Leni Breymaier MdB, Fotograf: Fionn Große
Leni Breymaier
SPD
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Frage von Jens R. •

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren?

Sehr geehrte Frau Breymaier,

wie können Sie eine Impfpflicht mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes vereinbaren? Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff in das Immunsystem. Dazu bedarf es der zwanglosen und freiwilligen Einwilligung des Patienten. Eine Impfpflicht widerspricht dem Freiwilligkeit und es entstehen Zwänge. Natürlich hofft man mit einer Impfpflicht Pandemien zu verhindern, jedoch kann und darf das Individualrecht nicht ausgehelbelt werden. Ganz zu Schweigen von den Vertrauensverlusten in die Ärzte, die ja die Patienten zwangsbehandeln müssen. Von dem Problemen mit dem Nürnberger Kodex ganz zu schweigen.
Ich würde mich über eine Rückmeldung mit Ihrer Meinung dazu freuen und hoffe inständig, daß Sie sich gegen eine Impfpflicht entscheiden werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jens. R.

Leni Breymaier MdB, Fotograf: Fionn Große
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. R.,

vielen Dank für Ihre Frage und kritischen Gedanken zur Impfpflicht.

Öffentlich habe ich mich bereits für die Impfung und für die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ausgesprochen. Meiner Entscheidung ist ein ausführlicher Abwägungsprozess vorausgegangen: Es gab intensive Austausche mit Expert:innen und Fachpolitiker:innen, aber auch meine ganz persönlichen Erfahrungen spielten dabei eine Rolle.

In Ihrer Frage beziehen Sie sich vermutlich nicht auf Artikel 1 des Grundgesetzes (GG), sondern auf Artikel 2 GG, denn der Artikel 1 des GG.

Durch eine Impfpflicht werden Grundrechte nicht abgeschafft, sondern lediglich eingeschränkt. Ein geregeltes Zusammenleben in einer Gesellschaft erfordert oftmals eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Grundrechtspositionen. So ist auch das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG durch ein Parlamentsgesetz einschränkbar und gilt nicht absolut. Die Voraussetzung ist, dass eine Impfpflicht als staatlicher Eingriff als verhältnismäßig angesehen wird. Dies sehen viele Verfassungsrechtler:innen als gegeben an. Denn im Art. 2 des GG ist nicht nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sondern auch das Recht auf Leben geregelt. Wenn mit einer Impfung das eigene Leben und das Leben anderer geschützt werden kann, kann diese Impfung nicht nur moralisch, sondern unter Umständen auch rechtlich geboten sein. Selbstverständlich wird auch auf individuelle Risiken eingegangen: Wer sich beispielsweise aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann, kann von einer Impfpflicht befreit werden. Niemand wird durch polizeilichen Zwang geimpft werden. Impfpflicht ist kein Impfzwang.

In Deutschland wird ein Impfstoff nur zugelassen, wenn er alle drei Phasen des klinischen Studienprogramms erfolgreich bestanden hat. Diese nationalen und internationalen Qualitätsstandards gelten wie bei allen anderen Impfstoff-Entwicklungen auch bei der Zulassung einer Coronavirus-Impfung. Alle bisher in Europa zugelassenen Impfstoffe bieten einen guten, wenn auch, wie wir inzwischen wissen, zeitlich begrenzten, Schutz und werden daher von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Dass die Zahl der Impfdurchbrüche steigt, liegt nicht an der vermeintlichen Unwirksamkeit der Impfung. Die Wirksamkeit der Impfstoffe ist sehr hoch, auch wenn die Wirksamkeit nicht bei 100 Prozent liegt. Obwohl die Impfstoffe sehr wirksam sind, können sie aber nicht alle Infektionen bei Geimpften verhindern. Die Impfstoffe sorgen aber dafür, dass Infektionen deutlich weniger häufig vorkommen und dass Krankheitsverläufe, auch schwere Verläufe, bei Geimpften sehr selten werden.

Leider können Nebenwirkungen nach Impfungen nie ausgeschlossen werden. Auch etablierte Impfstoffe haben Nebenwirkungen. Wichtig dabei ist, diese genau zu kennen. Denn nur dann ist eine sichere Entscheidung möglich, für welche Person der Impfstoff unbedenklich ist und wer mehr Nutzen als Risiken durch eine Impfung hat. Eine zentrale Aufgabe des Prüf- und Zulassungsverfahrens ist es, die Nebenwirkungen klar beschreiben zu können. Hierzu gehört eben auch, benennen zu können, für welche Personengruppen und in welchem Ausmaß diese auftreten können. Grundsätzlich ist es aber auch so, dass nach einer Zulassung ein neu eingesetzter Impfstoff weiter beobachtet und beforscht wird. Denn manchmal lassen sich sehr seltene Nebenwirkungen erst nach der Zulassung erfassen.

Entschieden widersprechen möchte ich der oftmals gelesenen Behauptung, dass Impfschäden verschwiegen werden. Wenn es einmal tatsächlich zu einem seltenen Fall eines Impfschadens kommt, so regelt § 60 Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit von Schadensersatz. Seit kurzem haben Menschen, die den mRNA-basierten Impfstoffen kritisch gegenüberstehen, zudem die Möglichkeit sich den Impfstoff von Novavax, den proteinbasierten Impfstoff Nuvaxovid, impfen zu lassen.

Im Übrigen war auch ich der Überzeugung, dass mit der ersten bzw. zweiten Impfungen ein Schutz vor Covid-19 ein sehr hoher Schutz gewährt wäre. Doch aufgrund der stagnierenden Impfungen trotz der zahlreichen Informationen, Angebote und Impfkampagnen und der verschiedenen Mutationen des Virus ist die Wirksamkeit weniger anhaltend als gedacht. Es muss allen klar sein: Die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie. Nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung können wir dieses Virus besiegen - und zwar nicht nur national, sondern auch international. Hier sind Solidarität und Verantwortung für die gesamte Gesellschaft gefragt.

Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist für den Deutschen Bundestag und Bundesregierung sicherlich kein gesetzgeberischer Alltag. Daher darf der Prozess der Debatte, Abwägung sowie Begründung auch nicht alltäglich sein. Eine Vielzahl von Gesprächen mit Bürger:innen, Expert:innen, Wissenschaftler:innen und vielen mehr sind daher notwendig - die schon geführt wurden und werden. Es gibt verschiedene Konzepte, die im Parlament dazu beraten werden.

Herr Dr. R., in den letzten Monaten habe ich sehr viele Zuschriften auf den unterschiedlichen Wegen zum Thema Impfpflicht erhalten. Ich nehme Ihre kritischen Worte, Ängste und Sorgen sehr ernst. Sie wurden gehört. Aber seien Sie sich bitte versichert, dass es keine Missachtung des Grundgesetzes stattfindet.

Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie gesund

Leni Breymaier

 

Mehr Informationen zur Debatte rund um die Impfpflicht erhalten Sie u.a. auf der Webseite vom Deutschen Bundestag unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw12-pa-gesundheit-883036 und auf der Webseite der SPD-Bundestagsfraktion unter: https://www.spdfraktion.de/themen/impfpflicht-koennen-wir-pandemie-beenden 

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