Frage an Krista Sager von Wolfgang J. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrte Frau Sager,
bei "Schalthoff live" auf "Hamburg1" am 23.8.05 behaupteten Sie, die Linkspartei wolle die Trinkgeldsteuer einführen. Eine völlig "abstruse Forderung", wie sie darstellten.
Meine Fragen an Sie:
1. Nennen Sie mir bitte die Stelle im Wahlprogramm der Linkspartei, wo eine Trinkgeldsteuer gefordert wird.
2. Gab es schon einmal eine Trinkgeldsteuer in der Bundesrepublik Deutschland?
3. Wenn ja: Wer hat sie eingeführt und wann wurde sie abgeschafft?
Sehr geehrter Herr Joithe,
vielen Dank für Ihre Mail. Ich bezog mich bei "Schalthoff live" auf eine Aussage von Herrn Gysi im Leserforum der Bild am Sonntag am 21. August. Herr Gysi antwortete auf die Frage, warum die PDS in ihrem Steuerprogramm die Trinkgeldsteuer wieder einführen möchte, dass das Trinkgeld zum Einkommen gehöre.
Ich erkläre Ihnen auch gern, warum ich diese Forderung für abstrus halte: Gemeinsam mit der SPD haben wir im Juli 2002 die Trinkgeldsteuer abgeschafft, die es in Deutschland seit 1923 gab. Aus guten Gründen, denn "typische" Trinkgeldempfänger sind Beschäftigte im Gaststättengewerbe, Friseusen und Friseure sowie Taxifahrerinnen und Taxifahrer, die in der Regel niedrig entlohnt werden und dadurch mehr Geld im Portemonnaie haben. Die Vorstellung, dass sie mehr Gehalt bekommen würden, wenn sie auf ihre Trinkgelder Steuern bezahlen müssten, halte ich für lebensfern. Das heißt, diese Mensche hätten einfach nur weniger in der Tasche. Zum zweiten ist bekannt, dass die Schwarzarbeit in diesen Beschäftigungsbereichen ein Problem ist. Sie verlor durch die Abschaffung der Steuer an Attraktivität. Zum dritten ist die Überprüfung dieser Steuereinnahme durch das Finanzamt im Prinzip gar nicht zu leisten und der bloße Versuch wäre mit einem immensen Verwaltungsaufwand zu verbunden. Diese drei Gründe sprechen nicht nur politisch, sondern ganz pragmatisch gegen eine Wiedereinführung dieser Steuer.
An dieser Forderung wird erneut die Janusköpfigkeit der Linspartei deutlich. Eine Partei, die so lauthals eine Umverteilung von oben nach unten proklamiert, will in der Praxis genau das Gegenteil: Die Belastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit kleinen Einkommen. Dass das nicht nur Zufall sondern Programmatik ist, beweist die Bilanz der Regierungsbeteiligungen der PDS. Es passt nicht zusammen, dass sie zwar einerseits im Bundestagswahlkampf den Leuten Versprechungen macht, aber andererseits, dort wo sie wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin in Regierungsverantwortung ist, harte Sparprogramme durchzieht. Wer Regierungsverantwortung wahrnehmen will, muss sich an seinem Handeln in der Praxis messen lassen. Das gilt auch für die Linkspartei.
Ihre Krista Sager