Frage an Leni Breymaier von Bela M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter SPD Vorstand Breymaier,
Sie sagten, Frauen müssten frei entscheiden können ob Sie Kopftuch tragen oder nicht. Ich stimme zu. Das Grundgesetz garantiert diese Religionsfreiheit.
In dem Sie ein Verbot von Kopftüchern fordern, mit Gründen wie einen angeblichen Kulturkampf, hat eine Frau KEINE FREIE ENTSCHEIDUNG mehr.
Warum ist ein Kopftuchverbot für Kinder und Heranwachsende Muslime, kein Gesetzesbruch des Grundgesetzes? Wie vereinbaren Sie diese Forderung mit der Religionsfreiheit?
Ihren Argumenten nach (unabhängig vom Wahrheitsgehalt), ist es eine Wahrnehmung, dass kein Kopftuch besser für Kinder ist.
Die gleiche Argumentation würde bedeuten, dass alle männlichen Kinder beschnitten werden müssen, weil Ärzte dieses als Gesünder wahrnehmen.
Woher nehmen Sie die Argumente für dieses Kopftuchverbot? Haben die Lehrer die Ihnen von "teilweise" passierten Geschehnissen erzählen, Sie zu dieser Forderung angeregt oder haben Sie auch stichhaltige Argumente?
Demokratie beinhaltet Religionsfreiheit.
In aktuellen Studien werden die Vorteile, die der Gesellschaft aus der Religionsfreiheit erwachsen, statistisch ausgedrückt. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise:
-"In einer pluralistischen Gesellschaft ist Religionsfreiheit ein Garant für größere Stabilität. Wo die Religionsfreiheit hingegen eingeschränkt wird, erhöht sich das Gewalttätigkeits- und Konfliktpotenzial."
-"Ein hohes Maß an Religionsfreiheit führt zu größerem wirtschaftlichen Wohlstand, besserer Gesundheit, einem geringeren Einkommensgefälle und stabileren demokratischen Strukturen."
-"Die Religionsfreiheit steht in direktem Verhältnis zu weiteren Bürger- und Menschenrechten, die der Bevölkerung gewährt werden.
Dies sind einige Auswirkungen der Religionsfreiheit, die zu einer gerechten und freien Gesellschaft beitragen, in der Spannungen ausdiskutiert werden und die Menschen trotz größter Unterschiede friedlich zusammenleben können. Das ist der Wesenskern jeder Demokratie.
Belal
Sehr geehrter Herr Mazda,
wir alle wünschen uns eine Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche in einer sicheren Umgebung aufwachsen und positive Erfahrungen machen, die sie in ihrer Entwicklung stärken. Kindergärten, Schulen und Hochschulen werden immer vielfältiger. Überall in Deutschland nehmen Pädagoginnen und Pädagogen diese Vielfalt als Herausforderung an und sorgen für ein faires Miteinander und gleiche Chancen für alle. Dennoch werden Kinder, Jugendliche und Studierende aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in Kindergärten, Schulen und Hochschulen benachteiligt. Darum ist es wichtig, Antidiskriminierung in Bildungseinrichtungen weiter zu verankern und Vielfalt und Chancengerechtigkeit zu stärken. Das sind wichtige Bildungsziele. Insofern ist ein konsequenter Diskriminierungsschutz für religiöse Menschen wichtig.
Doch es ist etwas anderes, ob erwachsene Frauen sich entscheiden, ein Kopftuch zu tragen oder ob es kleinen Mädchen vorgeschrieben wird.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskussion um Artikel 3 der Kinderrechtskonvention (Kindeswohl/best interest oft the child) und die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz, stehen Kindeswohl und Kinderschutz vor dem möglichen Interesse von Religionen, die Gesellschaft prägen zu wollen. Wobei zu berücksichtigen ist, dass das Kopftuch kein religiöses Symbol ist. Die Verschleierung von Kindern ist ein modernes Phänomen des islamischen Fundamentalismus.
Die mit der Verschleierung einhergehende frühe Indoktrination eröffnet Kindern bzw. Mädchen keine Wahlmöglichkeit. Diese aber ist ein grundlegendes Merkmal unserer freiheitlichen Gesellschaft, in der die betroffenen Kinder (Mädchen) leben und aufwachsen.
Gerne zitiere ich hier den Professor für Islamische Religionspädagogik und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Professor Dr. Mouhanad Khorchide, nach dessen Einschätzung kaum ein muslimisches Mädchen unter 14 Jahren aus eigener Motivation ein Kopftuch trägt: „In den meisten Fällen beeinflusst der Vater das Mädchen subtil dazu, Kopftuch zu tragen. Wir befinden uns in einer grauen Zone, in der weder von Freiwilligkeit noch von Unfreiwilligkeit gesprochen werden kann.“ (Die Welt, 11. April 2018)
In einem anderen Interview betont Khorchide: „Übrigens ist das Kopftuch für Kinder im Islam verpönt. Wenn die Mädchen erwachsen werden, können sie sich dafür oder dagegen entscheiden.“ (Deutschlandfunk Kultur, 5. Mai 2019)
Nach meiner Überzeugung ist die über das Kinderkopftuch transportierte frühe Sexualisierung von Kindern sehr kritisch, weil sie die körperliche Selbstbestimmung angreift und gegen die verfassungsmäßig garantierte Gleichberechtigung der Geschlechter verstößt. Europaweit ist bei den Frauenrechten eine Rolle rückwärts zu tradierten Frauen- und Mädchenbildern zu beobachten. Die über Jahrzehnte mühsam erkämpften Frauen- und Mädchenrechte aber sind zu achten und zu wahren. Denn sie sind und waren stets ein Demokratiezeiger.
Wir sind alle in der Integrationsdebatte gefordert, Position auch in schwierigen Fragen zu beziehen. Denkverbote, Schuldzuweisungen und Etikettierungen nach einem „Rechts-Links-Muster“ sind zu kurz gedacht und führen nicht weiter. Sie weisen nicht in die Zukunft, die wir alle neu gestalten. Hoffentlich mit offenem Blick.