Frage an Lars Klingbeil von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Klingbeil,
durch Kirchenaustritte und Zuwanderung nimmt der Anteil der Christen in Deutschland zunehmend ab und bereits jetzt stellen die Konfessionsfreien in Deutschland die groesste Gruppe. (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/austritte-in-die-basis-der-kirche-broeckelt-leise-1.3598355 )
Wie eine neue Untersuchung zeigt, nehmen Staatsleistungen an die Kirche jedoch gleichzeitig zu und haben nun den Rekordwert von 538 Millionen Euro erreicht -- zusätzlich zu den Kirchensteuern wohlgemerkt. (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/staat-zahlt-an-kirchen-so-viel-geld-wie-nie-a-1211217.html ) Solche Mittel werden aufgewendet, weil der Staat seine eigenen Aufgaben (etwa Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen) an externe Dienstleister outsourct -- in diesem Fall kirchliche Träger. Ich betrachte dies mit grosser Sorge. Denn gerade in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft, darf es nicht die Aufgabe sein, derart wichtige Aufgaben den Kirchen zu überlassen. Die Gewerkschaften haben scharfe Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht geäussert (Quelle: https://www.zeit.de/2017/43/kirchliches-arbeitsrecht-gewerkschaften-streik-katholische-kirche ) und der Integrationsgedanke wird durch kirchlich indoktrinierte christliche Schulen, jedoch bezahlt vom Steuerzahler, nicht gerade gelebt. Etwa haben Muslime und Atheisten an solchen Schulen -- von staatlichen Geldern finanziert! -- keinen Platz.
Wird sich die SPD gegen den zunehmenden Trend der Staatszuwendungen an die Kirchen wenden?
Mit freundlichen Gruessen
A. R.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die zusätzlichen Staatsleistungen an Kirchen sind Verfassungsrecht. Es gibt Debatten über eine Veränderung dieses Rechtes, aber bisher gibt es dafür keinen gangbaren Reformvorschlag.
Der Staat muss auf private Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen in kirchlicherer Trägerschaft zurückgreifen können, wenn er alle seine Staatsaufgaben zufriedenstellend erfüllen will. Diese Einrichtungen leisten oft seit Jahrzehnten eine qualitativ wertvolle Arbeit und haben sich wie alle anderen privaten Einrichtungen an den gesetzlichen Rahmen wie beispielsweise Lehrpläne zu halten. Die Anteile ihrer Arbeit, die einen konfessionellen Bezug haben, sind ein Angebot, an dem freiwillig teilgenommen werden kann. Kinder- und Jugendliche mit anderen Konfessionen oder keiner Kirchenzugehörigkeiten müssen beispielsweise nicht am evangelischen oder katholischen Religionsunterricht teilnehmen, sondern können stattdessen andere Fächer besuchen.
Das kirchliche Arbeitsrecht steht in der Tat mitunter in der Kritik. Hier gibt es aber seit einiger Zeit verschiedene Initiative, die dieses besondere Arbeitsrecht in Teilen verändert haben. Mit eigenem, kollektiven Arbeitsrecht sind in manchen Regionen Abweichungen zu umstrittenen Punkten vom dem bundesweit geregeltem Tarifvertragsrecht gefunden worden. Erst kürzlich ist durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes geklärt worden, wann die konfessionelle Zugehörigkeit eine Bedingung für die Einstellung sein kann und wann nicht. Ich bin mir sicher, dass wir das kirchliche Arbeitsrecht auch in Zukunft auf diesen Wegen gut weiterentwickeln werden.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Klingbeil, MdB