Frage an Lena Strothmann von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Strothmann,
es ehrt Sie, dass Sie Ihr Mandat nach bessem Wissen und Gewissen ausüben. Als inzwischen pensionierter Beamter habe ich das ebenso gehalten und außerdem geschworen, Gerechtigkeit gegen jedermann zu praktizieren. Können Sie mir dann bitte erklären, warum es für die Angehörigen des öffentlichen Diensres sehr ausgefeilte Verbote zur Annahme von Geschenken oder anderen Vorteilen gibt, für Abgeordnete aber nicht? Sind Abgeordnete per se bessere Menschen, die Versuchungen nicht unterliegen? Wie erklären Sie sich dann die permanenten Affären ganzer Parlamente oder Fraktionen, für die sich der Oberbegriff "Amigopolitik" eingebürgert hat? Was wäre denn geschehen, wenn sich ein öffentlich Beschäftigter von Gönnern aus der Wirtschaft bei aufwendigen Oktoberfestsausen oder quasi kostenlosen Luxusaufenthalten in privaten Villen hätte einladen und aushalten lassen? Was haben Sie dagegen, wenn wir Wähler wissen möchten, ob ein Abgeordneter seine Arbeitskraft ins Mandat und nicht in irgendwelche Nebengeschäfte steckt? Was haben Sie persönlich zu verbergen, Frau Strothmann?
Sehr geehrter Herr Koch,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es auch für uns Abgeordnete Vorschriften gibt, was die Annahme von Geschenken und geldwerter Zuwendungen betrifft. Sie sind im Paragraph 44 Absatz a und b des Abgeordnetengesetzes niedergelegt und werden durch Ausführungen unseres Präsidenten ergänzt. Insgesamt füllen unsere Verhaltensregeln plus Ausführungsbestimmungen, die verbindlich und sanktionsbewährt sind, 10 DIN A4-Seiten. Bei Bedarf lasse ich sie Ihnen gerne zukommen.
Um konkret auf Ihre fünf Fragen zu antworten:
- Sind Abgeordnete per se bessere Menschen? Nein. Aber eben auch nicht schlechtere, wie Sie möglicherweise vermuten.
- Zu den Amigo-Affären: "Permanente Affären ganzer Parlamente" kann ich in Deutschland nicht erkennen. Zugegeben, der Begriff "Amigopolitik" hat sich eingebürgert. Er bezieht sich allerdings auf die CSU und zwei Affären im bayrischen Landtag aus den Jahren 1993 und 2013. Bei beiden Beispielen traten Kungeleien an den Tag, die ich keineswegs gutheißen kann. Allerdings sind wir Bundestagsabgeordnete nicht für die Handlungen bayrischer Landespolitiker verantwortlich und eine aus eben diesen Handlungen abgeleitete Pauschalverurteilung der deutschen Politiker, wie Sie bei Ihnen durchklingt, kann ich nicht nachvollziehen.
- Zu der Oktoberfestsause bzw. der Villen-Übernachtung: Ich vermute, dass Sie sich damit auf die „Wulff-Affäre“ beziehen? Wenn das so sein sollte, teile ich insofern Ihre Meinung, als dass ich einzelne Handlungen unseres ehemaligen Bundespräsidenten ebenfalls fragwürdig fand bzw. finde. Z. B. den Anruf beim Chefredakteur der Bild-Zeitung. Dennoch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass aus einem in meinen Augen letztlich doch harmlosen Oktoberfest-Aufenthalt und Gratis-Übernachtungen ein menschlich und beruflich noch größerer Schaden entstehen kann, als Christian Wulff ihn am Ende erfahren hat, zumal er in allen Punkten gerichtlich entlastet wurde. Auch nicht für Beamte.
- Was ich dagegen habe, dass Wähler wissen möchten, ob er seine Arbeitskraft wirklich ins Mandat steckt? Gar nichts. Aber jeder Wähler kann dies bereits tun, indem er einen Blick ins Internet wirft: http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/S/strothmann_lena/2590088. Auf der Seite des Bundestages sind alle meine veröffentlichungspflichtigen Tätigkeiten aufgelistet und Sie werden feststellen, dass mein Engagement für das Handwerk ehrenamtlicher Natur ist und ich für mein Präsidentenamt lediglich eine Aufwandsentschädigung der Stufe 1 erhalte. Sich als handwerkspolitische Sprecherin einer Fraktion für das Handwerk einzusetzen halte ich übrigens nicht für verwerflich, sondern - im Gegenteil – für sehr sinnvoll. Man muss schließlich wissen, für wenn man die Gesetze macht und welche Auswirkungen sie auf die Betriebe vor Ort haben. Zusätzlich zu meiner Kammerpräsidentschaft bin ich Mitglied in drei Aufsichtsräten, die allerdings erstens ebenfalls Handwerksbezug haben und die ich zweitens schon vor meinem Bundestagsmandat angetreten habe. Im Übrigen fällt auch nur für einen davon eine veröffentlichungspflichtige Vergütung (Stufe 4 ) an. Und schließlich finden Sie dort die "Fa. Kleegräfe und Strothmann". Dieses Unternehmen habe ich bereits ebenfalls lange vor meinem Mandatsantritt gegründet und ich führe es gemeinsam mit meinem Mann als Familienunternehmen, wobei er die operative Hauptlast trägt und ich somit hierfür keine Zeit für mein Mandat verliere. Grundsätzlich kann ich Ihnen versichern, dass mein Mandat ganz klar meine Haupttätigkeit ist, in die ich mit großen Abstand die meiste Zeit investiere.
- Und schließlich: Was ich persönlich zu verbergen habe? Wie Sie sehen: Nichts. Aber ich habe wie andere Menschen auch ein Recht auf Privatsphäre. Und ehrlicherweise muss ich Ihnen sagen, dass ich die Unterstellung, die in Ihrer letzten Frage mitklingt, befremdlich finde.
Mit freundlichen Grüßen
Lena Strothmann