Frage an Krista Sager von Heide J. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Sager!
Aus Politsendungen im TV habe ich erfahren, dass Banken berechtigt sind, die wegen einer Kreditgewährung auf Privathäuser eingetragene Grundschuld an Dritte (auch sog. "Heuschrecken") zu verkaufen. Erstaunlicher und empörender Weise können diese Käufer dann ihrerseits - völlig unabhängig von vertragsgemäßer, stets pünktlicher Raten-Rückzahlung des Darlehens - diese Grundschuld jederzeit kündigen und sofort in bar verlangen. Und zwar in der Höhe der eingetragenen Schuld, und gänzlich unabhängig von bereits erfolgter Tilgung.
Mehrere Menschen haben durch solche Praktiken völlig unverschuldet ihr Haus verloren.
Wenn in Deutschland solche kriminellen Machenschaften gesetzlich möglich sind, dann ist in unserem Lande mehr als ein bischen aus dem Ruder gelaufen. Und wenn unsere Bundesjustizministerin sich nicht um solche Missstände, sondern stattdessen darum kümmert, die mit dem Grundgesetz eigentlich nicht zu vereinbarende online-Überwachung zu ermöglichen, dann versteht sie vielleicht etwas von Herrn Schäubles traumatisch bedingten Ängsten, nichts aber von den Problemen, die dem Bürger wirklich angehen oder doch angehen können.
Weil ich nicht weiß, wie ich mich selbst an Frau Zypries wenden kann, meine Frage an Sie, Frau Sager. Können Sie, wollen Sie, werden Sie in o. a. Angelegenheit dafür Sorge tragen, dass unsere Bundesjustizministerin sich dieser "Gesetzeslücke" (wenn es denn eine ist und nicht zu Gunsten einer bestimmten Lobby durchaus vorgesehen) - annimmt, auf dass vertragstreue Bürger nicht Hab und Gut verlieren, nur weil sie nicht wissen, dass sie einen Notar nach den "Hintertürchen" für die Banken fragen müssen???
"Otto Normalverbraucher" glaubt in der Regel dem doch so vertrauenswürdigen Banker, und kommt gar nicht auf die Idee, seine Grundschuld vertraglich gegen derartigen Missbrauch abzusichern. Er sollte durch entsprechende Gesetze geschützt sein.
Ich danke Ihnen im voraus.
Mit freundlichem Gruß
Heide Jurczek
Sehr geehrte Frau Jurczek,
vielen Dank für Ihre Frage zur Problematik der verkauften Immobilienkredite.
Schon seit 2005 häufen sich in den Medien Berichte über Zwangsvollstreckungen, obwohl die Immobilienkredite stets ordnungsgemäß bedient wurden. Diese Exzesse haben mit dem geltenden Recht der Grundschuld zu tun, das seit mehr als hundert Jahren im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, heute aber anders genutzt wird als früher. In den letzten zwei Jahren sind vermehrt Finanzinvestoren aufgetaucht, für die eine Grundschuld nicht die Sicherheit für die Kreditgewährung darstellt, sondern ein Anlageprodukt, aus dem so viel wie möglich herausgeholt wird. Auf ein solches Geschäftsgebaren bietet die geltende Rechtsordnung keine angemessene Antwort. Wie Sie zu Recht feststellen, besteht dringender Handlungsbedarf.
Wir Grünen haben bereits vor mehr als einem halben Jahr einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der eine Veränderung der Gesetzeslage vorschlägt (Drs. 16/5595). Wir wollen die starke Grundschuldbesicherung in den Händen von Investoren, die an kurzfristiger Rendite orientiert sind, beschränken. Für nicht notleidende Kredite soll der Verkauf an die Zustimmung des Kreditnehmenden gebunden sein. Für notleidende Kredite wollen wir durch einen obligatorischen Sanierungsversuch Zwangsvollstreckungen wieder auf das beschränken, was sie früher waren – das letztmögliche Mittel zum Eintreiben von Schulden, wenn Kredite nicht mehr bedient wurden.
Mit einer ersten, von uns initiierten Selbstbefassung im Finanzausschuss im Februar 2007, unserem Antrag von Juni 2007 und einem ersten Fachgespräch mit Sachverständigen im Oktober 2007 steigern wir seit einem Jahr kontinuierlich den politischen Druck auf die Bundesregierung. Doch die Große Koalition kommt nur langsam in die Gänge. Während sie vor einem Jahr noch keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Veränderung sah, formulierte sie im Sommer 2007 den ersten Prüfauftrag und legte im Dezember eine noch unverbindliche Liste mit möglichen Regelungen vor. Das Thema ist zwischen den beiden Koalitionsfraktionen umstritten, da die Union im Wesentlichen nur die Transparenz für die Kreditnehmenden erhöhen will.
Wir Grünen werden das Problem so lange auf die Tagesordnung des Bundestags und der Ausschüsse zu setzen, bis die Gesetzeslücke geschlossen ist. Der anhaltende öffentliche Druck sollte die Große Koalition zum Handeln bewegen. Des Weiteren sind natürlich auch direkte Nachfragen (z.B. über Abgeordnetenwatch) bei Frau Zypries und den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen ein gutes Mittel, den öffentlichen Druck zu steigern.
Mit freundlichen Grüßen
Krista Sager