, ob nicht die zunehmende Weltbevölkerung das eigentliche Problem darstellt: Das Problem ist nicht der Lebensstil vieler Menschen im globalen Süden, sondern der ressourcen- und CO2-verschwenderische Lebensstil weniger Menschen im globalen Norden. Wieso sollten verhältnismäßig viele Menschen in ihren Menschenrechten eingeschränkt werden (und das Recht, Kinder in gewünschter Anzahl zu bekommen, ist ein solches), damit verhältnismäßig wenige Menschen ihren Lebensstil nicht ändern müssen? Tatsächlich nimmt die Wachstumsrate der Weltbevölkerung gar nicht mehr zu, sondern hat ihren Höhepunkt bereits erreicht. Die Weltbevölkerung wächst zwar noch, aber wie bei einem bremsenden Auto handelt es sich nur noch um einen Trägheitseffekt, die Bremse ist sozusagen schon gezogen und sie wirkt. Zunehmend gebildetere Frauen im globalen Süden, die sich von patriarchalen Werten emanzipieren, bekommen im Durchschnitt meist nur noch bestandserhaltende 2-3 Kinder. An der Schraube der Bevölkerung drehen zu wollen wird also effektiv nichts ändern. Um Änderungen im Lebensstil werden wir hingegen nicht herumkommen.

Mit freundlichen Grüßen
Lisa Badum

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