Art. 3 GG sieht d. Gleichberechtg. zw. d. Geschlechtern vor. Nach d. neuen StAG kann ein Iman zkft. eingebürgert werden, wenn er einer Frau d. Handschlag verweigert. Gilt hier Art. 3 GG nicht mehr?
Sehr verehrte Frau Heitmann,
im GG ist geregelt, daß Frauen und Männer gleichberechtigt sind.
Im alten StAG galt nach § 10 unter anderem, daß ein Bewerber um die deutsche Staatsangehörigkeit seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet. Ein Mann, der aus religiösen Gründen einer Frau nicht die Hand geben mag, konnte bis dato nicht eingebürgert werden. Dies entschied auch das VGH BW (Urteil v. 20.08.2020, Az. 12 S 629/19).
Im neuen StAG soll diese Praxis nun geändert werden (welt.de/politik/deutschland/plus249573802/Deutsche-Staatsbuergerschaft-Handschlag-Verweigerung-soll-Einbuergerung-nicht-verhindern.html).
Wäre das StAG damit noch kongruent mit dem GG? Sollte das Staatsziel der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern nicht eigentlich Vorrang haben?
MfG NR+++
Lieber Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Um direkt auf Ihre Frage zu antworten: Auch nach seiner Modernisierung bleibt das Staatsangehörigkeitsgesetz mit dem Grundgesetz, im Speziellen mit dem von Ihnen erwähnten Art. 3, vollkommen kongruent. Mit der Gesetzesnovellierung haben wir vielmehr die schwammige Formulierung der "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" konkretisiert. Dementsprechend ist beispielweise eine Einbürgerung im Falle einer Mehrehe ausgeschlossen. Die Einbürgerung wird zudem auch verweigert, wenn der*die Bewerber*in durch ihr*sein Verhalten zeigt, dass er*sie die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau missachtet.
Das Verzichten auf einen Handschlag aus religiösen Gründen allein stellt jedoch nicht zwingend eine Verletzung dieses Grundsatzes dar. Die Frage, wie wir uns begrüßen, ist zwar eine kulturelle Tradition, aber keine, die in irgendeiner Form im Grundgesetz normiert ist. Sowohl im Islam als auch im Judentum oder Hinduismus gibt es andere Formen des respektvollen Grüßens als den Handschlag, bei denen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau durchaus gewährleistet sein können - wie etwa, dass die Hand aufs Herz gelegt wird oder dass man sich verbeugt. Immer wieder kommt es auch vor, dass auch Frauen aus religiösen Gründen einen Handschlag verweigern oder manchen diese Art der Berührung schlichtweg unangenehm ist.
Sie fragen explizit nach Imamen, lassen aber außer Acht, dass diese Handlungsweise auch bei anderen Religionen vorkommt. So beispielweise bei manchen orthodoxen Jud*innen oder im Hinduismus. Hier gibt es viele verschiedene Formen des respektvollen Grüßens, die vom Küsschen auf die Wange, über tiefes Verbeugen und Handküssen bis hin zum Berühren der Füße reichen.
Deutschland ist ein offenes Land, in dem verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Weltansichten und Lebensstilen ihr Zuhause haben. Dazu gehören auch Muslim*innen, genau wie auch Jüd*innen und andere Religionsgruppen. Als Gesellschaft und als Gesetzgeber sind wir dazu angehalten, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass ein respektvolles, friedliches Miteinander möglich ist. Oberste Prämisse ist dabei stets die Einhaltung des Grundgesetzes. Mit der Gesetzesnovelle schaffen genau diesen Rahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Linda Heitmann, MdB