Frage an Kurt Segner von Sara D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Segner,
meine Frage bezieht sich auf die Situation von Transsexuellen in der Umstellungsphase, genauer auf die Situation vor der gerichtlich anerkannten Vornamensänderung nach §1 des Transsexuellengesetzes vom 10.09.1980.
Leider ist es immer noch Praxis, dass eine Vornamensänderung bei Transsexuellen über das Gericht abgewickelt werden muss. Eine Verfahrensdauer von einem Jahr und länger bis zu einem dem äußeren Erscheinungsbild entsprechenden Vornamen ist keine Seltenheit, da Gutachter sowie Gerichte entsprechend ausgelastet sind; - es sei denn: man hat Glück! Nur sollte Glück im Zusammenhang mit einem eigentlichen "Verwaltungsakt", denn eine Vornamensänderung ist im allgemeinen nichts anderes, nicht der maßgebende Faktor sein, was jedoch faktisch so ist. Bin selbst davon betroffen.
Das Leben mit zwei geschlechtlich widersprüchlichen Identitäten ist nicht nur aus seelischen Gründen sehr problematisch sondern auch begleitet von tatsächlichen Einschränkungen im Alltagsleben und vor allem auch hinderlich beim Weiterkommen im Berufsleben. Zudem sind die Kosten einer Vornamensänderung vor Gericht um ein enormes Maß höher als die Kosten einer normalen standesamtlichen Vornamensänderung, das letztlich dann auch eine Form der Diskriminierung durch die Allgemeinheit ist. - Schließlich ist es das Recht eines jeden Bürgers, seinen Vornamen zu ändern.
Warum wird diese unter Beibehaltung der Geschlechtszugehörigkeit günstiger durchgeführt?
Wann setzt sich jemand an entscheidender Stelle für die Minderheit der Transsexuellen ein?
Wann tut man endlich etwas?
Der Verdruss unter den Betroffenen ist seit Jahren auch dem Gesetzgeber bekannt.
Ich persönlich weiß nicht, wen ich wählen soll, denn um die für mich derzeit relevanten Ansprüche bei der rechtlichen Stellung von Transsexuellen in der Übergangsphase scheint sich die Politik gar nicht oder nur halbherzig zu kümmern. Ein anderes Urteil lässt sich leider nicht fällen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Dembinski,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 06.08.2009, mit welcher Sie nochmals auf die Situation von Transsexuellen in der Umstellungsphase aufmerksam machen.
Ich kann Ihnen versichern, dass sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sehr wohl mit der Lebenssituation der Transsexuellen auseinandersetzen.
Zuletzt wurde am 19.06.2009 in der 228. Sitzung des Deutschen Bundestages eine Änderung des Transsexuellengesetzes beschlossen.
Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend wurde im Transsexuellengesetz das Erfordernis der Ehelosigkeit als Voraussetzung für die Feststellung zum anderen Geschlecht gestrichen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Mai 2008 dem Deutschen Bundestag auferlegt, die im Änderungsgesetz vorzunehmenden Modifizierungen noch vor dem 1. August 2009 durchzuführen.
So war es nicht möglich, innerhalb eines Jahres legitime prozedurale Erleichterungen für die Transsexuellen sowohl bei der Vornamensänderung, als auch bei der Personenstandsänderung umzusetzen. Änderungen in diesem Gesetz müssen wohl überlegt sein und dürfen nicht leichtfertig getroffen werden.
Da ich selbst dem Deutschen Bundestag in der nächsten Wahlperiode nicht mehr angehöre, werde ich meinen Nachfolger bitten, sich dieses Themas besonders anzunehmen.
Denn das geltende Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 entspricht nicht mehr dem Stand der Wissenschaft und der Lebenswirklichkeit der Transsexuellen.
Eine Novellierung des Transsexuellengesetzes ist daher dringend erforderlich.
Kurt Segner
i.A. Anna-Rosa Dehé