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Krista Sager
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Frage von Joachim P. •

Frage an Krista Sager von Joachim P. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Krista Sager,

steht nicht in einem Zeitalter der Globalisierung, die von immer mehr regionalen, lokalen Märkten auf allen Kontinenten registriert, im Guten wie weniger Guten erlebt und aufgegriffen wird, das Bedingungslose Grundeinkommen; (BE) wie ein Trojanisches Pferd, das verdeckt und unerkannt puren regionalen Protektionismus in sich birgt? Reicht es da, wenn Sie im Hamburger Abendblatt Interview v. 19.11.07 bei einem Durchmarsch des BE auf dem Parteitag Bündnis 90/ Grüne in einen sozialpolitischen Dornröschenschlaf verfallen, statt im Hier & Jetzt eine Offensive für den Weltarbeitsmarkt zu starten ?

Werner Götz, der Milliardär und Chef der Drogeriekette DM hat sich das BE auf die Fahnen geschrieben, unverhohlen erklärt, durch das BE wird die Möglichkeit der flächendeckenden Lohnsubvention in Deutschland, Europa durch Steuern geschaffen, finanzierbar über unsere konkurrenzlos günstig produzierende, liefernde Exportindustrie? Wie steht die WTO zum BE?

Früher gab es die Kanonenboot- Politik der europäischen Staaten, der USA, um vor regionalen Märkten anderer Kontinente aufzufahren, die Märkte und Preise zu diktieren.

Geschieht heute dasselbe mit und durch die Subventionspolitik, der EU/USA/Japan, mit dem BE erweitert auf die Lohnsubvention?
Wie sollen da regionale Märkte im Sinne einer Globalisierung auf Gegenseitigkeit kompatibel werden, allein, wo ihnen die Infrastruktur und Mittel für die Erhebung des Steueraufkommen ihrer Bürger/innen fehlen?

Tschüss
aus Hamburg
Joachim Petrick

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Petrick,

vielen Dank für Ihre ebenso interessante wie komplexe Frage.

Bündnis 90/Die Grünen haben im vergangenen Jahr ausführlich über die Zu­kunft der Sozialpolitik diskutiert. Auf unserem Nürnberger Parteitag im November 2007 wurde der Beschluss „Aufbruch zu neuer Gerechtigkeit“ gefasst, der sich gegen die Einführung eines garan­tierten Grundeinkommens ausspricht ( http://www.gruene.de/cms/partei/dokbin/207/207470.aufbruch_zu_neuer_gerechtigkeit.pdf ).

Ein bedarfsunabhängiges Grundeinkommen halte ich nicht für den richtigen Weg, den Sozialstaat zukunftsweisend auszubauen, da es nicht zu mehr Gerechtigkeit führen würde. Als Vorbild für den dringend nötigen Aufbruch zu mehr Gerechtigkeit dienen mir vielmehr die skandinavischen Länder, sie verbinden hohe Investitionen in Gemeinschaftsgüter, öffentliche Infrastruktur und Hilfesysteme mit der Motivation der Bürgerinnen und Bürger zur aktiven Mitarbeit.

Neben einer bedarfsabhängigen Grundsicherung müssen wir mehr Geld in Frühförderung, Bildung und Weiterbildung investieren, um auch Menschen mit schlechteren Startbedingungen Chancen auf Beschäftigung in der Wissensgesellschaft zu eröffnen. Denn Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung bestehen nicht allein im Mangel an Geld, sondern auch im eingeschränkten Zugang zur Bildung und anderen Gemeinschaftsgütern und in der Verweigerung des Zugangs zum Erwerbsarbeitsmarkt. Wir brauchen beides: zielgenau existenzsichernde Transferleistungen und den diskriminierungsfreien Zugang zu sozialen und kulturellen Angeboten, zu Räumen der Befähigung und der Bildung. Nur so lassen sich Armutslebenslagen nachhaltig überwinden.

Zweifelsohne hätte die Einführung eines bedingungslosen Grund­ein­kommens enor­me Auswirkungen auf unser Wirtschafts- und Sozialsystem, die an vielen Stellen nicht oder nur schwer abzu­schät­zen sind. Notgedrungen muss die Folgen­abschät­zung bei so tiefgreifenden Maßnahmen in letzter Instanz auch spekulativ blei­ben. Zusätzlich verkompliziert wird die Angelegenheit durch die Existenz mehrerer unterschiedlicher Grundeinkommensmodelle.

Mit ihrer Frage lenken Sie den Blick auf einen Aspekt, der in der Diskussion noch kaum bedacht wird, nämlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Allerdings teile ich Ihre Einschätzungen nicht, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkom­mens die Wettbewerbsfähigkeit von industriellen Produkten aus Deutschland entscheidend erhöhen würde. Im Gegenteil, die flächendeckende Lohnsubvention würde vielmehr in erster Linie dem – zumeist binnenmarktsorientierten – Dienstleistungssektor nutzen, bei dem die Lohnkosten eine wesentlich bedeutendere Rolle spielen als in der Industrie.

Das Konstruktionsprinzip unseres Sozialtransfer­systems der Nach­kriegszeit war und ist geradezu auf die Exportförderung industrieller Produkte ausgerichtet. Durch die Finanzierung weiter Teile der So­zia­len Sicherung über Abgaben auf Löhne und Gehälter (Beiträge zur Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenver­siche­rung) statt über Steuern wird bislang der Faktor Arbeit stärker belastet als die anderen Produktionsfaktoren. Davon profitieren in erster Linie kapitalintensive Branchen, also zum Beispiel die export­orientierte Automobilindustrie oder der Maschinenbau. Negativ be­trof­fen von dieser Konstruktion sind dagegen arbeitsintensivere Bran­chen wie zum Beispiel die Textilindustrie, die ihre Produk­tions­kapazitäten bereits in den siebziger Jahren ins Ausland verlagerte, und vor allem der Dienstleistungsbereich.

Im Dienstleistungsbereich könnte die Einführung des bedingungs­losen Grundeinkommens zu sinkenden Lohnkosten führen, womit sich das Angebot an personen- und haushaltsbezogene Dienstleistungen verbilligen und ausweiten könnte. Bislang wirkt das Sozialtransfersystem wie eine Be­schäftigungsbremse, da es durch die Sozialabgaben Dienstleis­tun­gen stark verteuert. Voraussetzung für die Ausweitung des Dienst­leis­tungsangebots ist allerdings, dass die Grundeinkommensbezieher auch zu deutlich niedrigeren Löhnen bereits sind, Arbeit aufnehmen.

Im Gegensatz zur industriellen Produktion ist der Dienstleistungs­sektor insgesamt bislang wenig internationalisiert – weder innerhalb der EU noch im globalen Maßstab. Weniger ortsgebundene Dienst­leistungen (Finanzdienstleistungen, Programmierung, Architektur) werden von sehr qualifizierten Personen mit entsprechend höheren Einkommen erledigt. Auf sie wirkt sich das Grundeinkommen netto genauso wenig aus wie die Arbeitgeber brutto wegen der höheren Steuerbelastung deutlich weniger zahlen müssten. Die Verlagerung z.B. von Servicehotlines ist durch die nötigen Sprachkenntnisse weitgehend begrenzt.

Eine relevante internationale Konkurrenz gibt es hier insofern, als es ausländische Arbeitskräfte gibt, die in Deutschland ihre Dienst­leistungen verrichten (Pflege, Reinigungsgewerbe etc.). Die existie­renden Grundeinkommensmodelle unterschieden sich in der Frage, ob diese ausländischen Arbeitskräfte ebenfalls grundeinkommens­berechtigt sind, wenn sie in Deutschland arbeiten. Wäre dem der Fall, würde sich das Grundeinkommen neutral zum Wettbewerb zwischen ausländischen und inländischen Anbietern verhalten.

Dass weite Teile der ausgelagerten Produktion nach Deutschland zurückkehren, ist selbst bei deutlich niedrigeren Arbeitskosten nicht zu erwarten. Dazu sind andere Faktoren wie z.B. die Steuergesetz­gebung, Umwelt- und Sozialstandards, die geographische Nähe zu stark wachsenden Märkten entscheidender. Außerdem ist zu be­den­ken, dass durch die Einführung eines bedingungslosen Grund­einkommens sich die Löhne und Gehälter im unteren Einkommens­bereich keineswegs gegen Null bewegen würden: Nach den meis­ten Grundeinkommensmodellen nimmt die Lohnsubventionierung ab, je höher das Einkommen ist. Aber selbst bei einem Pauschal­betrag und der fünfzigprozentigen Versteuerung aller Einnahmen wäre es fraglich, wie viele Personen sich finden, für die Lohnkosten Chinas von 1,10 Euro die Stunde zu arbeiten. Bei fünfzigpro­zen­ti­ger Versteuerung läge der das zusätzliche Einkommen bei einer Vierzig-Stunden-Woche bei nicht einmal 90 Euro im Monat.

Schließlich müssten auch die nicht unerheblichen Kosten für das bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden. Die stärkere Steuerfinanzierung würde zumindest teilweise zu Lasten der export­orientierten Industrie gehen.

Wie gesagt, viele Auswirkungen eines bedingungslosen Grundein­kommens bleiben notwendigerweise spekulativ. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde viele Probleme nach sich ziehen. Doch eine gewaltige Steigerung der Wettbe­werbs­fähigkeit durch Einführung eines Grundeinkommens halte ich für ausgeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen

Krista Sager