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Frage von Matthias B. •

Frage an Lars Dietrich von Matthias B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrtes Mitglied des Hamburgischen Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie,

ich konfrontiere Sie auf diesem Weg mit den Forderungen des Beschäftigtenbündnisses der Hamburger Kitas und möchte von Ihnen wissen, wie Sie zu der Diskrepanz zwischen der politischen Wirklichkeit der Stadt HH und dem pädagogischen Anspruch der Beschäftigten in den Hamburger Kitas stehen.
Der getroffene „Kompromiss“ zwischen der Stadt HH und den Trägern von Kinderbetreuungsarbeit scheint für Sie das Ende der inhaltlichen Auseinandersetzung um den Bildungsanspruch, Ausstattungsstandards, die Finanzierung und den freien Zugang zu Kitas für Kinder arbeitsloser MitbürgerInnen gewesen zu sein. Zumindest kann ich den Tagesordnungen ihrer letzten, sowie der in rund 24 Stunden stattfindenden Ausschusssitzung in dieser Richtung nichts entnehmen.
Um Ihnen zu verdeutlichen, wie weit der „Kitakompromiss von HH“ von den Forderungen der Beschäftigten in den Hamburger Kitas entfernt ist, empfehle ich Ihnen den nachfolgenden Forderungskatalog zu lesen:

Wer wir sind: Das Beschäftigtenbündnis der Hamburger Kitas ist ein Zusammenschluss von MitarbeiterInnen aus dem Bereich der professionellen Kinder- und Jugendbetreuung, vornehmlich der Kindertagesstätten, deren gewerkschaftlichen Interessenvertretungen von ver.di und GEW sowie SchülerInnen der entsprechenden Fachschulen.

Was wir wollen: Wir fordern von den politisch Verantwortlichen der Freien und Hansestadt Hamburg,
1) Arbeitsbedingungen zu schaffen, die qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit ermöglichen
und
2) eine angemessene tarifliche Bezahlung für die von uns erbrachte „hoheitliche Leistung“,
denn unsere Arbeit ist die Voraussetzung zur Erfüllung des gesetzlichen Bildungsauftrages.

Kurzfristige Forderungen:
- Rücknahme der zum 01.01.2005 eingeführten Standardabsenkungen
- Rücknahme des Einführungsgesetzes, stattdessen: Garantie gleichberechtigter Verhandlungen zwischen der Stadt Hamburg und den Trägern von Kinderbetreuungsarbeit auf Basis der jeweils geltenden Arbeits-, Lohn- und Gehaltsbedingungen.
- Sicherstellung der tariflichen Bezahlung (BAT) für die KollegInnen im Hauswirtschaftsbereich (Küche und Reinigung).
- Kein Einsatz von 1 €-Kräften in unseren Kitas für Aufgaben die üblicherweise regulär entlohnt werden.
- Anerkennung der Kitas als Bildungseinrichtungen und entsprechende Ausstattung der Kitas
- Angemessene Verwaltungspauschale für kleine Kitas.
- Ein Kitaplatz für jedes Kind!

Weitere Forderungen:
- Beteiligung des Beschäftigtenbündnisses an den inhaltlichen Fachdiskussionen, sowie an den behördlichen und politischen Entscheidungen
- MindesterzieherInnen / Kind-Relation (je zwei Fachkräfte) im:
Krippenbereich = max. 10 Kinder
Elementarbereich = max. 15 Kinder
Hortbereich = max. 15 Kinder
- Fortbildungen und regelmäßige Supervisionen für die Beschäftigten in den Kitas
- Anhebung des Ausbildungsniveaus für ErzieherInnen auf den europäischen Standard
- Angemessene Räumlichkeiten für pädagogische Arbeit
- Unterstützung der pädagogischen Arbeit durch fachliche Beratung
- Vernetzung von Kitas, Schulen, Familienhilfe und anderen Stadtteileinrichtungen
- Vernetzung von Kinderbetreuungs-, Familienhilfe- und Bildungsinstitutionen
- Rücknahme des Kita-Gutscheinsystems.

Zu guter Letzt: Pädagogische Arbeit in Kitas ist nicht das Verwahren von Kindern, ist nicht ein zeitweiliges Mami oder Papi ersetzen, ist nicht Scherenschnittkunst, ist nicht Spielplatzwache, ist nicht Fast Food, …
Vielmehr leisten wir eine Arbeit, wie z.B. LogistikerInnen, MediatorInnen, PsychologInnen, ÖkothrophologInnen, LebensberaterInnen, JuristInnen, ÖkologInnen, BildungsarbeiterInnen, EventmanagerInnen, LotsInnen und AusbilderInnen!

Ich bin sicher, dass Ihnen das Ausmaß unseres Konfliktes mit der Stadt Hamburg deutlich geworden ist. Sollten Sie auf der Basis des Forderungskatalogs des Beschäftigtenbündnisses der Hamburger Kitas zu einer inhaltlichen und ernsthaften Auseinandersetzung bereit sein, so bin ich gerne bereit dieses im Bündnis einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bodeit

Portrait von Lars Dietrich
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bodeit,

für Ihre Frage bedanke ich mich und möchte wie folgt dazu Stellung nehmen:

1.) Grundsätzlich:

Der Bereich "Kinder und Jugend" hat in Hamburg nach wie vor Priorität.
Die Fraktion der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft hat gemeinsam mit dem Senat große Anstrengungen in diesem Politikfeld unternommen, insbesondere zwei Dinge zu realisieren: Einerseits die Kindertagesbetreuung mit 341 Millionen Euro finanziell möglichst optimal auszustatten - und dies vor dem Hintergrund ständig zurückgehender Steuereinnahmen der Stadt und der hohen Staatsverschuldung. Andererseits Grundlagen zu legen, um den Kita-Bereich als Ort der frühkindlichen Erziehung weiter auszubauen.

Die im Dezember des letzten Jahres erzielte Einigung zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) und den im Kinderbetreuungsbereich tätigen Verbänden bedeutet für die Steuerzahler, dass - gegenüber dem Haushaltsvoranschlag für die Jahre 2005 und 2006 von 321 Millionen Euro - jeweils etwa 20 Millionen Euro mehr aufgewendet werden müssen.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hat - im Einvernehmen mit dem Senat - beschlossen, die Erhöhung durch Anhebung der Grundsteuer um 14 Millionen Euro sowie eine maßvolle Erhöhung der Elternbeiträge zum 1. August 2005 zu finanzieren. Damit beteiligen sich sowohl alle Hamburger Steuerzahler zu gut zwei Drittel als auch die Eltern zu gut einem Drittel an der Realisierung unseres Zieles: Seit dem 1. Januar 2005 an hat jedes Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens im Umfang von fünf Stunden mit einem Mittagessen.

2.) Gruppengrößen:

Verglichen mit dem Jahr 2003 werden 3.000 Kinder mehr im System untergebracht (2003: 50.300 Kinder, 2005: 53.300 Kinder).

Eine maßvolle Anhebung der Gruppengrößen im Krippenbereich (Kinder im Alter von eins bis drei) von 12 auf 13,5 Kinder im Durchschnitt und im Elementarbereich (Kinder im Alter von drei bis sechs) sowie im Hortbereich (Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren) von 20 auf 22,5 Kinder im Durchschnitt halte ich angesichts der Haushaltslage für vertretbar, auch wenn von Ihnen als Mitarbeiter einer Kindertageseinrichtung noch mehr an Einsatz und Initiative abverlangt wird. Wichtig ist, dass möglichst viele Kinder gut versorgt sein können..

3.) Kostensenkungen:

Die Personalkosten und die Gebäudekosten werden künftig pauschalisiert.
Dies bedeutet nicht nur eine erhebliche Vereinfachung der Abrechnungsverfahren, sondern senkt auch die Verwaltungskosten.

4.) Was hat der STAAT zu leisten:

Meiner Ansicht nach kann der Staat nur das Verteilen, was vorher produziert bzw. vorher auch "verdient" worden ist. Viele Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft sind mittlerweile der Ansicht, dass das weitere Ausbauen des Sozialstaates eher zu negativen Auswirkungen in der Gesellschaft führt. Ich teile dies. Immer mehr Leistungen werden nicht durch Eigeninitiative erbracht, sondern schlicht von Lobbygruppen gefordert oder als allgemeine Forderung der Gesellschaft deklariert.
Selbstverständlich ist staatliche Sozialpolitik die Grundlage für eine ökonomische Umverteilung. Aber es gibt hierbei Grenzen: Hamburg hat 24 Milliarden Euro Staatsverschuldung. Seit dem Jahre 2001 hat die FHH, aufgrund des desolaten Wirtschaftswachstums in Deutschland, rund 1,3 Milliarden (!) weniger Steuereinnahmen zu verzeichnen. Wir zahlen pro Kopf am meisten in den Länderfinanzausgleich: Allein für das vergangene Jahr 2004 sind es 687 Millionen Euro. Die Zinsbelastungen für die Schulden der FHH liegen bei etwa einer Milliarde Euro (circa 10 v.H. des Gesamthaushaltes). Die Verschuldung hat sich zu Zeiten der SPD- und Grün-Senate von 1990 bis 2001 nahezu verdoppelt!

Vor diesem Hintergrund müssen Abgeordnete abwägen, was finanziell und politisch machbar und möglich ist. Wir benötigen deshalb mehr Eigenverantwortung unserer Bürgerinnen und Bürger, stets eine kritische Aufgabenstellung für staatliche Leistungen ("Was soll der Staat eigentlich wirklich leisten?") und das Verständnis dafür, dass für eine Leistung auch eine angemessene Gegenleistung erbracht wird.

Ich achte die Arbeit der vielen Erzieherinnen und Erziehern in dieser Stadt sehr. Sie machen einen anspruchsvollen und wichtigen Job. Dies wird auch von uns anerkannt. Ich habe auch zum Teil Verständnis für Ihre Forderungen. Doch die enormen Mehrkosten müssten entweder über eine höhere Staatsverschuldung oder eine Erhöhung von Steuern oder aber auch über erhöhte Beiträge der Eltern zur Kinderbetreuung erbracht werden.
Ich möchte weder mittel- noch langfristig eine höhere Staatsverschuldung noch eine weitere Steuererhöhung als CDU-Abgeordneter verantworten müssen.
Wenn eine noch höherwertige Versorgung im Kindertagesbereich angestrebt werden soll - zum Beispiel kleinere Gruppengrößen, mehr Sprachförderung, Kita als Bildungseinrichtung usw. - so müsste dies durch eine noch effizientere Kostenstruktur oder aber durch eine Erhöhung der Elternbeiträge erzielt werden. Diese Diskussion können wir dann gern führen.

Abschließend möchte ich anmerken, dass jede Fraktion eine Arbeitsteilung in den einzelnen Politikfeldern vornimmt. Unser Fachsprecher für Kindertagesbetreuung ist unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender Marcus Weinberg. Wie mir bekannt ist, haben Sie Ihre Fragen bereits an Herrn Weinberg gerichtet und Sie haben auch bereits eine Antwort erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Lars Dietrich