Frage an Krista Sager von Thomas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
1) Während Bush z.B. Wei Jingsheng und andere prominente Mitglieder der chineischen Opposition offiziell im Weißen Haus empfangen hat, ist mir ähnliches--mit Ausnahme des Dalai Lamas im Bundeskanzleramts--nicht bekannt.Warum wird beim Dalai Lama nicht gezögert, bei den chinesischen Dissidenten hingegen doch?Würden Sie sich für einen Empfang von hochrangigen chineischen Oppositionellen im Bundeskanzleramt einsetzen?In welchem Zeitraum halten sie denn eine Demokratisierung Chinas für möglich, bei der eines Tages einmal Wei Jingsheng, Hujia, Huping , Gao Zhisheng,Wangyoucai oder wer auch immer Präsident Chinas sein wird?Oder glauben sie, dass wir wie in der Asienstrategie der CDU/CSU-Fraktion vor einer systemkonkurrierenden Auseinandersetzung mit China stehen, bei dem sich das autoritäre System noch lange halten wird?Die Weltwirtschaftskrise dürfte ja ein erster Lackmustest für die chinesische Regierung werden.Sollte man weiterhin auf eine Demokratisierungs drängen oder eher die gegenseitige wirtschaftliche Stabilisierung Deutschlands und Chinas Priorität geben?
2)Für die Existenz Israels könnten im wesentlichen 2 Entwicklungen die Kräfteverhältnisse im Nahen Osten gravierend verändern.Zum einen iranische Atomwaffen, zu anderen, dass die Muslimbruderschaften in Ägypten, Syrien,Jordanien oder anderswo an die Macht kommen, Camp David kündigen und eine panislamische Kriegsfront gegen Israel aufbauen.Um die Entwicklung eines moderaten Islam in diesen Ländern zu fördern, könnte man versuchen moderate Abspaltungen von den Moslembruderschaften zu fördern.In Ägypten gibt es hierzu die Al-Wasat (Das Zentrum), die dem Modell der türkischen AKP folgen möchte.Unterstützt Ihre Partei die Zulassung der Al-Wasat bei ägyptischen Wahlen als Partei oder sieht sie in ihr eher ein trojanisches Pferd der Islamisten?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Wagner
Sehr geehrter Wagner,
ich kenne die Gründe für oder gegen den Empfang chinesischer DissidentInnen von Seiten der Bundesregierung nicht. Für unsere Fraktion kann ich Ihnen aber mitteilen, dass wir uns nicht nur um fernsehtaugliche Bilder mit dem Dalai Lama bemühen, sondern uns intensiv und auf allen Ebenen für einen Dialog mit China einsetzen. Dazu gehört das Gespräch mit DissidentInnen ebenso wie Diskussionen mit Regierungsmitgliedern und chinesischen Nichtregierungsorganisationen. China hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch entwickelt, und es gibt auch Fortschritte bei Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte. Dennoch bleiben die Defizite groß, und der Weg Chinas hin zu einer Demokratie, wie Sie sie beschreiben, ist sehr weit. Uns geht es weniger als der CDU/CSU um die Festschreibung einer "Systemkonkurrenz" und der damit einhergehenden schnellen Verteufelung Chinas. Wir sind im Gegenteil davon überzeugt, dass China bei der Bewältigung aller großen globalen Probleme heute gebraucht wird, sei es im Klimaschutz, bei der Abrüstung oder in der Bewältigung der Finanzkrise. Dies bedeutet Dialog, Abstimmung und Kooperation, nicht Isolierung und Ausgrenzung. Wir sind der festen Meinung, dass dabei Fragen des Menschenrechtsschutzes nicht unter den Tisch fallen oder wirtschaftlichen Interessen geopfert werden dürfen. Letztlich ist es angesichts der Vielzahl und des ungeheuren Anstiegs von Unruhen in China auch im Interesse des Landes selbst, mehr Rechtsstaatlichkeit, Partizipation und Menschenrechtsschutz zuzulassen.
Auch mit der Frage nach dem Umgang mit islamistischen Organisationen, d.h. Bewegungen des politischen Islam, sprechen sie ein wichtiges Problem für die deutsche und europäische Außenpolitik an.
Mit Terroristen und Dschihadisten wie der Al-Qaida, die den Krieg gegen "den Westen" predigen, kann und soll man nicht verhandeln. Da gibt es keine Dialogbasis.
Ein anderes Problem stellt sich bei den Muslembrüdern in Ägypten und anderen Ländern. Es handelt sich um konservative islamische Parteien, die vielem widersprechen, das unserem Verständnis von Menschenrechten und Glaubensfreiheit widerspricht: Zum Beispiel der Eintritt für ein islamisches Rechtswesen, dass Frauenrechte oder die Meinungsfreiheit einschränkt. Diese Elemente werden wir als Grüne, die in der Außenpolitik den Menschenrechten einen hohen Stellenwert einräumen wollen, auch weiterhin kritisieren -, ob bei den Muslimbrüdern oder der AKP.
Andererseits ist in der Politik der letzten Jahre deutlich geworden, dass eine Politik- und Dialogverweigerung gegenüber politischen Islamisten jene sogar gestärkt hat - ob im Falle der Muslimbrüder in Ägypten, der Hamas in Palästina oder der Hisbollah im Libanon. Im Falle Ägyptens ist es zudem so, dass die herrschende NDP-Regierung unter Mubarak keineswegs ausreichend demokratisch legitimiert ist und gegen die Muslimbrüder scharfen Druck ausübt, die als Unabhängige im ägyptischen Parlament sitzen. Das sind wiederum schwere Menschenrechtsverletzungen, die angeprangert werden müssen.
Alle politischen Islamisten als "trojanisches Pferd" anzusehen, macht letztlich eine differenzierte Politik unmöglich. Gerade mit jenen Akteuren, die wie im Falle der Muslimbrüder in Ägypten der Gewalt abgeschworen haben, gilt es auch in einen Dialog zu treten. Nur so wird es möglich sein, die von ihnen angesprochenen moderaten Vertreter zu stärken.
Für die von Ihnen konkret angesprochene Wasat-Partei gilt dies im ähnlichen Maße. Zwar ist sie in Ägypten bisher ähnlich wie die Muslimbrüder nicht offiziell erlaubt und anerkannt -, sie will aber dezidiert islamische Inhalte mit den demokratischen und staatlichen Grundprinzipien vereinbaren. Darin liegt eine Chance. Aus diesem Grund wäre eine Zulassung ein Schritt in die richtige Richtung.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager