Frage an Ksenija Bekeris von Fritz K. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Frau Bekeris, seit den frühen 70-iger Jahren setze ich mich für die Gesamtschule (heute: Stadtteilschule) ein und habe dort fast 40 Jahre gearbeitet. Aus meinem Ruhestand beobachte ich die jetzige schulische Entwicklung mit großem Interesse. Einst wurde die Gesamtschule von der SPD eingeführt. Dabei gab es enormen Gegenwind aus dem bürgerlichen Lager in unserer Stadt. Engagierte Eltern, Lehrer, Gewerkschaftler und fortschrittliche Menschen haben es gegen alle Widerstände geschafft, dass die Gesamtschule ein Erfolg wurde. Dazu gab es Unterstützung finanziell und inhaltlich aus großen Teilen der Bürgerschaft und der Schulbehörde (Grolle und u,a,). Heute geht um die Einführung und Ausgestaltung der Stadtteilschule. Hier habe ich große Sorge, denn der aktuelle Senat ist nicht bereit, entsprechende Mittel für einen Erfolg zu generieren. Neben der neuen Schulform wird den Schülern und den dort arbeitenden Kollegen auch noch ein weiteres Reformbündel aufgebürdet: Inclusion, Ganztagsschule und bei vielen Stadtteilschulen die Einführung der gymnasialen Oberstufe. All das passiert unter miesen baulichen Bedingungen. Auf den Schulhöfen entstehen Containerdörfer statt ordentlicher, pädagogisch angemessener Schulräume (Möchten Sie eigentlich, dass Ihr Kind dort den ganzen Tag verbringt?) Früher gab es in wirtschaftlich ernsterer Lage einen tollen Schulneubau unter Frtiz Schumacher und Höger. Auch in den 1960iger und Anfang der 1970iger Jahre ist in Hamburg viel passiert. Heute wird gar nicht mehr überlegt, was brauchen Kinder für ein gedeihliches Heranwachsen, sondern erst werden die Finanzen angeschaut und dann wird gewurschtelt. Wo bleibt eigentlich in der SPD eine Vision so wie früher? Senator Rabe redet alles schön, bzw. weiß er alles besser. Frau Bekeris, unterstützen Sie in Ihrer Partei die Kräfte, die wirklich am Gelingen der Schulreform interessiert sind. Die Stadtteilschule ist keine Billiglösung zur
Bewältigung der Probleme der der ehemaligen H/R-Schulen und zur halbherzigen Einführung von Reformen. - Ihr Fritz Kagel
Sehr geehrter Herr Kagel,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Frage, was Kinder für ein gedeihliches Heranwachsen benötigen, ist innerhalb der letzten Jahre in Hamburg und in der SPD sehr häufig gestellt worden. Das liegt nicht nur an den intensiven Diskussionen der letzten Jahre um die „richtige“ Schulform. Auch die schrecklichen Fälle von Vernachlässigung mit Todesfolge wie bei Jessica 2005 oder Lara-Mia 2009 haben dazu beigetragen. Wir als SPD wollen, dass Kinder egal welcher Herkunft und mit welchem sozialen Hintergrund vom Kleinkind bis ins Erwachsenenalter hinein, gefördert werden. Dass sie sich entsprechend ihrer Neigungen entfalten und weiterentwickeln können. Junge Erwachsene sollen die staatlichen Bildungseinrichtungen mit einer guten beruflichen Perspektive verlassen. Das ist unsere Vision.
In Hamburg sind wir nun seit Regierungsantritt 2011 dabei, diese Vision zu verwirklichen.
Wir tun dies im Kleinkindbereich mit einem massiven Ausbau der Kitas. In Hamburg haben ab August diesen Jahres Kinder ab dem 1. Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kita-Platz - unabhängig von der Erwerbstätigkeit der Eltern. Um die Qualität der Kinderbetreuung zu verbessern gibt es seit Beginn des Jahres 24 Prozent mehr Erzieherinnen und Erzieher im Elementarbereich von 300 Hamburger Kitas, die pädagogisch besonders gefordert sind.
Bei der Schulentwicklung gibt es mit der Stadtteilschule eine neue Schulform, die aus der Debatte um ein längeres gemeinsames Lernen entstanden ist. Die Stadtteilschule wird zurzeit in den Medien und durch andere Parteien meiner Ansicht nach schlecht geschrieben. Unser Schulsenator Ties Rabe hat Recht, wenn er sagt, die Stadtteilschule ist ein Versprechen, durch Bildung weiterzukommen. Diese Chance für alle, das Abitur zu machen, ist besonders für all jene eine Chance, die bisher schnell in eine Schublade gesteckt wurden und durch frühes „Sortieren“ wenig Chancen auf einen hohen Schulabschluss hatten. Ich teile auch nicht die Auffassung, dass die Stadtteilschule starke Kinder zu wenig fördert. Dass gemeinsames Lernen zukunftsträchtig ist zeigt aktuell die Verleihung des Schulpreises an die Anne-Frank-Schule in Bargteheide. Aber an dieser Stelle muss ich sie, denke ich, nicht überzeugen.
Wie also stärken wir diese Schulform?
Wir haben die Oberstufen ausgebaut und Gymnasiallehrerinnen und -lehrer an Stadtteilschulen geschickt. Wir bauen die Stadtteilschulen zügig zu Ganztagsschulen aus, damit gute Konzepte mehr Raum zur Verwirklichung haben. Der Herausforderung der Inklusion begegnen wir mit einem mehr an Personal. Rund 200 Förderschülern pro Jahrgang stehen 80 Pädagoginnen und Pädagogen mehr pro Jahrgang gegenüber. Dazu wird eine zusätzliche Berufsorientierung in den Klassen 8,9 und 10 integriert. Für einzelne besonders geforderte Schulen gibt es zusätzliche Maßnahmen. Es passiert an diese Stelle also sehr viel.
Auch im Schulbau geht es voran. Zum Beispiel in Wilhelmsburg mit dem gerade eröffneten „Tor zu Welt“. Bei der Umstrukturierung der Schullandschaft lässt sich die Aufstellung von Containern als Überbrückungslösung nicht immer vermeiden. Allerdings muss ich aus eigener Anschauung sagen, dass auch Container als Schulräume geeignet sind. Aber natürlich nur in Ausnahmefällen.
Ein weiterer Baustein unseres Bildungskonzepts sind die Jugendberufsagenturen. Diese haben wir neu gegründet, um den Übergang von der Schule in den Beruf zu verbessern. Kein Jugendlicher soll ohne Ausbildung bleiben - das ist das Herzensanliegen unseres Bürgermeisters Olaf Scholz.
Ich hoffe, Sie von den Visionen der Hamburger SPD überzeugt zu haben.
Es grüßt Sie herzlich
Ksenija Bekeris