Frage von Angela K. •

Warum wurde die Long COVID Off Label Liste nicht für Patienten mit MECFS, das nicht im Zusammenhang mit Corona steht freigegeben?

Es widerspricht der Gleichbehandlung von Patienten.

Ich bin seit 30 Jahren erkrankt,PG4 inzwischen. Erkrankt nach Pfeifferschen Drüsenfieber 1994.

Wir Betroffenen haben Medikamente auf eigenes Risiko ausprobiert, Infos an die Charité etc weiter gegeben. Wir haben Geld gesammelt für die BC007-Studie an MECFS, zu dem es nirgends Auskunft gibt,was mit dem Geld geschehen ist.

Der Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gehört zum ersten Abschnitt (Grundrechte) und garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung der Geschlechter und verbietet Diskriminierung und Bevorzugung aufgrund bestimmter Eigenschaften.

Deutschland diskriminiert uns und ist damit anzeigbar. Die Frage ist wo? EU? Ethikrat?

Bitte um Antwort und Auskunft, danke.

Portrait von Linda Heitmann
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrte Frau K.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. 

Wie Sie sicher mitverfolgt haben, wurde im Herbst 2023 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) der Runde Tisch für Long COVID und ME/CFS eingerichtet, um sich speziell damit auseinanderzusetzen, wie die Situation für jene Menschen konkret verbessert werden kann, die in Folge einer Covid-19-Pandemie an postviralen Erkrankungen leiden. In regelmäßigen Treffen diskutieren dort seitdem Vertreter*innen aus der Wissenschaft, Betroffenenorganisationen, Ärzt*innenschaft, den Krankenkassen sowie aus der Politik intensiv die eng zusammenhängenden Themen Long-COVID, Post-COVID, Post-Vac-Syndrom sowie ME/CFS als eine der postviralen Erkrankungen in Folge einer Covid-19-Infektion. Sie loten konkret Handlungsmöglichkeiten aus, um die Versorgung zu verbessern. So ist auch die von Ihnen angesprochene Liste von Arzneimitteln ein konkretes Ergebnis dieses Runden Tisches, da das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte damit beauftragt hat, eine Liste von Arzneimitteln zu erarbeiten, die im Off-Label-Use verordnet werden können. 

Zur fachlich-wissenschaftlichen Beurteilung wurde vom BMG eine Expertengruppe einberufen, die ihre Geschäftsstelle beim BfArM hat. In ihrer Sitzung am 17. September 2024 hat die Expertengruppe einen Therapie-Kompass (https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/ZulRelThemen/therapie-kompass.pdf?__blob=publicationFile) veröffentlicht, in dem unter anderem auf die zu bewertenden Wirkstoffe für den Off-Label-Use verwiesen wird. Da die Evidenzermittlung für den Off-Label-Use der genannten Wirkstoffe noch läuft, gibt es derzeit noch keine zugelassenen Medikamente für den Off-Label-Use. Sobald die Evidenzermittlung abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Zulassung/Zulassungsrelevante-Themen/Expertengruppe-Long-COVID-Off-Label-Use/_artikel.html.

Diese Liste dient dann auch als Empfehlung für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der Ausnahmen definieren kann, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Medikamente im Off-Label-Use übernehmen. Die Entscheidung, diese Liste auf Patient*innen mit ME/CFS bedingt durch Long-COVID zu beschränken, wurde im BMG und im BfArM getroffen. Auch die Entscheidung, welche Wirkstoffe für einen Off-Label-Use geprüft werden, wird auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse getroffen, sodass der Bundestag keine Einflussmöglichkeiten hat. Ich kann Ihren Unmut über diese Beschränkungen nachvollziehen. Wir befinden uns dahingehend mit dem BMG in engem Austausch. Allerdings sind generell die Richtlinien zur Zulassung von Medikamenten, auch für den Off-Label-Use, recht eng. Dies hat den Grund, dass langfristige Schädigungen auf jeden Fall vermieden werden sollen.

Mir ist als Politikerin wichtig, dass stets gut geprüft und abgewogen wird, welche Nebenwirkungen und Folgeschäden Medikamente für welche Patient*innengruppen haben können. Dass dies für Erkrankte ernüchternd ist, die oft sehnsüchtig auf die schnelle Zulassung bestimmter Medikamente warten, die erfolgversprechend scheinen, ist mir bewusst. 

Gerade in dem von Ihnen angesprochenen Fall des Off-Label-Uses der Medikamente, die jetzt für ME/CFS-Erkrankte speziell nach einer Covid-19-Infektion zur Verfügung stehen, mache ich mich dafür stark, dass hier vordringlich auch geprüft wird, ob und dass diese auch für jene ME/CFS-Erkrankten zur Verfügung stehen könnte, deren Erkrankung durch andere virale Krankheiten ausgelöst wurden.

Nicht zuletzt durch zahlreiche Schreiben von Bürger*innen wie Ihnen, aber auch durch unseren kontinuierlichen Austausch mit Betroffenenorganisationen wissen wir um die großen Einschnitte im Leben sowie die schwierige Lage, in der Betroffene und ihre Angehörigen durch ihre Einschränkungen im Alltag und zum Teil den dauerhaften Pflegebedarf sind.

Für uns als grüne Bundestagsfraktion ist es daher ein wichtiges Anliegen, die Versorgung von ME/CFS-Erkrankten sowie Betroffenen von allen Symptomatiken, die sich unter anderem durch Long-COVID, Post-COVID und Post-Vac-Syndrom einstellen, zu verbessern und die Forschung sowie die Therapieentwicklung zu postviralen Krankheitsbildern insgesamt zu fördern.

Mit grüner Regierungsbeteiligung haben wir in dieser Legislatur die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt. Nicht zuletzt haben ME/CFS und Long-COVID als zwei Krankheitsbilder erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden. Als Regierungskoalition haben wir seit Beginn der Legislatur eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern.

Für uns Grüne ist es ein ganz zentrales Anliegen, die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde 2023 eine Richtlinie zur standardisierten Diagnostik von Long COVID und Krankheitsbildern mit starken Erschöpfungszuständen wie etwa ME/CFS veröffentlicht, welche durch das Krankenhausentlastungsgesetz 2022 durch die Regierungskoalition in Auftrag gegeben wurde.

Außerdem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um den Betroffenen einen ersten Anlaufpunkt zu geben und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote adäquat zu informieren und zu beraten. Eine erste Anlaufstelle stellt auch die eingerichtete Webseite (https://www.bmg-longcovid.de/service) des BMG dar, die aktuelle Informationen zu Long-COVID und Post-COVID, aber auch ME/CFS, bündelt und neben einer Liste an aktuellen Beratungs- und Unterstützungsangeboten auch mehrsprachige Informationen sowie telefonische Beratung für Erkrankte und Ärzt*innen anbietet.

Während für 2022 und 2023 Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro bereitgestellt und bewirtschaftet wurden, konnten wir trotz angespannter Haushaltslage in den letzten Haushaltsverhandlungen für 2024 bis 2028 über 200 Millionen Euro für Forschungsförderung zum Krankheitsbild selbst sowie zu Medikamenten und Therapien veranschlagen. So können nicht nur neue Forschungsvorhaben finanziert werden, sondern auch die Finanzierung von bereits laufenden Forschungsprojekten ist gesichert, darunter die Projekte im Rahmen der der Nationalen Klinischen Studiengruppe (NKSG) wie z.B. die klinische Studie an der Charité Berlin, in der die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-COVID und ME/CFS erforscht wird.

Für die Zukunft lässt sich unabhängig von der Zusammenstellung einer kommenden Bundesregierung festhalten, dass die in den vergangenen Haushaltsdiskussionen vereinbarten Mittel bis 2028 auch weiterhin Geltung haben, d.h. ausgegeben werden können. Förderbekanntmachungen sind hierbei bereits veröffentlicht und es sind bereits Bewerbungen von verschiedenen Projekten für die Fördermittel eingegangen. Sollte eine Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen an einer kommenden Regierung beteiligt sein, so kann ich Ihnen versichern, dass wir uns weiterhin für die Belange der Betroffenen von Long COVID und ME/CFS einsetzen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Linda Heitmann, MdB

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