Frage an Lena Strothmann von Jörg S. bezüglich Familie
50 % aller Trennungskinder verlieren nach Trennung und Scheidung binnen Jahresfrist den Kontakt zum anderen Elternteil.
Das derzeitige Rechtssystem unterbindet Umgangsboykott durch betreuende Elternteile praktisch nicht, sondern lädt, z. B. in der Rechtsprechung zum Sorgerecht, geradezu zur Kooperationsverweigerung ein. Sorgerechtsmißbrauch wird durch Gutachter, die Qualitätsstandards mißachten und simple Tatsachen falsch dokumentieren, vertuscht und durch das Jugendamt gedeckt.
Derzeit gilt: Je rücksichtsloser der betreuende Elternteil nach Trennung, desto unangreifbarer ist die Abhängigkeit des Kindes von diesem. Ein Pyrrhus-Sieg für Alleinerziehende, ein Fiasko für hunderttausende von Kindern in Deutschland.
Meine Fragen:
Befürwortet Ihre Partei die flächendeckende Einführung der Cochemer Praxis im Familienrecht?
Wird es Maßnahmen geben, um Scheingutachten in Sorgerechtsverfahren, die nur als Feigenblatt für eine schon vorher festliegende Entscheidung brauchbar sind, zu identifizieren und überflüssig zu machen? Was werden Sie/Ihre Partei dafür tun, daß möglichst allen Kindern beide Eltern erhalten bleiben?
Sehr geehrter Herr Schmitt,
wir prüfen den Spielraum für Gesetzesreformen im Bereich des Kindschaftsrechtes. Die Notwendigkeit zu einer Reform ist nahezu unbestritten. Vor allem wäre es sinnvoll, die Verfahrensdauer abzukürzen und das Berufsbild des Verfahrenspflegers zu präzisieren. Auch auf die von Ihnen dargelegte Problematik über Gutachten muss besser gelöst werden. Auf jeden Fall ist es notwendig, dass Familienrichter die Gelegenheit haben, sich fortbilden zu können. Gerade in der Anfangsphase des reformierten Kindschaftsrechtes waren Familienrichter, die dann Aufgaben der Vormundschaftsgerichte übernommen haben, überfordert.
Es gibt auch Ansätze, das sogenannte "Cochemer Modell", bundesweit bekannter zu machen. Eine gesetzliche Verankerung des Cochemer Modells erscheint mir jedoch in der von Ihnen gewünschten Form nicht zweckmäßig. Beim Cochemer Modell, das bisher im Landkreis Cochem-Zell angewandt wird, verpflichtet der Familienrichter die Beteiligten von vorneherein zu einem Konsens. 98 % der Verfahren enden demnach auch mit der gemeinsamen elterlichen Sorge. Ohne den Erfolg in ländlich geprägten Cochem-Zell schmälern zu wollen, ist eine generelle Übertragung auf andere Regionen oder gar Großstädte nicht möglich.
Außerdem hat sich der Gesetzgeber nicht für eine Präferenz einer gemeinsamen elterlichen Sorge ausgesprochen, in dem Sinne, dass zum Beispiel Alleinerziehend per se eine schlechtere Lebensform sei.
Ziel des Cochemer Modells ist eine Einigung der Eltern. Ziel des Gesetzgebers war es, das Kindeswohl über alles andere zu stellen. Es muss daher akzeptiert werden, dass es Fälle gibt, in denen eine alleinige Sorge eines Elternteils die bessere Lösung im Sinne des Kindeswohles sein kann.
Die reine Feststellung höherer Anteile an gemeinsamer elterlicher Sorge sagt zudem noch nichts über die Qualität des Umgangs aus. In vielen Fällen sind sicherlich nur Scheinlösungen erreicht worden, mit tief greifenden Konflikten, die auf den weiteren Umgang verlagert werden.
Ich teile Ihre Auffassung, dass Trennungskinder den Kontakt zu beiden Elternteilen haben sollten. Dieses muss allerdings unter dem Aspekt des Kindeswohles entschieden werden. Auch daher ist es meine Überzeugung, dass in den entsprechenden Verfahren - im Gegensatz zur jetzigen Praxis - die betroffenen Kinder angehört werden sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Lena Strothmann